laut.de-Kritik

Pagan-Schlager satt: Flöte raus, Klassenarbeit!

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Flöte raus, Klassenarbeit! Das heutige Thema sind "Märchen & Mythen". Aschenbrödel, Jorinde und Joringel, Schneeweißchen und Rosenrot, Frau Holle und wer sich sonst noch nicht bei drei hinter die sieben Berge verkrümelt hat. Notfalls auch schwedische Seemänner oder Goethe auf Englisch. Faun sind da heute nicht so kleinlich.

Sie führen uns in ein fernes, fremdes Land, in dem es keine Frauen gibt. Nur all die schönen Mädchen, Maiden, Prinzessinnen und Jungfern. In eine Welt, in der Männer noch echte Männer sein dürfen, warten diese auf ihre Berufung: von einem Prinzen gerettet und geehelicht zu werden. Dass dies nicht mehr ganz dem heutigen Bild entspricht, ist auch Faun aufgefallen - und so beginnen sie ihr Booklet mit einem erklärenden Text.

Wenn man es aber erst einmal erklären muss und jedes, den Figuren in den Originalgeschichten zugeschriebener Heldentum in den Songs untergeht, dann stimmt vielleicht mit dem eigenen Konzept was nicht. Stattdessen transportiert man ein Frauenbild, gestriger als jeder Mittelaltermarkt. Mit etwas Willen hätte man dies mit Sicherheit verhindern können, ohne dabei die Thematik zu verraten.

"Märchen & Mythen" stellt ein einziges von Drehleier, Schäferpfeie und Nyckelharpa begleitetes Klischeeblutbad dar. Aus "Aschenbrödel" basteln Oliver Satyr und Laura Fella einen Text, den Mark Forster als zu banal ablehnen und den jeder Glückskeks angewidert ausspucken würde. Dieser gipfelt in der Textzeile "Denn Wunder geschehen, wenn man an sie glaubt". Ja, danke. Ich meine, sorry, dass dein Kind gerade an Krebs gestorben ist, aber dann hast du olle Hupe halt nicht genug an die Heilung geglaubt. Selber schuld.

Als wäre dies noch nicht genug, nutzen sie für den Song – Überraschung! - den von Karel Svoboda geschriebenen "Drei Haselnüsse Für Aschenbrödel"-Soundtrack und veröffentlichen das Ganze kurz vor Weihnachten als Single. Ein einziges berechnendes Anbiedern an das Publikum, so offensichtlich wie widerlich. Da war Ella Endlichs "Küss Mich, Halt Mich, Lieb Mich" ja ehrlicher. Ich werde den Film dieses Jahr jedenfalls nicht sehen können, ohne dabei an Faun denken zu müssen, und dafür hasse ich sie.

Auch in weiteren Songs wie "Rosenrot" ("Zwergenlist hält mich in Bann / Bis ich wieder Prinz sein kann") und "Spieglein, Spieglein" perfektionieren Faun ihren Pagan-Schlager. Die Simplifizierung dessen, das einst mit Alben wie "Zaubersprüche" und "Licht" so vielversprechend begann.

Mit dem schauderhaften "Jorinde" würden sie sich in mancher Volksmusik-Sendung, gleich nach den Schäfern mit ihrem Evergreen "Halt den Sonnenstrahl fest" bestens machen. Gut vorstellbar, wie Faun auf dem Sonnendeck der MV Lord of Loch Ness vor einer schottischen Landschaft dahin tuckern, und Stephan Froth, während er an seiner Drehleier rudert, seinen Blick verträumt oben links aus dem Bild schweifen lässt. Kleiner Textauszug gefällig? "Unsere Liebe wird kein Zauber brechen / Und ein Vogel, der fliegt durch die Welt / Unsere Liebe ist stark wie ein Fels / Frei wie ein Vogel und so groß / Wie das Himmelszelt." Gar fürchterlich, gar fürchterlich.

Versuchen sie es dann doch einmal etwas weniger schlicht, versinken Faun wie in "Die Weiße Dame" und "Sieben Raben" im tiefsten Esoterik-Sumpf. Für "Drei Wanderer" schauen Versengold als Feature vorbei, aber bis dahin ist dann eh schon alles egal.

Mit den Kirchentagsreimen auf "Märchen & Mythen" findet die Santianosierung von Faun ihren Abschluss. Ein Konzeptalbum, doppelt so kitschig wie die Märchenecke des Europaparks, aber nicht halb so authentisch.

