laut.de-Kritik

Drei Gottteilchen in ihrer natürlichen Umgebung.

Review von

Zeiten ändern sich: 1987 wurden die beiden Alben "Die Ärzte" und "Debil" indiziert. Die Band reagierte und schob die Compilation "Ab 18" nach, die aber schneller auf den Index folgte als man "Ein überdimensionales Meerschweinchen frisst die Erde auf" sagen kann. Heute ziert ein hässlicher "FSK ab 0 freigegeben"-Aufdruck das Cover der "Die Nacht der Dämonen"-DVD. Trotz manch deftiger Wortwahl und blankgezogenem Busen.

Auch Frisuren und Klamotten ändern sich. Anstatt als Römer verkleidet oder im ranzigen Batman-Shirt die Bühne zu entern, betreten die Anzug-Punks der Ärzte, Farin ausgenommen, im feinsten Zwirn gekleidet ihre Arbeitsfläche. Nur eines hat sich in all den Jahren nicht geändert. Das fiebrige Verlangen der Fans, die drei Gottteilchen Bela, Farin und Rod in ihrer natürlichen Live-Umgebung abzufeiern.

So zelebriert "Die Nacht der Dämonen" nicht nur die beste Band der Welt, sondern unter der Regie von Nobert Heitker auch die besten Fans der Welt. Diese sind dem Film, dessen Bilder auf der Berliner Waldbühne und in der altehrwürdigen Frankfurter Festhalle eingefangen wurden, genauso wichtig wie seine drei Hauptakteure. Alle sind hautnah dabei. Halbnackernde Jungspunge in der Wall of Death, Bankangestellte mit Kind auf der Schulter, bunte Iroträger und mit BHs um sich schleudernde Abiturientinnen.

Das Hauptaugenmerk der Setlist liegt logischerweise auf den jüngeren beiden, eher durchwachsenen Alben "Jazz Ist Anders" und "Auch". Aus der frühen Phase finden sich gerade einmal sieben seltsam gewählte Lieder auf der Playlist. Aber am Ende ist das alles egal. Live entsteht aus den 47 einzelnen Stücken eine einzige, fest zusammengeschnürte Gwendoline. Selbst das von mir in der "Auch"-Kritik noch als sackdumm bezeichnete "ZeiDverschwÄndung" macht plötzlich Spaß.

Egal ob Farins ständige Probleme mit seiner Gitarre oder Rods dissonanter Gesang in "Tamagotchi", kein Stück des Live-Chaos' bleibt im Schneideraum liegen. Jeder verpatzte Songeinstieg findet seinen Weg in "Die Nacht der Dämonen". Schließlich macht genau dies die Stärke der Ärzte aus: Das Zusammenspiel der drei Helden. Selbst in den ausweglosesten Situationen stellen sie sich wie Hulk, die Spinne und Batman dem Untergang. Voller Zuversicht, da irgendwie auch wieder raus zu kommen. In jeder Sekunde des Films kann man erkennen, wie viel Spaß die drei halbjungen Herren auch nach über dreißig Jahren noch beim Ausführen ihrer Erwerbstätigkeit haben.

Die mehr als drei Stunden zwischen "Ist Das Noch Punkrock?" und dem finalen "Dauerwelle Vs. Minipli" vergehen wie im Flug. Jedes Bandmitglied bekommt seinen Moment im Rampenlicht. In "Sohn Der Leere" zeigt Rod mit einem wilden Gitarrensolo, was an den sechs Saiten in ihm steckt. Nur Belas "Tittenmaus" zieht sich in unendliche Weiten. Dafür hat Bela die beste Frisur.

Auf der Bonus-DVD findet sich ein Berlin-Konzert in seiner puristischen Form. Hinzu kommen ein paar unschöne Wahrheiten über die Band, sowie zwei in Dortmund aufgenommene Stücke ("Wammw", "Omaboy"). Nach über sechs Stunden fällt mir auf, dass ich eines nie wirklich vermisst habe: Sahnies Gesicht.

Trackliste

Die Nacht Der Dämonen

  1. 1. Ist Das Noch Punkrock?
  2. 2. Bettmagnet
  3. 3. Tamagotchi
  4. 4. Hurra
  5. 5. Lied Vom Scheitern
  6. 6. Ein Mann
  7. 7. Ein Lied Für Dich
  8. 8. Heulerei
  9. 9. Wir Sind Die Besten
  10. 10. Angeber
  11. 11. Deine Schuld
  12. 12. Ewige Maitresse
  13. 13. Sohn Der Leere
  14. 14. Anti-Zombie
  15. 15. 1/2 Lovesong
  16. 16. zeiDverschwÄndung
  17. 17. Mein Kleiner Liebling
  18. 18. Langweilig
  19. 19. Schunder-Song
  20. 20. Fiasko
  21. 21. Wie Es Geht
  22. 22. Grace Kelly
  23. 23. M&F
  24. 24. Popstar
  25. 25. Waldspaziergang Mit Folgen
  26. 26. Lasse Redn
  27. 27. Nie Wieder Krieg, Nie Mehr Las Vegas!
  28. 28. Meine Freunde
  29. 29. Rettet die Wale
  30. 30. Ignorama
  31. 31. Schrei Nach Liebe
  32. 32. Ist Das Alles
  33. 33. Rebell
  34. 34. TCR
  35. 35. Westerland
  36. 36. Tittenmaus
  37. 37. Der Graf
  38. 38. Punkbabies
  39. 39. Cpt. Metal
  40. 40. Unrockbar
  41. 41. Himmelblau
  42. 42. Perfekt
  43. 43. Junge
  44. 44. Dinge von denen
  45. 45. Geh Mit Mir
  46. 46. Zu spät
  47. 47. Dauerwelle Vs. Minipli

