16. April 2024
"Wir mögen den Schweizer Beitrag"
Interview geführt von Paula FetzerSeit 2000 eine Band, dieses Jahr die Vertreter Norwegens beim ESC - die Karriere der Folk Rock-Band Gåte nimmt neu an Fahrt auf. Im zweiten Halbfinale, das in einem Monat ansteht, wird es ernst.
Noch ist es ruhig in der Rockefeller Music Hall in Oslo. Während Gunnhild Sundli, Magnus Børmark, John Stenersen, Mats Paulsen und Jon Even Schärer jetzt noch mit mir in einer gemütlichen Sitzecke neben dem Merchstand fläzen, werden sie in wenigen Stunden in einer proppenvollen Halle spielen. Nervös vor dem Heimspiel scheinen sie aber nicht zu sein.
Ich habe natürlich euren Auftritt beim Melodi Grand Prix gesehen. Ihr saht unglaublich glücklich aus, seid rumgesprungen und alles. Was bedeutet der Eurovision Song Contest und Norwegen zu repräsentieren für euch?
Gunnhild: Es bedeutet, dass wir viel mehr Menschen erreichen können. Es gibt uns eine riesige Plattform, um genau das zu tun. Und wir wollen mehr Shows spielen und auch außerhalb Norwegens Konzerte geben. Wir konnten schon sehen, dass das etwas ist, was wir realisieren können.
Magnus: Ja, es kommt nicht jeden Tag vor, dass man vor 200 Millionen Zuschauern spielen kann. Wir sind zwar schon länger eine Band und haben ein internationales Publikum, aber so können wir noch mehr erreichen und versuchen, richtig auf Tour zu gehen, zum Beispiel in Deutschland.
Habt ihr euch die anderen ESC-Beiträge angehört? Wen supportet ihr?
Mats: Wir haben verschiedene Favoriten denke ich, aber wir mögen alle den Schweizer Beitrag. Wie heißt der Künstler nochmal?
Magnus: Nemo.
Mats: Und John mag Bambie (Bambie Thug, die irische Vertreterin, Anm. d. Red.) sehr gern.
John: Hast du das irische Lied gehört?
Ja, habe ich. Ich mag es.
John: Es ist verrückt, es ist cool.
Mats: Ich liebe die letzten 20 Sekunden, in denen es voll abgeht.
Magnus: Ja. Es macht wirklich Spaß, sich zu involvieren, zu sehen, wie sehr sich die Eurovisionsfans einbringen. Und die verschiedenen Künstler zu treffen, die ihr Land repräsentieren - es gibt eine Menge Pre-Partys, zu denen wir im Vorfeld von Malmö gehen werden. Auf die Weise lernen wir sie und die ganze Eurovision-Community kennen. Für uns ist das ein neuer Ort. Wir sind seit 2000 eine Band und wir haben das im Grunde schon immer gemacht, diese alte Folkloremusik und Folkloregeschichten genommen und sie in einen modernen Kontext mit Elektronik und Rock gestellt. Und jetzt, denke ich, ist das Ganze gereift. Das Publikum und wir, wir sind füreinander bereit.
"Ulveham umschreiben zu müssen, war ein Segen"
Fiel es euch schwer, euren Song "Ulveham" umzuschreiben?
Magnus: Es war ein Segen, nicht?
Gunnhild: Ja, es hat sich als Segen herausgestellt. Zuerst war "Ulveham" ein sechseinhalbminütiger Song, den wir schon hatten. Als wir dann..., mussten wir ihn auf drei Minuten kürzen. Ich fand es ein bisschen traurig, dass wir die Lyrics runterkürzen mussten.
Magnus: Es waren 40 Strophen.
Gunnhild: Ja, ursprünglich. Die Geschichte, die im Lied erzählt wird, war erst sehr schwer zu verstehen, und als wir dann die Chance bekommen haben, die Lyrics neu zu schreiben, haben die neuen Texte diese Geschichte besser zum Ausdruck gebracht.
Magnus: Ja, das stimmt. Der Segen war also, dass wir die Geschichte besser erzählen konnten. Um eine gute Zusammenfassung der ganzen, größeren Geschichte zu bekommen. Und wir haben viel Publicity für unsere Arbeit bekommen, weil wir diese alten mittelalterlichen Texte und diese Musik wiederverwendet haben. Jeder in Norwegen dachte sich: 'Oh, das machen sie also. Sie kümmern sich wirklich um unser kulturelles Erbe und entwickeln es weiter.' Wir glauben also, dass wir deshalb gewonnen haben (den Melodi Grand Prix, Anm. d. Red.). Wir haben die Stimmen der Leute bekommen, weil wir so viel Aufmerksamkeit für die Neufassung der Texte bekommen haben.
Was kann man von eurem nächsten Auftritt erwarten? Werdet ihr die Visuals für den Eurovision Song Contest stark verändern oder behaltet ihr sie bei?
