3. Juli 2005

"Ich bin ein trendy Motherfucker!"

Interview geführt von

Es ist Anfang Juli, ein schwülwarmer Tag in der Kölner City. Aber nicht nur wegen der Hitze geraten Dredg ins Schwitzen, auch der Tourneeplan treibt die Perlen auf die Stirn. Denn immer, wenn die vier Deutschland beehren, sind zwei Auftritte an einem Tag nicht Ausnahme, sondern Regel. Auf den gestrigen Auftritt beim Rheinkultur-Festival folgte noch am selben Abend ein Gig in Dortmund. Heute werden Dredg auf der Bühne des hoffnungslos überfüllten Prime Club stehen und beweisen, dass ihnen im Brückenschlagen momentan niemand das Wasser reichen kann. Wer sonst verbindet komplexe Artrockelemente mit derart eingängigen Popmelodien? Eben.

Schon zur Mittagszeit laden Sänger Gavin, Gitarrist Mark und Drummer Dino im Backstage-Bereich des Clubs zum Gespräch. Während der umtriebige Labelmensch schwer damit beschäftigt scheint, an einem Sonntag Ventilatoren für den Nightliner aufzutreiben, wirken die Kalifornier recht entspannt. Obwohl sie sich manches Mal in Ironie flüchten …

Hallo, wie geht's euch?

Alle: Sehr gut, danke.

Ich habe gestern euren Auftritt beim Rheinkultur-Festival gesehen.

Gavin: Hat dir die Show gefallen?

Die Show war in Ordnung, aber der Sound ziemlich schlecht.

Gavin: Ja, es war zu leise. Die Veranstalter hatten eine Lautstärkenbegrenzung als Auflage. Die kleinere Bühne war merkwürdigerweise viel lauter.

Ihr habt hauptsächlich Songs von "Catch Without Arms" gespielt. Warum klingt die Platte so anders als "El Cielo"?

Mark: Uns war langweilig.

Ihr habt euch gelangweilt?

Gavin: (lustlos) Ja. Unser Sound klingt von Album zu Album anders. Wir wollen uns jedes Mal verändern.
Dino: Jede bisherige Platte unterscheidet sich deutlich vom Vorgänger. Es ist also ganz normal, dass "Catch Without Arms" ebenfalls abweicht.

Gehört die ständige musikalische Weiterentwicklung zum festen Konzept?

Gavin: Definitiv.

Ihr wollt also Fans und Kritiker überraschen und unberechenbar bleiben.

Alle: Sicher, ja. Das galt auch schon für "El Cielo".

Euer neues Album ist leicht verdaulich, geradlinig und direkt. Es gibt Leute, die denken, dahinter steckten auch kommerzielle Beweggründe …

Dino: Wir sind jetzt reich. (alle lachen) Zumindest werden wir demnächst wohlhabend sein. Schau dir nur unseren neuen Tourbus an. (ernst) Wir sind so pleite wie zuvor.
Gavin: Wir sind tatsächlich noch abgebrannter. (alle lachen)

Angeblich hatte sich sogar eine Ratte in eurem alten Van versteckt, während ihr auf Tour wart.

Gavin: Oh yeah. Jetzt haben wir mehr Ratten!
Dino: Wir haben einfach mehr an unserem Songwriting gearbeitet als bei der letzten Platte. Uns gründlicher vorbereitet. Wenn das Ergebnis eine größere Zugänglichkeit ist: bitteschön.
Gavin: Ich frage mich immer: Wenn jemand sagt, die Songs sind zugänglicher, meint er damit, die Songs sind besser? Ist das eine andere Art, das zu sagen?

Ich glaube nicht, dass damit eine Wertung verbunden ist. Ich persönlich tendiere eher zu "El Cielo", weil es mich mehr gefordert hat. Ich mag aber auch "Catch" sehr gerne.

Gavin: (nüchtern) Yeah.

Noch einmal zum Kommerzvorwurf: Das letzte Album hat sich nicht sonderlich erfolgreich verkauft, was eure Plattenfirma nicht gefreut haben dürfte. Ihr habt aber oft betont, dass ihr mit ganzen Herzen Musiker seid. War jetzt eure eingängigste Platte die Gelegenheit, quasi nebenbei größere Stückzahlen abzusetzen und so das Label zufrieden zu stellen? Um weiter das machen zu können, was ihr am liebsten tut?

