laut.de-Kritik
Neuer Sound für europäische Ohren und Tanzflächen.
Review von Jan EhrhardtEigentlich hätte alles so aufregend, so abwechslungsreich und so neu werden können: Das Debüt der portugiesischen Sängerin Gato Misteriosa aka Gato Preto baute mit den ersten veröffentlichten Singles und Presseinformationen einen hohen Spannungsbogen auf, der beim Hören der LP aber leider in sich zusammenfällt. Global Bass wollte die 'Schwarze Katze', was Gato Preto wörtlich übersetzt heißt, machen. "Rockender Favela Funk aus Rio, rumorende Township-Grooves aus Südafrika und Angolas technoider electro-Hybrid Kuduro", schreibt man sich selbst aufs Etikett, "wahlweise mit Rave und Breakbeat vermengt". Und irgendwo lassen sich diese Komponenten auch finden, versteckt, verschachtelt, zu einem neuen Sound zusammengefügt, der tatsächlich einzigartig ist.
Aber das hohe Niveau, das Gato Misteriosa gemeinsam mit ihrem Klangtüftler Lee Bass aus Düsseldorf nunmehr seit 2013 anstreben, erreicht der erste Langspieler der beiden nicht ganz. Es ist ein für europäische Ohren wirklich neuer, vielleicht auch ungewöhnlicher Sound, der sich auf Albumlänge aber sehr schnell abnutzt. Der für Kuduro typische, immer gleiche Grundbeat wirkt spätestens nach dem dritten Song eintönig und schwerfällig, die elektronischen Synthie-Elemente verkommen immer mehr zur Belastungsprobe. "Tempo" ist in seiner Gesamtheit nur sehr wenig ausdifferenziert, was vielleicht auch in der Natur der Sache liegt, das Hörvergnügen aber eindeutig trübt.
Spielt man die Titel einzeln an, beispielsweise "Dia D" oder auch "Pé Na Roda" mit Diamondog, erkennt man durchaus das musikalische Potenzial Gato Pretos für die Tanzflächen dieser Welt. Auch "Take A Stand" funktioniert sehr gut, weil es anders ist, weil es auch dank Crooked Bois und Iche als Featuregäste aus dem einheitlichen Beatsumpf herausragt. Und aller klanglichen Abnutzung zum Trotz spricht Gato doch wichtige Themen an: Es geht um Polizeigewalt ("Policia"), Kolonialismus ("Mocambique") oder um die Verbindung zu ihrer Heimat Afrika ("Pirau").
Es steckt folglich große Mühe und viel Aufwand hinter "Tempo". Das Herzblut und die Überzeugung von der eigenen Sache sind deutlich zu spüren. Aber auf Albumlänge will der Sound einfach nicht so recht gelingen, vielleicht kann er das auch gar nicht. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, das Electro-Pioniere mit Singles überaus erfolgreich sind, das dazugehörige Album aber kaum jemanden mitreißt.
Live dürfte ein Auftritt von Gato Preto durchaus lohnenswert sein. Die nötige Energie und Bombastizität strahlt "Tempo" eindeutig aus. Aber für europäische Ohren ist es in seiner Gesamtheit einfach zu kantig, zu unausgewogen und schlussendlich vielleicht auch zu speziell.
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