laut.de-Biographie
EA80
"Das Gefühl ist schwer - und - Lieder sind traurig Ruinen aus Sehnsucht und Erinnerung. Das Leben reduziert auf wenige Worte. Und ich wiederhole sie immerfort ... immerfort. Gedanken springen - doch der Schmerz bleibt. Manchmal bin ich glücklich, traurig zu sein. Das Gefühl ist leer und die Lieder sind schaurig. Eine Ruine aus Knochen und Fleisch!"
Ein treffenderes EA80-Selbstportrait könnte es kaum geben. Diese Zeilen aus dem Lied "Manchmal" aus dem Jahr 1990 bringen alles auf den Punkt, das die Punklegende aus Mönchengladbach ausmacht. Sie sind anders als die durchschnittliche "Fuck The System"-Combo von nebenan, unterscheiden sich komplett vom amerikanischen Entwurf und haben ebenso kaum Berührungspunkte mit der britischen Urvariante. EA80 sind tatsächlich einzigartig und individuell.
Ihr Ausgangspunkt ist niemals plakativ, indes immer introspektiv. Sie richten den Blick musikalisch wie textlich nach innen und leuchten sich, die Welt und das ganze Jahrtausende währende Elend menschlicher Existenz schonungslos aus. Selbst ein Psychologe könnte aus ihren Seelen hernach nichts mehr heraus holen.
Den dort vorgefundenen Ballast zerren sie unter emotionalen Schmerzen ans Licht der Welt. Dabei entsteht im Kollektiv nahezu automatisch ein musikalischer Rausch, der den Hörer ganz selbstverständlich umarmt, fordert und fasziniert. Ob gewollt oder nicht: EA80-Gigs sind die einzigen Punkkonzerte, bei denen eine Art messianischer Grundstimmung herrscht, wie sie hypnotischer nicht sein könnte.
Punk in Moll? Ja, das klappt wunderbar. Seit Ende der 70er kreieren sie ihr ganz und gar eigenes Genre, das man in der Szene gern Depri-Punk nennt. Die griffige Bezeichnung täuscht ein wenig. Denn aufgrund der kathartischen Wirkung ihrer Noten und Zeilen sowie wohlig über den Publikumsrücken jagenden Schauern ist ihr Ansatz eher ein melancholischer, kein deprimierender.
Wenn die alte Weisheit stimmt, dass man Punk im Herzen haben muss, sind EA80 echte Vorbilder. Mehr als dreißig Jahre lang verweigern sie sich jeder Berechenbarkeit, jeder Showbizregel und jedem popkulturellen Ritual. Alle Musik nehmen sie in Eigenregie auf. Anbindung an Labels? Da können sie nur lachen! Sogar die sporadischen Konzerte geben sie bewusst in kleinsten Provinzschuppen. Relevante Promotion existiert nicht. Rockstartum und Personenkult ist ihnen fremd.
Das klappt vor allem deshalb so gut, weil sowohl die musikalische Qualität als auch die lyrische Leistung herausragend ist. Jede einzelne Platte verkörpert ein Juwel. Ein paar ihrer Scheiben stechen gleichwohl heraus. "Schauspiele" (1992) und ihr Meisterwerk "Grüner Apfel" (1995) eigenen sich hervorragend als Einstiegsdroge in ihren Kosmos.
Wer es eine Spur rauer mag, darf sich bedenkenlos beim Frühwerk "Vorsicht Schreie" (1983) bedienen. Am Ende entdeckt man ohnehin jedes Album als echtes Kleinod. Wie es sich für einen echten Genrepaten gehört, folgen den Vorreitern nahezu gleichwertige Nachzügler. Bereits in den 80ern tauchen mit "Fliehende Stürme" ("Priesthill 1988) oder Razzia ("Ausflug Mit Franziska" 1986; "Menschen Zu Wasser" 1989) weitere Speerspitzen des Depri-Punk auf. Gemeinsam bilden sie eine - auch durch Sympathie verbundene - Troika, deren prägender Einfluss für diese Musikrichtung bis heute unerreicht bleibt.
So bleibt es für EA80 beim immerwährenden Wechsel aus jahrelangem Abtauchen und überraschend spontanem Erwachen. Dadurch wirkt die Band auffällig alters- wie zeitlos. Man bekommt das Gefühl, es könnte bis in alle Ewigkeit so weiter gehen. EA80 sehen das natürlich ganz und gar anders. "Ich werde dich nicht wecken. Sterbe Dir heimlich weg. Der einzige Weg, dir zu entkommen." ("Schweinegott" 1998)
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