laut.de-Kritik

Bitte bloß nicht erwachsen werden!

Review von

Der Torsun ist schon ein komisches Kerlchen. Jahrelang daddelt er mit verschiedenen Formationen beziehungsweise verschiedenen Inkarnationen von Egotronic ohne weiter zählbaren Output herum, und dann haut er plötzlich drei Platten in drei Jahren raus. Das selbstbetitelte Drittwerk ist dabei ein weiterer Mosaikstein auf dem Pfad der konsequenten Weiterentwicklung. Vom wütend gegen Deutschland ravenden Duo mit partner in crime Hörm hat sich die Berliner Politrave-Zelle zu einer durchaus clubtauglichen Trias entwickelt.

Seit 2007 sind bekanntlich KT&F und Endi mit an Bord, hörbares Ergebnis ist eine breitere Auslegung des Sounds, ohne dabei allerdings die eigenen Wurzeln zu verleugnen. Der Egotronic-Kosmos revolviert immer noch um linke Politik, Konsumfreudigkeit und Wochenendverlängerung. In "Kotzen" verarbeitet Torsun nicht nur die Reaktionen auf sein letztjähriges "Raven Gegen Deutschland", sondern arbeitet in einem Aufwasch gleich die immer noch grassierende Deutschtümelei ab. Ihm zur Seite stehen am Mikro in einer kleinen Einlage nicht nur Endi, sondern auch Hardcore-Legende und Wahlberliner Walter Schreifels. Vorzüglich!

Das Intro besorgt der Song mit dem The Clash entlehnten Motto "Berlin Calling". Der gleichnamige Film mit Paul Kalkbrenner in der Hauptrolle kam dazwischen, Egotronic blieb nur noch das Cover, eine großartige Referenz an Paul Simonons legendär festgehaltenen Moment in New York. Torsun zertrümmert ein Tasteninstrument, während KT&F und Endi im Hintergrund zuschauen.

Doch auch für Zwischenmenschliches ist bei Egotronic Platz ("Heut Nacht", "Vorbei"), ebenso wie für Absurdes ("Es Muss Stehts Hell Für Gottes Auge Sein"). Hier gefällt vor allem das Marimba-Spiel, überhaupt ist die musikalische Weiterentwicklung evident. Einige Parts könnte man auch gut in ein Elektroset einfließen lassen. Bewegungsfreudig schnickt es großartig in "Berlin Calling" oder in "Tanzen Gehn". Wann gibt es endlich ein "richtiges" Elektroalbum von Egotronic? So mit House und Acid und wie das alles heißt? Macht ma!

Besonders gut nimmt sich auch das Grauzone-Cover "Der Weg Zu Zweit" aus. Die drei Buben drücken der Nummer ihre eigene Art auf, und doch passen gerade die Lyrics Torsuns wie angegossen: "Wir tragen Sterne, wir tragen Herzen, wir wollen lachen, wir wollen scherzen ..." Ordentlich rummsen lässt es das Trio mit 8-Bit-Purist Rampue, zusammen mit Koksrichter Schill sind sie 3 Tage wach, aber überhaupt: Was sie nicht machen, geht euch gar nichts an; die stehen eh längst mit one foot in da rave!

Gegen Ende geben sich noch die Labelkollegen Dance Inc. ein Stelldichein, und ich möchte Nelson heißen, wenn das nicht Homer Simpson ist, der da gesampelt wird. Die gut dreiviertelstündige Autoscooterfahrt endet mit dem szenekritischen "Unser Spaß Sieht Anders Aus" (in dem Endi nochmal höchst amüsant den Rüpel spielen darf) und quasi dem Erlebnisbericht zur Afterhour von Jean Luce, der ähnlich verschwurbelt erzählt, wie er konsumiert. Mjam! Herr Ober, die Rechnung bitte: Egotronic bringen ihr wohl reifstes Werk unter die Leute. Wobei reif nicht als reif zu verstehen ist, denn wenn Egotronic mal reif sind, will sie vermutlich keiner mehr hören. Also: Weiter so, aber bloß nicht erwachsen werden!

Trackliste

  1. 1. Berlin Calling
  2. 2. Kotzen (feat. Walter Schreifels)
  3. 3. Heut Nacht
  4. 4. Es Muss Stets Hell Um Gottes Auge Sein
  5. 5. Tanzen Gehen (feat. Tina)
  6. 6. Der Weg Zu Zweit (Grauzone Cover)
  7. 7. Verspult
  8. 8. Rampue vs. Egotronic
  9. 9. What I Don't Do (feat. Dance Inc.)
  10. 10. Vorbei
  11. 11. Unser Spaß Sieht Anders Aus
  12. 12. Ich Wollt Noch In Die Bar (feat. Jean Luce)

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