Mark: Wir haben das Album nicht gemacht, um unser Label zu befriedigen. Das würden wir unter keinen Umständen tun. Es wäre lächerlich, nur daran zu denken. Was wir dagegen in der Tat geschaffen haben, ist eine Platte, die es uns erlaubt, weiter zu tun, was wir tun. Es geht nicht darum, Tonnen von Platten mehr zu verkaufen als bei "El Cielo".

Ihr seid doch in die US-Charts eingestiegen?

Dino: Nein.
Gavin: Ja, auf Platz 124. (alle lachen)

Mark: Wirklich, es ist absolut lächerlich, zu denken und zu sagen, wir seien kommerziell geworden. Dredg sind nach wie vor eine kleine Band.
Gavin: Wenn du uns in der Pepsi-Werbung siehst, dann kannst du behaupten, wir seien eine kommerzielle Band.
Mark: Wir haben eine Platte gemacht, die … wir mussten etwas Anderes machen, wir mussten etwas machen, dass ein wenig serieller ist, etwas fokussierter, um weitermachen zu können. So läuft es eben, weißt du? (nachdrücklich) Es ist nicht kommerziell, es dient nicht dazu, die Plattenfirma zu besänftigen. Wir haben die Songs und das Album gemacht, das wir machen wollten.

Habt ihr denn schon eine Vorstellung vom nächsten Album?

Gavin: Ja. Es ist bereits geschrieben.
Dino: Es wird Pop in Reinform. (lacht)
Gavin: Etwas Tanzbares.
Dino: Wenn du die CD das erste Mal einlegst, wird es die poppigste Scheibe sein, die du jemals gehört hast. Außerdem wird das Album aus vier Alben bestehen, komprimiert auf eine Disc. Exklusiv für Kurzstreckenflüge. (alle lachen) Ich mache nur Spaß, entschuldige.
Gavin: Wir haben noch keine Vorstellung.

Gibt's dann auch eine Unplugged-Version als Bonus?

Gavin: Ja, es wird eine rein akustische CD geben. Nur mit Liebesliedern.
Mark: (lacht) Ja! Nur mit Liebesliedern!
Gavin: Dann schaffen wir es endlich in alle Pepsi-Spots. Das ist unser nächstes großes Ziel. Wir stellen demnächst auch unser Workout-Programm auf Video vor. Es wird sehr anspruchsvoll.
Dino: Wir tragen nur unsere Unterhosen.
Gavin: Ja, wir ziehen dann auf der Bühne die Shirts aus. Viele Bands tun das.

Das wäre großartig. Darauf haben die Fans auch lange genug gewartet.

Gavin: (unsicher) Ja, genau. Also sollten wir ihnen die Freude bereiten. (Dino lacht)

Das solltet ihr.

Dino: Das Label möchte das. Wir sollten das Label befriedigen.

Wo ihr gerade Liebeslieder erwähnt: Gavin, über dich steht im Promotext, dass du Liebeslieder ablehnst.

Gavin: (zögert) Habe ich das wirklich gesagt? Nun, ich habe seitdem meine Einstellung geändert. Jetzt sind alle Stücke Lovesongs! (ernst) Die Liebe ist zwar eine schöne Sache, aber man kann etwas lieben und hassen …
Mark: Es geht darum, ob ein Liebeslied ehrlich ist oder nicht. Ich finde, wenn es aus dem Herzen kommt und von Liebe handelt, kann ein Song wunderschön sein.
Gavin: Es darf nicht cheesy sein. So etwas können wir nicht leiden, das wollte ich gerade sagen. Kitschige Liebeslieder sind wertlos. (denkt nach) Ich meine, wir schreiben Stücke, bevor wir gewisse Leute treffen. Das ist die richtige Art, Lovesongs zu schreiben. Das ist dann nicht diese Schublade.

Würdest du denn "Spitshine" als Liebeslied bezeichnen?

Gavin: (zitiert) "You spit-shined my corroded halo?" Das hört sich für mich nicht wie ein Liebeslied an. (zögert) Nun, es könnte eins sein …

Die Songs sind also offen für eigene Interpretationen?

Gavin: Ja, genau.

2002, bei eurer ersten großen Coverstory in Deutschland, sollt ihr im Interview sehr schüchtern gewesen sein. Den Eindruck habe ich jetzt nicht unbedingt. Seid ihr mittlerweile einfach geübter?

Dino: Wir haben einen Interviewtrainer! (alle lachen) Damals war alles noch neu für uns. Mittlerweile fühlen wir uns in dieser Situation wohler. Wir sind augenscheinlich älter und reifer geworden.
Mark: Man gewöhnt sich an dieses Business-Ding.
Dino: Ja, alles kommt irgendwie zusammen. (überlegt) Es ist ein Lernprozess. Ich meine, es macht wenig Sinn zurück zu blicken und sich zu fragen, warum man dieses getan und jenes gelassen hat. Unser ganzer Werdegang wird dokumentiert, das macht es einfach, auf Fehler zu zeigen.

