laut.de-Biographie
Dornenreich
Sehr schmeichelhaft ist das Image des Black Metal und vieler Protagonisten nicht gerade. Von stumpfsinnigem Gekloppe über unverhohlenen Rassismus und tumber Verherrlichung satanistischen Aberglaubens reicht die Latte der Vorwürfe vieler Skeptiker. All diese Menschen kennen Dornenreich sicherlich nicht. Die österreichische Kapelle hat – abgesehen vom Namen – nicht das Geringste gemein mit den Klischee triefenden Kollegen vom metallischen Bolzplatz.
Bereits 1994 von Thomas "Valñes" Stock gegründet, übernimmt sehr schnell sein Bruder Jochen "Evíga" Stock federführend das Ruder. Seit 2006 ist der Bandgründer nur noch gelegentlich mit von der Partie, als eine Art erlesener Gaststar. Dem künstlerischen Entwurf schadet dies nicht im Geringsten. Bereits mit den ersten beiden Alben "Nicht Um Zu Sterben" und "Bitter Ist’s Dem Tod Zu Dienen" rufen die Dornen Ende der Neunziger ebenso irritiertes wie erfreutes Erstaunen in der Szene hervor. BM mit deutschen Texten ist zu diesem Zeitpunkt eine absolute Rarität. BM mit lyrisch hervorragenden Texten geradezu unbekannt.
Vor allem diese sprachliche Qualität sichert der Band langsam den Status als unantastbare Genies. Sie entwickelt sich mehr und mehr zum Markenzeichen. Sehnlauf, Du fühlst Wege. Du bist Wiege. Oft in Sturm. Oft in Hauch. Es ist Hier. Doch diese bleibt bis heute die einzige Konstante im Universum der Band. Mit wechselndem Line-Up machen die Gebrüder Stock auch musikalisch ernst mit dem Künstlertum. Immer stärker erobern akustische Elemente den Mikrokosmos. Akustische Gitarren und ein Cello zwischen zart gezupftem Folk und nicht minder fragiler Klassik verdrängen das all zu enge Korsett reinen Black Metals.
Auf dem 2008er Opus "In Luft Geritzt" findet sich konsequenter Weise dann auch kein einziges elektrisches Instrument mehr. Sinistre Kammermusik für Misanthropen oder einfach nur die Krönung der Melancholie? Solchen Kategorisierungen sehen sich Dornenreich längst entzogen. Und kurz bevor es letzten Endes dann doch ein wenig langweilig wird im sehr einsamen Elfenbeinturm feuilletonistischer BM-Bands, holt der gute Eviga 2011 mit seinen derzeitigen Mitstreitern Thomas "Inve" Riesner (Violine) und Moritz "Gilvan" Neuner (Drums, Percussion) zur Freude aller Ur-Fans mal wieder das ganz fette Brett heraus. Die zugehörige Platte "Flammentriebe" vereint dabei souverän den anfänglichen Härtegrad mit den virtuosen Kompositionen späterer Zeiten.
Es bleibt abzuwarten, ob Dornenreich zukünftig einen ähnlichen Schritt gehen wird, wie die mehr oder weniger einzig künstlerisch ebenbürtigen Kollegen von Ulver. Die letzt genannten Wölfe haben sich tatsächlich von reinem BM zum Elektro-Jazz bewegt. Immerhin wagt Bandchef Stock ein Novum im Metal. Auf der zugehörigen 2011er Tour werden die dargebotenen Stücke ausnahmslos sowohl in metalloischer Rüstung gespielt als auch im introvertierten Akustikkleid. Jeder Gig besteht aus zwei entsprechenden Sets.
Unberechenbarkeit bleibt mithin Trumpf und konstanter Begleiter der Dornenkönige. Ein Ende der brilliant trübsinnigen Machenschaften ist noch lange nicht in Sicht. Dafür bietet Evigas Lieblingsthema – die primitive Natur des Menschen – in der Gegenwart einfach zu viele Thematiken. Eviga: Die Kettensprengende und hinterfragende Qualität unserer früheren Alben wird in "Flammentriebe" über das menschliche Individuum hinaus zu einer umfassenden Zivilisationskritik ausgebaut, die sich schlussendlich freilich wieder und vehementer als je zuvor an den Einzelnen innerhalb der menschlichen Gesellschaft wendet, der diese Gemeinschaft im Kern bildet.
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