laut.de-Kritik
Ihre gut gelaunte Musik erweitern sie um Nuancen.
Review von Toni HennigSeit 2012 machen die Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen, kurz DLDGG, da weiter, wo die Vorgänger-Band Superpunk nach ihrer Auflösung aufgehört hat. In konstanter Verlässlichkeit veröffentlichen die stets adrett gekleideten Hamburger und Berliner gut gelaunte Alben zwischen Northern-Soul, Rumpel-Pop, Punk-Mod und Dandy-Style. Auch mit "Fuck Dance, Let's Art!" folgen sie größtenteils dieser Linie.
Personell verzeichnen sie seit ihrer letzten Studio-Platte "It's Ok To Love DLDGG" von 2017 eine kleine Veränderung. So räumte Philip Morten Andernach im August 2018 den Posten an der Gitarre für Fabio Papais von Der Bürgermeister Der Nacht. Das schlägt sich nicht unbedingt auf die Musik nieder, aber um ein paar wenige Nuancen erweitert die fünfköpfige Truppe um Sänger, Texter und Band-Chef Carsten Friedrichs sie dennoch.
Das hört man vor allem in den ersten Songs. So ertönen neben beschwingten Handclaps und einer groovigen Orgel in "Der Letzte Große Bohemien" auch melodische Sitar-Klänge. "Ein Leben In Rot Mit Purpurnen Blitzen" kommt dann mit entspannten Disco-Sounds daher, inklusive Klavier-Glamour. Dazu propagieren DLDGG den bohemistischen way of life: "Ein tolles Jackett mit zwei seitlichen Schlitzen, keine Probleme und leicht einen sitzen." Ebenso schlagen sie sich auf den restlichen Tracks auf die Seite der Normverweigerer, Außenseiter und Verlierer, wie man es von ihnen nicht anders kennt.
Darüber hinaus wartet die Scheibe mit "Ich Verlieb Mich Wieder In Mich" mit einer Hommage an The Lovin' Spoonful auf, die zwar liebevoll gemachte Bläser-Arrangements bereithält, aber insgesamt mit nett daherklimperndem Piano und dezenten Background-Gesängen zu harmlos wirkt, um vollends zu begeistern. So verhält es sich leider auch mit "Links, Rechts, Geradeaus", das, wenn man sich die lockeren Honkytonk-Anleihen weg denkt, melodisch zu uninspiriert und zu beiläufig anmutet. Zudem geraten die Keyboards-Arrangements, die schon beinahe etwas amateurhaft klingen, zu leichtfüßig. Ein wenig mehr Wumms hätte der Platte an einigen Stellen sicherlich nicht geschadet.
Der kommt jedenfalls gerade in der Mitte nicht zu kurz. Beim rein instrumental gehaltenen Titelstück dürfte entgegen seines Namens mit fetzigen Soul-Grooves, psychedelischer Orgel und coolen Western-Anleihen an den Saiten das Tanzbein kaum still stehen. Ebenso lässt "Der Glückliche Spion" mit treibenden Drums und skandiertem Gesang Energie nicht vermissen. Danach gibt es in "Der Kleine Matratzenmarkt" zwar ein kurzes Gitarren-Solo und coole Rock'n'Roll-Chöre, aber leider auch eine angezogene Handbremse. Zumindest textlich gestaltet sich der Song recht ungewohnt, wenn sich der Sänger mit einem Matratzen-Concord-Fachgeschäft solidarisiert, das Pleite ging.
Wenigstens hat die Band wieder eine große Hymne über die je nach persönlichem Standpunkt wohl schönste oder zweitschönste Nebensache der Welt im Gepäck, nämlich das runde Leder, das ins Eckige gehört. In "Hässlich Und Faul, Musik Und Der HSV" wirft Friedrichs zu tief tönenden, geradlinigen Gitarren und einer leiernden Orgel einen selbstironischen Blick auf das triste und öde Leben im Hamburger Bezirk Altona in den Achtzigern, als die Jungs "mit 13" schon "Schnurrbärte" trugen.
Da gab es bis auf "K-Tel-Sampler und Status Quo" ja im Grunde eh "nischt", aber sie machten das Beste aus der Situation: "Mit den Rädern in den Volkspark gefahren, fühlten uns als Gewinner, die wir nicht waren." Ohnehin feierte der HSV mit Rekord- und Abwehspieler Manfred 'Manni' Kalz, berühmt für seine Bananenflanken, und Mittelstürmer Horst Hrubesch im Stadion zu der Zeit seine größten Erfolge. Jetzt kickt der Verein in der zweiten Liga. Damit hat er genauso wie viele Protagonisten auf diesem Werk eine bedauernswerte und tragische Geschichte hinter sich. Aber Kopf hoch, der Wiederaufstieg lässt bestimmt nicht lange auf sich warten.
Am Ende bleibt ein Album, dem es an Abwechslung und ebenso den ein oder anderen Hit nicht mangelt, das allerdings noch etwas peppiger hätte ausfallen können. Die bewährte Formel geht also nur zum Teil auf. Somit sollte Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen gewisse Finessen im Sound noch stärker betonen. Warum nicht mal ein paar locker aus der Hüfte geschüttelte Disco-Töne mehr zum Beispiel? Steht ihnen jedenfalls durchaus gut.
2 Kommentare
"Auch mit "Fuck Art, Let's Dance!"..."
*mahndenden Zeigefinger heb*
Leider, leider hat der Besetzungswechsel schon einiges am Sound verändert, vermutlich vor allem live.
Philip Morton Andernach spielte ja nicht nur Lead-Gitarre, sondern auch verschiedene Blasinstrumente und sorgte für DIE Farben im Sound.
Das ist jetzt weg und muss entweder durch Bläser aus der Konserve, einen recht dünnen neuen Gitarrensound oder immerhin durch das nach vorne treten der Orgel/Keys aufgefangen werden. Es ist ein Schnitt, an dem man erst noch wachsen muss.
Kann mich der Rezi aber insgesamt anschließen: Gutes Album, einige Perlen, einige nicht ausgegorene Versuche, nicht das stärkste Album, aber hat auf jeden Fall seine Momente.