Trackliste

  1. 1. Es War Einmal...
  2. 2. Rosenrot
  3. 3. Seemann
  4. 4. Hagazussa
  5. 5. Sieben Raben
  6. 6. Aschenbrödel
  7. 7. Die Weisse Dame
  8. 8. Jorinde
  9. 9. Spieglein, Spieglein
  10. 10. Drei Wanderer feat. Versengold
  11. 11. Holla
  12. 12. The Lily

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8 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Schwierig. Die redaktionelle Rezension ist zwar witzig zu lesen, und ich persönlich würde ihr auch eher zustimmen, doch gibt es sicher Leute, die sowas gut finden. "Sowas", weil ich keine Ahnung habe, wie ich das Gehörte korrekt beschreiben sollte. Der Vergleich mit Santiano passt da schon und auch Deezer bietet Hörern von Faun als erstes Santiano mit den Worten "Ähnliche Künstler" an. Nicht weil Faun Shantis singen würde, doch eher, weil Faun wie Santiano sich gängigen Klischees ihres Genre so plump und brutal bedienen, dass bei mir ein Gefühl von Klebrigkeit übrig bleibt, nachdem ich ein oder zwei Lieder angehört habe. Texte wie der vom Jüngling mit "Wind im Haar" lässt an eine Gattung der Fantasy-Literatur erinnern, bei der die weibliche Protagonistin einen ihr völlig unsympathischen Typen trifft, der irgendwas wie Vampir oder Werwolf ist, sie sich aber (natürlich) irgendwie zu ihm hingezogen fühlt. Das ist mir persönlich einfach zu billig und erinnert mich an Zeiten, als man vor dem Kaufhof noch Kassetten von "Künstlern" kaufen konnte, die einfach die Style-Taste auf dem Keyboard gedrückt (Rumba oder Bossanova zum Beispiel) und dazu irgendwas Belangloses geträllert haben. Das komplette Album erinnert mich an einen Fantasy-Ausverkauf, ganz im Sinne von "alles muss raus" und das ohne Rücksicht auf Verluste. Einen Stern finde ich dennoch zu wenig, da gibt es noch deutlich schlechtere Alben auf dem Markt. Und wenn jemand in so einer Welt lebt (so im Stile von "ich mag voll Mittelalter" oder "ich channel meinen Engel gerne"), dann ist "sowas" vielleicht ganz passend und spannend. Für mich aber eher nicht.

    • Vor 4 Jahren

      Ich finde die Rezi letztlich doch gut, weil sie genau die Dinge auf den Punkt bringt, die mir beim Hören der Scheibe auch durch den Kopf gegangen sind.

  • Vor 4 Jahren

    Als Rainbow 1979 "Down to Earth" veröffentlichen, war dies dem Rezensenten des Musik Express ein Stern und ein einfaches "Trau keinem über 30" wert.
    Wenn das Machwerk Fauns wirklich so übel ist, wäre da nicht ein knackiges und knappes "Kotz!" oder "Würg!" angemessener gewesen?
    Wenn jedoch der Autor der obigen Kritik demonstrieren wollte, welch umfangreiches Vokabular seine grauen Zellen beherbergen und wie gtu er mit dessen Hilfe zu formulieren vermag, so kann er einen Erfolg für sich verbuchen.
    Lediglich die Anspielung auf des Hernn Schneiders "Hefte Raus - Klassenarbeit!" passt meiner maßgeblichen Meinung nach nicht sonderlich, da Klassenarbeiten im Allgemeinen kein instrumentates Vorspiel haben.

  • Vor 4 Jahren

    Ich denke, damals das "Unheilig" jetzt das "Santiano" oder hier halt "Faun" gebashe hat hier bei laut.de einfach Tradition. Ob ICH die Musik mag, steht jetzt mal garnicht im Raum, aber ich denke, die angesprochenen Interprten könnten DAS Album des Jahrhunderts rausbringen, trotzdem käme hier nur Häme und Spott! Alles hat seine Daseins-Berechtigung, warum immer mit Zynismus an eine Platte rangehen, die anderen vielleicht gefällt? Ne deutsche Rap-Platte mit 5 Sternen zu bewerten, wie hier auch schon geschehen, geht für mich garnicht, weil deutscher Rap per se erstmal scheisse ist! Ach? Nicht objektiv genug? Danke an den Reszendent diesen Artikels, willkommen im Club!