Dass ihr eure Zurückhaltung abgelegt habt, sieht man auch daran, dass ihr im "Bug Eyes"-Video zum ersten Mal zu sehen seid.

Mark: Richtig. Wir haben einen eigenen Weg gefunden, unsere Gesichter zu zeigen. Früher hatten wir große Angst, als Marketingobjekte behandelt zu werden und einen Look verpasst zu bekommen, den wir nicht wollten. Wir möchten die Musik in den Vordergrund stellen.

Zählt "Bug Eyes" zu euren Favoriten auf der Platte?

Gavin: Eher nicht. (alle lachen)
Mark: Ich mag "Sang Real" sehr gerne. Einfach, weil es einer der kreativeren Stücke ist, die wir geschrieben haben. Wir wählten "Bug Eyes" zum einen, weil es, passend zur Bandentwicklung, von Reife handelt. Zum anderen enthält der Track alle unsere musikalischen Elemente: sehr viel Energie, aber auch eine ruhige Bridge. "Bug Eyes" zeigt die Aspekte, die Dredg ausmachen.

Das Thema Reise ist in den Lyrics immer sehr präsent. Inwieweit beruhen die Texte auf tatsächlichen Reisen?

Gavin: Wir waren so ziemlich überall in Westeuropa.
Mark: Drew war in Fernost und ist von uns allen am meisten herumgekommen. Er war unter anderem in Indien und Vietnam, und er hat diese Trips sehr genossen. Als Band kennen wir hauptsächlich Europa und Nordamerika … Ich saß einmal in einem mexikanischen Gefängnis. Mit Gavin.
Gavin: Und Drew.

Wieso?

Mark: Oh, das war keine große Sache. Wegen Trunkenheit am Steuer.
Gavin: Eigentlich fuhr sogar Drew die meiste Zeit ... (lacht) Nun, er hat sich geändert. So wie unsere Alben sich ändern.

Eine Textfrage: In "Not That Simple" gibt es folgende Zeile: "I decided to run like a child / then decided to run to rescue / it took too long to wake up". Kann man das als Retrospektive eurer bisherigen Platten verstehen? Wut bei "Leitmotif", Rettung durch Kunst bei "El Cielo", Reflektion bei "Catch Without Arms"? Oder überinterpretiere ich?

Alle: (lachen) Ja!

Okay…

Gavin: Aber das ist cool. Ich habe diese Interpretation noch nie gehört. Vielleicht wollte ich genau das unterbewusst sagen. Als ich nämlich am Text zu "Not That Simple" saß, hatte ich so etwas in der Art im Kopf. Deine Auslegung funktioniert also.

Schreibst du die meisten Songs?

Dino: Das machen wir alle zusammen. Gavin verfasst die Texte und die meisten Melodien. Aber am Stück selbst arbeiten wir gemeinsam.
Gavin: Dabei improvisieren wir oft, und wenn das Songgerüst steht, mache ich weiter.

Hast du zuerst die Lyrics oder schreibst du erst die Melodie?

Gavin: Da gibt es keinen festgelegten Weg. Manchmal habe ich nur eine Melodie ohne Text, und manchmal leitet sich die Melodie direkt von den Lyrics ab.

Das Album wirkt wie seine Vorgänger wie aus einem Guss. Passt ihr Songs an ein übergeordnetes Konzept an, oder wählt ihr beim Entstehen einer Platte nur die Stücke aus, die bereits passend erscheinen?

Mark: Ein bisschen von beiden. Während der Aufnahmen entwickelst du in Gefühl dafür, welche Songs du für das Gesamtkonzept brauchst. Wenn du beim Songschreiben merkst, dass dir eine gewisse Energie oder ein bestimmter Stil fehlt, suchst du eben so lange wie nötig danach. Aber gleichzeitig, sobald du mit der Arbeit fertig bist, platzierst du die einzelnen Stücke natürlich so auf dem Album, dass sie optimal hinein passen.
Dino: Bei dieser Platte hat es lange gedauert, die richtige Reihenfolge zu finden.

Hat Terry Date euch dabei helfen können? Warum habt ihr ihn als Produzenten gewählt?

