laut.de-Kritik
Krach, Poesie und jede Menge Herzblut.
Review von Toni HennigDie wohl ununterbrochen aktivste deutsche Punk-Band verweigert sich seit ihrer Gründung 1979 unter dem Namen Panzerfaust und ihrer Umbenennung im Jahr darauf gängigen Marktmechanismen. Ihre Werke erscheinen im Eigenvertrieb oder über befreundete Labels. Interviews und Konzerte geben sie selten.
Eine Testpressung von "Definitiv: Ja!", dem Nachfolger von "Definitiv: Nein!" von 2011, gab es bereits im März bei ihrem Gig in Düsseldorf zu kaufen. Via Major Label kommen nun auch die restlichen Fans in den Genuss dieser Ende 2016 im Werner-Wiese-Studio in Werne aufgenommenen Platte, die alle herrschenden Trends ignoriert.
Ihrem lyrischen Konzept bleiben EA80 treu. Im Opener "Ramputage" lässt Sänger Junge den Hörer wissen: "So hat der Schmerz sein eigenes Wort bekommen, einen Namen ganz für sich allein." Er blickt also wieder einmal tief in seine Gefühlswelt. Das dort vorgefundene Leid gießt er sowohl in einfache als auch in dichterische Zeilen.
Gleichzeitig spielen die Musiker ihre Instrumente treibend nach vorne. Dies mündet oftmals in grandiosen spontanen Ausbrüchen wie in "Souvenirshop". Dort heißt es zum Schluss mit flehender Stimme: "Erlös' mich von all dem, was kommt." Man braucht auf diesem Werk keine optimistischen Töne zu erwarten, wie der Albumtitel missverständlicherweise suggeriert.
Demgegenüber kann man bei der Leidenschaft und Energie, mit der die Band nach wie vor agiert, nicht jede einzelne Textpassage erfassen. Es geht EA80 eher darum, die angestauten Emotionen in irgendeiner Form zu kanalisieren und zum Ausdruck zu bringen. Manchmal gelingt ihnen das, wie in "Riot Grrrrrls", fast gänzlich ohne Worte.
Der Song knüpft mit dem variablen Leadgitarrenspiel von Hals Maul dort an, wo die Wipers 1983 mit "Over The Edge" aufgehört haben. Ebenfalls haben die Mönchengladbacher die klassische Drei-Akkord-Schule des Punk noch nicht verlernt, wie "Rückkehr Des Kreises" beweist.
Mit der äußerst dynamischen und verspielten Nummer "November", die am Ende in einem krachenden Finale übergeht, leitet der Vierer dann die nachdenklichere, midtempolastigere Phase dieser Platte ein. Das ungemein kraftvolle "Alte Schule England" überzeugt genauso wie das raue und kantige "Insektengott". Abwechslung schreibt dieses Album groß. Die Geschlossenheit früherer Werke wie "Grüner Apfel" (1995) erreicht der Vierer dagegen nicht. Dafür enthält "Definitiv: Ja!" so gut wie ausschließlich Hits.
Das stürmische "Schlusslicht" bildet den Höhepunkt. In dem Song, der die Vergänglichkeit thematisiert, servieren EA80 nicht nur ein brachiales und waghalsiges Riff nach dem anderen, sondern Junge zieht stimmlich zwischen düsterer Beschwörung und entfesselter Aggression sämtliche Register seines Könnens.
Mit dem abschließenden "Mantra" kehrt dann doch ein wenig Ruhe ein, wenn er mit besänftigender Stimme singt: "Wenn du nicht da wärst, würde ich dich vermissen bis ans Ende meiner Tage." Man hofft, dass bis zum finalen Schlussakkord dieser Band noch eine Ewigkeit verstreicht.
Somit kann man die Frage, ob sich die lange Wartezeit von sechs Jahren nach der letzten Studioplatte von EA80 gelohnt hat, mit "Definitiv: Ja!" beantworten. Das Album besitzt alles, das diese Punk-Urgesteine ausmacht: Krach, Poesie und jede Menge Herzblut.
Ihre Individualität haben sie sich damit bewahrt. An der Zeitlosigkeit ihrer Musik hat sich zudem nichts geändert. Die Mönchengladbacher folgen seit jeher ihren eigenen Prinzipien. Neue Hörerschichten erschließen sie sich aller Voraussicht nach nicht mehr. Ihre konsequente Haltung nötigt wiederum allerhöchsten Respekt ab.
3 Kommentare
Herrlich kaputt... Liebe es! 5/5
Dieses pseudointelektuelle Genoehle und Geschrammel, geht mir schon so lange auf den Sack. Stumpfsinn in Endlosschleife.
Spätestens nach Licht! Hatte man besser aufgehört.
Auch im persönlichen Umgang, erweisen sich die meisten Bandmitglieder als beratungsresitent und weltfremd.
Kein Wunder, bei dem Konsum.
Oder um mal einen Text zu zitieren:
"Hab ne Freund, ne Leiche. Schatten seiner selbst..."
Deprimierend, nicht wahr...
Noch viel deprimierender ist es, das manche Fans EA80 für eine Punkband halten.
Die Jungs haben mit Punkrock in etwa so viel zu tun, wie ein Sasquatch mit Feinkost.
Vom verkorksten Gitarrenspiel will ich gar nicht erst anfangen.
Gruselig, was aus dieser Band geworden ist.
@ Krambambuli. Echt, so festgefahren? Und andere so beurteilen?... Aber Du wirst sehen, es geht vorbei und bleibt nicht hier stehen. Selbst der zweite Weltkrieg und sein Nachkriegsdeutschland...auch wenn es sehr sehr lange dauert, dauert es doch noch an....Letztes Jahr begenete mir eine Frau an der Mole in Sassnitz von wo die großen Fähren fahren. Mit ihrem mit Hab und Gut gepacktem Einkauswagen samt Schlafsack und Trinkwasser. Sie fragte mich, ob sie über Finnland oder über Tallin fahren müsse. Sie wollte nach Ostpreußen, die Reste ihrer Familie suchen, die es 1945 nicht mehr rausgeschafft hatten....ich versuchte ihr auf den Weg zu helfen, aber kapitulierte mit Tränen in den Augen.