laut.de-Kritik
Erwärmt sogar kalte Metal-Herzen.
Review von Matthias von ViereckNur damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich kann einem Enya, "die Stimme Irlands", gehörig auf den Senkel gehen. Getragene Synthieflächen bis zum Abwinken, weichgespülte New Age-Schnulzen mit unzähligen Gesangsspuren und Videos, deren Idyll nur mit hochdosiertem Sedativum zu ertragen ist. Vom Post-9-11-Tearjerker "Only Time" mal ganz zu schweigen. Einerseits.
Anderseits ist die 47-Jährige eine irgendwie beeindruckende Künstlerin, die mit über 70 Millionen an die Frau und den Mann gebrachten Tonträgern selbst einer gewissen Madonna Louise Veronica Ciccone Paroli bietet. Außerdem steht Weihnachten vor der Tür, da wird man ja wohl mal ein klein bisschen melancholisch und nostalgisch sein dürfen. Oder passen Fucked Up etwa zu Spekulatius, Räucherstäbchen und Bio-Tee (tatsächlich gab's solchen zur Listening-Session der neuen Enya-CD)? Eben.
Los geht's also mit Enyas siebtem Album, einer reinen Winterplatte: Während das Instrumental "And Winter Came..." keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, lassen wir uns von Eithne Ní Bhraonáin, wie Enya eigentlich heißt, gern mitnehmen auf eine "Journey Of The Angels".
Mit "White Is In The Winter Night" geht's erstaunlich beschwingt weiter, im sakralen Traditional "O Come, O Come, Emmanuel" schließt Enya leichthändig das 15. mit dem 21. Jahrhundert kurz. Jetzt bitte alle die erste Kerze am Adventskranz entfachen!
Eine kleine Überraschung spendiert uns Enya mit der, für ihre Verhältnisse, ungewöhnlich poppigen Single "Trains And Winter Rains". Da singt sie doch glatt von "red and blue city lights" und "cargo trains". Ganz schön prosaisch, das Stückchen. Doch schnell wird es wieder besinnlich: "High in the heavens a new star shining bright ..." Mehr Hall als auf dieser Platte war selten. Und ja, natürlich ist auch der Kitschfaktor wieder dementsprechend hoch. Weihnachten rückt also immer näher.
Wie hieß das doch früher, als wir, drei Käse hoch und rotwangig, der Bescherung entgegensehnten: Einmal werden wir noch wach ... "Tomorrow will be Christmas Day", verkündet die irische Chanteuse denn auch tatsächlich, und wer ihr das jetzt nicht glaubt ist a) ein Spielverderber oder b) Death Metal-Fan. Spätestens beim letzten Stück, einer gälischen Version von "Stille Nacht", dürfte aber auch dem hartgesottensten Cannibal Corpsianer etwas rührig ums Herz werden. Jede Wette!
6 Kommentare
"Spätestens beim letzten Stück, einer gälischen Version von "Stille Nacht", dürfte aber auch dem hartgesottensten Cannibal Corpsianer etwas rührig ums Herz werden. Jede Wette!"
Was noch zu beweisen wäre, alte Möhre!
Ich musste das am Wochenende hören. Meine Güte das ist so unerträglich enervierende, brechmittelartige, glattgeschliffene, miese, schwuchtelige Kommerzkacke, da mussten zwingend drei Sterne her. Weihnachtet ja auch sonst nirgendwo.
Bügel lieber deine Hemden.
Und ich horch jetzt bei Keks und Tee Enya!
auch mätler haben gefühle!
Schade, ich dachte eigentich, der Anwalt hätte sich das Album vornehmen dürfen.
Wer immer "von Viereck" ist, keine Ahnung. Aber die Review ist in etwa so wohlwollend ausgefallen, wie ich es mir fast vorgestellt habe.
Nach dreimaligem Hören und als eine Art Enya-Fan der ersten Stunde (lang lang ists her) gibt mir dieses Album......kaum etwas bis nichts.
In gewisser Weise verstehe ich wiederum die Masse der (vor)weihnachtlichen Gefühlsseeligkeit, die Mr. Viereck in seine Review mit hineingepackt hat.
Und gegen das Argument von Enya selbst, ein winterlich-weihnachtliches Ding gebastelt zu haben, kommt auch kaum jemand an.
Also ist es schon schwierig, diesen dicken Hinweisbalken einfach mal außen vor zu lassen und das Album ohne den Weihnachtsfirlefanz zu betrachen...dennoch tue ich es.
Und dann bleibt doch so einiges auf der Strecke und die x-te und immer wieder aufgewärmte Klangsoße tritt -bar jeglicher Weihnachtsduseleien- unbarmherzig hervor.
Man mag es kaum glauben, daß Enya und das mit ihr auf ihrem Schloss lebende Produzentenpaar für die Kopie der Kopie so elend lange brauchten. Aber irgendwas an kleinen, feinen und neuen Klangpfriemeleien werden wohl die Zeit in Anspruch genommen haben....nur leider sind sie so gut versteckt, daß man sie nur mit äußerster Mühe oder gar nicht hört.
Letztlich bleibt das etwas schale Gefühl, nicht nur praktsich alles schon so einige Male in ganz leicht variierter Form gehört zu haben, sondern sogar der Sache eigentlich überdrüssig zu sein.
Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, daß es kaum jemanden gibt, der resistenter gegenüber musikalischer Weiterentwicklung ist, dann ist es Enya mit ihrem klinisch reinen Weihnachtsalbum. Und so wird es denn alle paar Jahre weitergehen, bis die Stimme Irlands irgendwann einmal in Rente geht.
Meine Wertung: ganz ganz knappe **.
ich bin für guten kitsch ja auch zu haben. und für ihr tief-gälisch geprägtes exile (ein übersong in diesem genre) werde ich der dame immer dankbar sein.
aber dieses album ist um so vieles mehr clever als emotional. da bleiben einem ja die spekulatius uim halse stecken.
und was sie mit "o come o come emmanuel" gemacht hat, ist auch nicht toll.
das lied ist übrigens erst ab dem ca 7.-8- jh von den mönchen adaptiert worden. die melodie ist eine ur-hebräische. in israel ist das lied dann auch kein weihnachtssong, sondern halt immer noch aktuell (emmanuel/immanuel ist das zeichen gottes für die ankunft des messias). deshalb empfinde ich diesen zwanghaft sakralen klang immer als etwas irritierend. aber ich schwafle....gesungen hat sie die melodie ja toll. nur leider eben auch getötet mit diesem unsäglich zucker-gepimpten reisebüro-werbespot-chor; adiemus of death....brrrrr!