Bonus-Material

  1. 1. Berlinkonzert am Stück
  2. 2. Die Unschönen Wahrheiten
  3. 3. XX/XY

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6 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ich mag die Ärzte eigentlich nicht, wurde aber in Form eines "Familienausflug" einmal auf ein Konzert geschleppt. Ist auf jedenfall ein komisches (nicht negativ gemeint) Publikum. Einfach mal ein kompletter Querschnitt durch die Gesellschaft. Von 10 bis 60 von Assi-Punk bis Mittelstandsfrau die tatsächlich in hohen Schuhen gekommen ist war alles, aber wirklich alles dabei (und ist gut miteinander ausgekommen). Und Spaß gemacht hats am Ende auch, aber Zuhause werd ich die trotzdem nie höhren.

  • Vor 10 Jahren

    Mir gefällt die DVD sehr. Wie in der Review angemerkt: Bei den Ärzten kommt es nicht auf musikalische Expertise oder die große Show an (höchstens wenn sie solche Ausnahme annimmt, wie beim Bonus-Video zu "Omaboy"). Es geht tatsächlich um den Spaß, den alle (Band und Publikum) miteinander haben. Und da ist es auch nur folgerichtig, dass die ganzen Pannen und daraus resultierenden Dialoge drin bleiben, weil das immer die "echt ärztigen" Momente sind (siehe "Schweres Schwert" auf der Unplugged-DVD), die die Band ausmachen und an die man sich noch lange erinnert.

  • Vor 10 Jahren

    Find ich gerade super, dass nicht nur irgendwelche Standardlieder aus der Frühphase gespielt wurden. Ist mir lieber als die Schlagerpunks von den Toten Hosen, die immer mehr die Nostalgieschiene und das -verlangen der Fans bedienen. Wirklich eine sehr tolle Live-DVD.

  • Vor 10 Jahren

    Also ich habe jetzt mein komplettes Wochenende damit verbracht um mit meinen Freunden und der Familie...diese Live DVD zu Feiern. Das Konzert hat die Power die die Konzerte damals 2002 zu "Geräusch" Zeiten hatte und das ist Gut so(ich persönliche finde das sie bei der Jazzfäzzt Tour under der zu Auch ziemlich nachgelassen haben).

    Ich schließe mich meinem Vorredner an. Wenn es um die Musikalische Qualität gehen würde, dan gebe es nur einen Stern....im Alter hat man das Gefühl das den heiligen 3 die Stimme ausgeht......vorallem Rod...was er dann aber durch sein Geniales Gitarren/Bass Spiel wieder rausholt. Ich kann dem getreuen Fan nur die Sonder Edition ans Herz legen, soviele Extras habe ich noch nie bekommen. Dafür hätte ich bis zum 24.12. gewartet...man wäre das ein Fest.

    Und wenn die Drei nun wirklich wie schon seit 20 Jahren viel Spekuliert^^ ...die Band in Rente schicken wollen....dann habe ich bei dieser Qualität ... nichts gegen einen ordentlichen Ausverkauf^^ ganz ehrlich .....alle Alben in einer Box Remastert oder ein MTV Unplugged 2...ich bin dabei.

    BelaFarinRod ....es gibt nur.....ach das ist Quatsch^^

    Im Ernst, danke das es euch gibt :*

  • Vor 10 Jahren

    Finde es ebenfalls klasse, das es so eine gute Band gibt. Es gibt viele Bands, die deutlich besser mit Musikinstrumente spielen können, aber es gibt nur eine Band, bei der wirklich das "Gesamtpaket" stimmt.

    Sie sind sich all die Jahre über immer treu geblieben, und jedes Live-Konzert ist der Wahnsinn. Es ist unglaublich, wie die drei es geschafft haben, auch nach 30 Jahren so eine enorme Spielfreude an den Tag zu legen.

    Man kann über die Ärzte reden was man will, die Tatsache, das die Tickets nach wie vor so preiswert wie möglich angeboten werden, zeigt nach wie vor Fannähe (trotz der Querelen mit Auflösung des offiziellen Fanclubs etc.).

    Auch diese BluRay beweist eindrucksvoll, wie gewitzt, schlagfertig und gut diese drei einfach sind. Ich hoffe, das Sie noch ein wenig Output in den nächsten Jahren herausbringen werden.

    Sie waren, sind und werden immer die Beste Band der Welt bleiben! Ohne DÄ hätte die deutsche Musik eine große Lücke!!

  • Vor 6 Jahren

    Die Ärzte sind (zusammen mit den Toten Hosen) für den Punk das gleiche wie Fanta4 und Fettes Brot für den Rap: viel zu poppig und zu kindisch, aber trotzdem nicht wegzudenken