Dino: Nun, unsere Manager brachten Demos in Umlauf. Auch Terry bekam das Muster in die Hände und war sofort interessiert. Wir sind große Fans seiner Produktionen. Es ist die Art, wie er die Liveenergie einer Band einfängt. Genau danach strebten wir diesmal, dafür schien uns Terry am Geeignetsten. Wir kamen hervorragend mit ihm und seiner Persönlichkeit aus. Ein super entspannter, großartiger Typ, es war einfach perfekt.

Er hat euch also eure Freiheit gelassen.

Mark: Oh ja, er ist ein sehr netter Mensch. Terry brachte uns dazu, natürlich zu klingen. Er unterbreitete einige Ideen, aber er wollte nicht ins Bandgeschehen eingreifen.
Dino: Terry sagt über sich selbst, es treibe ihn an, dass jede Band, mit der er zusammen arbeitet, sich anders anhört. So wie sich zum Beispiel eine Deftones-Platte von Pantera unterscheidet. Er weiß mit dem Sound einer Band umzugehen.
Mark: Wir wollten auf keinen Fall einen kompletten Richtungswechsel und wie etwas klingen, was wir nicht sind.

Würdet ihr "Catch" als bislang autobiografischstes Werk bezeichnen? Die Lyrics sind voller persönlicher Themen …

Gavin: Ich würde sagen, persönlicher als bisher, ja. Wie Mark schon sagte, wir sind ein wenig serieller geworden. Ich habe versucht, die Texte nicht mit Metaphern und so weiter zu überladen.

Gibt es ein zentrales Thema? Die Alkoholproblematik kehrt immer wieder.

Gavin: (lächelt verlegen) Nun ja, alles basiert auf dem Konzept der Gegensätzlichkeit, auf Kontrasten. Es gibt viele verschiedene Themen.

Stammen eure aktuellen Favorites auch aus dem Hause Terry Date? Seid ihr große Deftones-Fans?

Dino: Nein.
Gavin: Du willst meine Lieblingsbands bestimmt gar nicht wissen.

Klar will ich.

Dino: Auf Tour hören wir nicht viel Musik. Nicht in dem Maße wie ich früher. (steht auf und reicht mir eine Flasche Wasser) Möchtest du etwas trinken?

Vielen Dank.

Gavin: Ich habe vergessen, was du gefragt hast.
Dino: Unsere Lieblingsbands. (alle zögern)

Keine Präferenzen?

Dino: Nun, "Worlds Apart" von Trail Of Dead ist wirklich fantastisch. (alle stimmen zu)
Mark: Wir könnten all die angesagten Bands nennen. Arcade Fire … was auch immer. Dann klingen wir cool.
Gavin: Ich mag Arcade Fire. (verzieht keine Miene) Denn ich bin ein trendy Motherfucker.

Wie steht ihr zu The Mars Volta?

Dino: Ich persönlich stand total auf … war "De-Loused In The Comatorium" das Debüt? Das gefiel mir außerordentlich gut. Die Scheibe war erstaunlich.

Und "Frances The Mute"?

Dino: Ich habe es ein-, zweimal gehört. Das war genug.
Mark: Wir sind nicht unbedingt große Fans von ihnen.

Ich frage, weil in eurer Bandbiografie der Vergleich zwischen Dredg und The Mars Volta gezogen wird. Besonders mit Blick auf den künstlerischen Anspruch.

Gavin: Das haben wir nicht geschrieben.
Dino: Wir werden das ändern lassen.
Gavin: Kylie Minogue …

Kylie Minogue?

Gavin: Ich stehe total auf Kylie!
Mark: Wir warten auch auf die neue Sade-Platte.
Gavin: Ja, die neue Sade. Auf die lohnt es sich bestimmt zu warten.

Plötzlich stürmt der Busfahrer herein. "Also come on! Want to go to the city?", brüllt er den dreien mit großen Augen und in schlechtem Englisch entgegen. In Köln findet an diesem Tag der Christopher Street Day statt. Gelächter bricht los, und während Mark und Dino von ihm Zigaretten schnorren, entdeckt er mich.

Dino: Du bist auf Band, er ist ein Journalist.
Busfahrer: Journalist? Was bist du? Was machst du?

Ich mach hier grad ein Interview.

Busfahrer: (zeigt aufs Diktiergerät) Aber das läuft nicht gerade?

Doch.

Gavin: (lacht sich kaputt) Get the fuck out of here!

Busfahrer: (verlässt den Raum, kommt aber sofort wieder) Das schneidest du aber raus?

Äh, ja, klar. Zurück zur Platte. Ist Emanzipation ein zentrales Motiv?

