laut.de-Kritik
Reggae für ein äußerst freundliches Möbelhaus.
Review von Yannik GölzFangen wir das alles ehrlich an: Ich habe keinen Kontext und keine Vergangenheit mit der Musik von Gentleman, außer mir in der Mittelstufe ab und zu über seine Musikvideos auf Viva den Kopf gekratzt zu haben. Jedenfalls quittierten mir alle Kollegen die Nachfragen, warum diese Website diesen Mann historisch so hofierte, mit einem ausweichend schmachtendem "Hach, damals war das eben so". Zum Glück bin ich im Vergleich zur Redaktion gefühlte zwölfeinhalb Jahre alt und empfinde keine Not, dabei gewesen sein zu müssen. Was bringt also dieses Relikt aus einer Zeit, in der das Konzept Weltmusik noch wie eine genauso gute Idee klang, wie sich Fedoras tragend 'Gentleman' zu nennen?
Grob: 16 Tracks mit einer klaren Trennlinie. Ein paar klingen, wie er eben immer geklungen hat. Die andere Hälfte schmiegt sich schamlos am aktuellen Produktionsmainstream an. Damit komme ich wohl genau zur rechten Zeit seiner Diskographie, denn diese erste rein deutsche Gentleman-Platte biedert sich trotteligen Kindern wie mir spürbar an. Richtig gelingen wollen beide Strömungen nicht, aber trotzdem muss man dem Mann Respekt für seine Offenheit zollen.
Gegenläufig zur Prognose führender Marktforschungs-Teams gefällt mir aber der Teil des Albums besser, der nicht klingt, als könnte er musikalisch auf dem letzten Trettmann-Album landen. Auf den reinen Reggae- und schlichten Dancehall-Nummern hat der Mann definitiv seinen Charme. Einen etwas albernen, abgeschmackten Charme, aber nichtsdestotrotz: Dem Mann, der seinen Blumen jeden Morgen "Namaste" sagt und eigentlich nur gute Vibes will, kann man eben nicht allzu böse sein.
Mit solide verträumten Gitarren und einer überraschend modernen Produktion fläzt sich der Mann durch eine denkbar belanglose Themenpalette und leuchtet eigentlich nur dann auf, wenn er es von seinen Liebsten hat oder man ihm auf "Feierwahn" mal ein bisschen Dampf unterm Arsch macht. Sonst dümpelt "Blaue Stunde" vor sich hin; er lebt eben seinen corny Mittvierziger-Wohlstand aus und produziert ungenierten Gentrifizierungs-Core. Klingt das Feature mit Sido, in dem sie sich halbernst über das harte Leben monieren, schlecht? Nö. Aber seinen Problemen mit den Ratschlägen "mach mal Glotze aus", "putz doch mal die Bude" und "wir sollten alle etwas runterkommen" beizukommen, klappt besser für reiche Männer mit Namen wie Tillmann Otto oder Paul Würdig.
Wenn Gentleman aber nicht Musik für Toom-Werbespots macht, dann zeigt er, wie up to date er mit den sogenannten Jugendlichen ist. Luciano, Ezhel und Summer Cem liefern pflichtschuldige Gastbeiträge ab und zeigen dabei mit dem Protagonisten Chemie wie ein Bio-Laden. Musikalisch hat Gentleman ja alle Kredibilität der Welt, auf den Trend hin zum Dancehall und Afrobeat aufzuspringen. Warum klingt das alles dann dann so gekünstelt?
Ohne den Novum-Effekt fehlt Biss. Songs wie "Wo Auch Immer" und "Bruder" klingen angestrengt und haben mit dem Roots-Flavour, dem der Mann sonst gerecht wurde, wenig zu tun. Welche Geschichte will er zu diesem Sound erzählen? Dass er mit 17 das erste Mal in den Keller von Kitschkrieg gereist ist und bis heute hohes Ansehen da unten genießt?
Das etappenweise Produktions-Upgrade von den Jugglerz veredelt den Sound ohne Frage, aber nimmt ihm auch eine ganze Kante Identität. Während er auf seinen Standard-Nummern irgendwie corny, aber süß abliefert, fühlt er sich auf den Modernisierungs-Anläufen wie ein Gast auf der eigenen Platte an. Im großen und ganzen deckt das den Gesamteindruck: "Blaue Stunde" hat ein bisschen Kredibilität, eine Menge Kompetenz, aber die zündende Idee fehlt. Zwanzig Jahre in seine Karriere brauchen wir einfach keine kulturellen Übersetzer für Sounds mehr, die wir selbst von der Quelle beziehen könnten – vor allem, wenn viel inzwischen direkt aus dem deutschen Raum adaptiert wird.
10 Kommentare mit 15 Antworten
Bitte nicht fälschlich Elzhi mit diesem Müll für Voice Of Germany Hörer in Verbindung bringen Ezhel heißt der "Rapper".
Danke, Chris. Fast wäre es bei mir schon zu spät gewesen. Ich hätte mich kurz vor Weihnachten blamiert .
Ey, ohne Scheiß, hab auch erst gedacht, Elzhi-Feature? Nicht schlecht! Dann aber doch nur der Bürgermeister von Wezhel.
Gentleman ist eigentlich schwer zu hatten, aber auf deutsch eher wack.
Haten
Ist nach 9 Stunden - seit dem Hinweis - noch immer nicht ausgebessert worden. Eigentlich wollte ich die Rezension gar nicht lesen. Aber nach deinem Hinweis, habe ich bis zur besagten Zeile diesen Affront gesucht und bin sprachlos, dass die Ungeheurlichkeit, noch immer da steht.
Tilmann guter Typ, aber dieses Album wird ungehört bleiben.
Hab Gentleman auch zu seiner sehr erfolgreichen Phase nie verstehen können, obwohl ich damals Reggae noch nicht für größtenteils lächerlich hielt. Dachte aber: Wenn man sich so sehr bemühen muß, um authentisch zu sein, dann wirds halt umso künstlicher. Hach, gute alte Zeit...
Lauwarm und kraftlos.Mainstream beliefert den Mainstream. Fürs deutsche Radio wird's reichen. Auch um weiter mit dem SUV durch den Kölner Hahnwald zu schleichen. ÄH...ja...Und muss das sein,mit SIDO ??? pfui....und den anderen Colabo-Lappen? Das nächste Album wird besser. For sure.
Gekonnt eingespielt und nah am Zeitgeist. Gelungenes Comeback des Deutschrapveterans.
Danke Waldemar Werbetext
Cool , das er was neues versucht hat. Leider aber mit Abstand sein bis dahin langweiligstes Album.