Magnus: Nun, wir haben einen recht prägnanten Auftritt, der sehr auf den Punkt gebracht ist. Es gibt eine Menge Dinge, die wir in dieser Show nicht machen, weil wir wollten, dass alles in dieser Nummer wirklich hilft, die Geschichte zu erzählen und die starken Emotionen des Songs zu vermitteln. Also, ich meine, am Anfang ist sie im Laser eingesperrt, aber dann befreit sie sich. Und die Naturelemente sind eine Art Symbol für diese Energie, die freigesetzt wird. Es gibt also den Rauch und den Wind, und dann gibt es noch die physische Drehbühne, auf der sie sich befindet. Die Show hat also ein wirklich tiefgründiges und gutes Fundament. Also einfach darauf aufbauen. Aber wir werden nicht einfach nur Flammen hineinwerfen, denn es muss einen Grund für alles geben, was wir auf der Bühne tun, es muss wirklich die Emotion des Liedes vermitteln.
Ich denke, es ist gut ausbalanciert mit der Leinwand im Hintergrund und den Lasern, aber auch, dass du Gunnhild dich in der Mitte drehst.
Magnus: Genau. Und es gibt ihr eine physisches Aufgabe, sie muss präsent sein und navigieren. Das schafft eine Art von Spannung und Aufmerksamkeit, die für die Dynamik der Performance sehr wichtig ist.
"Ich mag es, wenn das Publikum nicht von Anfang an begeistert ist"
Habt ihr denn irgendwelche besonderen Rituale vor einem Konzert?
Magnus: Wir machen dann die Erdung. Wir erden uns, stecken sozusagen die Wurzeln in den Boden und dann ist das Konzert wie ein Baum, der wächst. So dass wir auf die Bühne gehen und geerdet und präsent sind und den Raum lesen und sehen, was heute los ist. Wie ist der Saal heute? Wie ist die Energie im Raum? Und dann wird der Baum, der symbolisch für das Konzert steht, daraus seine Form entwickeln. Denn manchmal kann man auf die Bühne gehen und sagen, okay, jetzt werden wir einfach... (ahmt schnelles Trommeln nach) und es ist einfach chaotisch, richtig? Es ist also eine Art, die Musik an die erste Stelle zu setzen und die Musik den Weg weisen zu lassen. Es ist so, wie wenn Fledermäuse ihr Sonar benutzen, um den Klang auszusenden, und dann bekommen sie den Klang zurück und das ist die Art, wie sie sehen, richtig? Weil sie blind sind. Könnt ihr mir folgen?
Alle: Ja
Magnus: So ist es auch, wenn man Musik spielt. Du spielst die Musik und dann bekommst du ein sehr starkes Gefühl für den Raum. Es geht also darum, dort hinzugehen und einfach die Musik anfangen zu lassen.
Mats: Wir freuen uns immer so darauf, auf die Bühne zu gehen. Es geht also darum, sich zurückzuhalten. (Band stimmt zu)
Das kann ich nachvollziehen. Und ist es etwas Besonderes für euch, wenn ihr vor einem norwegischen Publikum auftretet, oder vor wem spielt ihr am liebsten?
Jon Even: Ich spiele wirklich gerne, wenn man für das Publikum arbeiten muss, wenn sie nicht von Anfang an begeistert sind.
Sie für sich gewinnen, ja
Magnus: Also in diesem Sinne freuen wir uns wirklich darauf, für ein neues Publikum im Ausland zu spielen. Denn dann müssen wir uns wirklich darüber klar werden, was wir sind und was wir tun, und die Leute überzeugen. Das ist ein gutes Gefühl.
Gunnhild: Und wie oft haben wir schon gehört, dass Leute zu uns kommen und sagen: 'Oh, ich war noch nie in einem Konzert von euch und ich dachte auch nicht, dass das mein Musikstil ist. Mein Freund hat mich einfach überredet, zu kommen, und jetzt finde ich es toll, was ich gesehen habe.' Gåte ist für so viele Menschen - man muss es einfach sehen. Es ist eine totale Erfahrung.
Was sind eure Pläne für die Zeit nach dem Wettbewerb? An einem neuen Album zu arbeiten?
Gunnhild: Ja, wir hätten jetzt schon an unserem neuen Album arbeiten sollen, aber im Moment haben wir keine Zeit. Aber natürlich müssen wir das auch angehen.
Magnus: Natürlich ist jetzt die richtige Zeit, um rauszugehen und zu zeigen, was wir schon haben und wo wir gerade stehen. Und wir werden im Sommer Festivals in Norwegen spielen. Außerdem gibt es Gerüchte, dass später auch in Europa etwas passieren könnte. Eventuell eher gegen Weihnachten. Wer weiß, wer weiß ...
Das klingt spannend. Danke für eure Zeit!
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