Dino: Reinigung ist das zugrunde liegende Thema in den Lyrics, aber auch für uns als Band. Dieses Album ist komplettes Neuland. Wir sind nicht mehr so ernsthaft, dafür fokussierter. Wenn die Leute denken, dass "Catch" völlig anders klingt, dann deshalb, weil wir energische Livesongs schreiben wollten. Wir betrachten "El Cielo" nach wie vor als großartige Platte, verstehst du. Wir brauchten aber die Veränderung.
Mark: Veränderung bringt Dynamik. Unsere neue CD ist gerade draußen, aber nur weil sie anders ist, sagen wir nicht "Oh, 'Catch Without Arms' ist so viel besser."
Dino: Wie lange hörst du das Album schon?

Es läuft bei mir seit Wochen in Dauerrotation, fast jeden Tag.

Gavin: Wow. (alle lachen)
Mark: Findest du, dass es Stücke gibt, die auch auf "El Cielo" passen würden? "Jamais Vu" oder "Planting Seeds" ?

Definitiv. "Jamais Vu" ist mein Lieblingssong auf der Platte.

Mark: Yeah, das zweite Stück, das wir geschrieben haben. Das erste war "Tanbark", eine Reaktion auf "El Cielo". Wir wollten etwas Schnelles und Kompaktes machen, weil wir wussten, wir haben das drauf.

Zum Artwork: Von wem stammt das Bild im Booklet, auf dem Engel und Teufel sich umarmen?

Gavin: Drew hat das gemalt. Es ist, nun ja, eher gewöhnlich, aber es stammt unmittelbar aus dem Text zum ersten Song "Ode To The Sun". Drew und ich haben insgesamt zwölf Bilder gemacht, eines zu jedem Stück. Leider hat das nicht recht funktioniert, denn es sah im Booklet einfach nicht gut aus. Wir haben uns dann stattdessen entschieden, diverse Comicbilder einzufügen. Das passte besser zum gesamten Layout.
Mark: Wir stellen die Malereien aber auf unsere Webseite.
Gavin: Wir arbeiten darüber hinaus an einer Art Collage der zwölf Bilder, die zusammen ein riesiges Kunstwerk ergeben. Das wird in einer Ausstellung zu sehen sein.

Zurück zur Musik. Rock scheint heutzutage unausweichlich mit einer Retro-Attitüde verknüpft zu sein, alles kommt wieder…

Dino: Yeah! Sehr schön!

Findest du?

Dino: Auf jeden Fall!

… trotzdem sind Dredg nicht wirklich retro.

Mark: Vielen Dank.

Ein bewusstes Statement gegen Rückwärtsgewandtheit?

Mark: Mit Sicherheit. Ich meine, wir nehmen Elemente aus der Musik der 30er und 40er, faszinierende Ära. Auch die 50er und 70er inspirieren uns. (überlegt) Ich schätze, wir nehmen kleine Teile von allen möglichen Quellen, doch nichtsdestotrotz unterscheidet sich unser Sound hoffentlich von allen anderen. So viele Gruppen haben drei Lieblingsbands, von denen sie dann kopieren. Dann haben sie ihren Sound. Wenn du ein wenig anspruchsvoller bist, lässt du dich von 20 verschiedenen Bands beeinflussen – schon kann niemand mehr sagen, du würdest wie sie klingen.
Gavin: Das hat auch mit der Art des Songwritings zu tun. Wir sammeln unsere unterschiedlichen individuellen Inspirationen und packen sie in ein Gesamtwerk.
Dino: Wir hören definitiv jede Menge altes Zeug.

Letzte Frage: Seid ihr eigentlich religiös?

Alle: Nein.

Es gibt einige religiöse Symbole sowohl im Booklet als auch in den Lyrics: ein Bild von der Jungfrau Maria und "Sang Real" als Anspielung auf den Heiligen Gral.

Dino: Es handelt sich um eine Zusammenführung aller Religionen ...
Gavin: ... als Begriff von der Suche der Menschen nach einem moralischen Fundament. Alles dreht sich um Spiritualität, jeder Mensch greift danach.
Mark: Ich denke, die Religion ist in den letzten 2000 Jahren verloren gegangen. Man muss einer Organisation angehören, darf nur an eine Sache glauben. Wir sind eher an den Menschen selbst interessiert und daran, warum die Leute tun, was sie tun.
Gavin: Es geht um das Dasein an sich.
Mark: Es muss nicht ein bestimmter Glaube oder eine bestimmte Religion sein, verstehst du? Niemand von uns ist Mitglied einer organisierten Religion.

Ich verstehe. Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Matthias Manthe

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