laut.de-Kritik

Ed Sheeran, König einer Schnarchpop-Bewegung.

Review von

"White lips, pale face, breathing in snowflakes" - Worte, die Scharen junger Teens in England, Schottland und Irland im Sommer vergangenen Jahres verzauberten. Erst jetzt schlägt der Song "The A Team" in Deutschland ein: in der täglichen Radiorotation, in den Charts und in Shows wie "The Voice of Germany", wo der junge Brite Ed Sheeran gemeinsam mit dem letztlich drittplatzierten Michael Schulte seinen Megaseller vortrug.

Bei der stimmlichen Sauberkeit und tonalen Präzision Sheerans musste der direkte Vergleich wenig schmeichelhaft für Schulte ausgehen. Euphorieroboter Nena warf trotzdem wie stets ihre Arme in die Luft, Moderationsmaschine Stefan Gödde legte dem jungen Kandidaten trotzdem wie stets Phrasen von Traumerfüllung in den Mund.

Ähnliche Automatismen wirken auch beim Anhören der ersten Auskopplung von Ed Sheerans Debütalbum "+". Ein klarer Ohrwurm in zurückhaltender Singer/Songwriter-Manier, der sich lediglich Gesang, ein bisschen Piano, ein paar Streichern und der Akustischen bedient. Schön arrangiert klingt das, mit so wenig "Uh" und "Ah", wie es auf der ersten Single eines gerade mal 20-jährigen Popmusikers möglich ist, der auf Chartsplatzierung schielt.

Wohltönend ist es allemal, was der Engländer da zusammenschreibt. Text und Melodie fügen sich so angenehm homogen ineinander, dass es im eisekalten Februar ganz wohlig wird in den Herzen der Radiohörer wie in den Köpfen der Labelleute von Warner beim Gedanken ans Kassenklingeln.

"Cos we're just under the upper hand, and go mad for a couple grams": Ganz erwachsen thematisiert Sheeran das Leben - oder doch das Klischeebild? - einer jungen obdachlosen Prostituierten, für alle weniger aufmerksamen Zuhörer praktischer- und plakativerweise im dazugehörigen Musikvideo festgehalten.

So reif und geläufig der Song klingen mag, nach der zweiten, dritten Wiederholung stellt sich Langeweile ein. Trotzdem erlangten Single wie Album im Vereinigten Königreich Platinstatus.

Das verwundert kaum, zielen die Songs nach dem Opener doch noch wesentlich eindeutiger auf den Mainstream. Fröhliche Poppigkeit auf "Drunk" und "U.N.I." geben Zeugnis davon, dass Produzent Jake Gosling hier auch beim Songwriting mitmischt. Der Eierkuchen-Faktor des Sounds bildet dabei einen Kontrast zu den teils pseudo-philosophischen Lyrics: "I'll be drunk again to feel a little love", drängt uns das Team Sheeran/Gosling sein thekenpsychologisches Verständnis von Trunkenheit als Liebessurrogat auf.

An solch abgedroschene Gemeinplätze knüpfen Zeilen wie "I don't drink like everybody else, I do it to forget things about myself" an. Klar, der Junge ist genau das: erst 20-jährig. Manche Lebensbanalitäten mögen angesichts dessen ja auch noch liebenswert erscheinen ("I've always been shit at computer games because your brother always beats me") - als Nachdenklichkeit inszenierte Geistlosig- und Kitschigkeiten sind es aber nicht, insbesondere ob der eigenen Verortung im Singer/Songwriter-Genre, dem textliche Qualität inhärentes Merkmal ist.

"Small Bump" ist wie der Opener im Alleingang von Sheeran verfasst. Die etwas schwunglose Monotonie, die der junge Engländer in seinen selbstgeschriebenen, auf überwiegend Gitarre und Stimme reduzierten Songs hervorbringt, ist dabei immer noch wesentlich sympathischer als der kalkuliert eingängige Frohsinn der koverfassten Lieder. Ed Sheeran, der König einer neuen Schnarchpop-Bewegung?

Bewegungslosigkeit wäre das passendere Wort. Die klaren Soundschemata sind weitgehend störungsfrei gestrickt. Exakt auf die junge Hörerschaft zugeschnitten, wird es wohl kein Problem sein, die Kaufkraft 12- bis 16-jähriger weiblicher Teenager auch hierzulande zu aktivieren.

"Don't need another wordsmith to make the tune sell", sprechsingt der Rotschopf in "You Need Me, I Don't Need You", dessen Dicke-Hose-Attitüde Statement künstlerischer Eigenständigkeit ebenso wie Forderung nach Anerkennung ist. Die Zeile bleibt hängen angesichts der Frage, was aus dem Album geworden wäre, hätte Sheeran es im völligen Alleingang geschrieben.

Vielleicht wäre nie ein Album entstanden. Vielleicht wäre eine lahme Aneinanderreihung akustischer Popsongs daraus geworden, die Damien Rice und Ryan Adams nacheifert und an ihren eigenen Ansprüchen scheitern muss. Vielleicht hätte Ed Sheeran aber damit auch genau das erreicht, was er so vehement einzufordern scheint: künstlerische Credibility, wenn auch ohne Platin.

Trackliste

  1. 1. The A Team
  2. 2. Drunk
  3. 3. U.N.I.
  4. 4. Grade 8
  5. 5. Wake Me Up
  6. 6. Small Bump
  7. 7. This
  8. 8. The City
  9. 9. Lego House
  10. 10. You Need Me, I Don't Need You
  11. 11. Kiss Me
  12. 12. Give Me Love

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12 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Ich glaube, Give me love könnte sich für den Rest meines Lebens als Klassiker in meinen Gehörgängen festsetzen. Ich hoffe, dass ich es in 2 Monaten nicht wieder als nerviges Radiogedudel abhake.

  • Vor 9 Jahren

    Schnarchpop trifft auf einen Großteil des Albums zu, da viele Songs sehr spannungsarm und minimalistisch arrangiert sind. Im Mittelteil hatte ich daher auch das Gefühl 5 mal das gleiche Lied zu hören. Zu diesen akustischen Einschlafhilfen gesellen sich aber noch ein paar gute poppige Stücke (Lego House, Drunk, Give me Love) hinzu. Daher hinterlässt das Album bei mir ein recht zwiespältiges Ergebis. 2/5

  • Vor 8 Jahren

    Ich bin froh das sich hier auf laut.de nur Qualitätshörer befinden :D ... wie lächerlich sie hier alle schreiben als ob sie große Ansprüche hätten. 80% hier hören Radio und beklagen sich aber über Schnarchpop oder Mainstream gedudel. Alter Schwede ich mein wenn ich schon Qulitätsmusik hören möchte, dann find ich die sicher nicht im Radio, sondern auf von mir gekauften Platten meiner Lieblingsbands. Ihr seit peinlich, sucht euch mal en Hobby bei dem ihr andere nicht schlecht redet. Und mal so ganz nebenbei, wenn du mit der Musik heut zu Tage Geld verdienen willst, dann solltest du wohl die Menschen ansprechen die den breiten Teil der Radiohörer bilden.