laut.de-Biographie
Gianna Nannini
Ihre Stimme, kraftvoll und leicht krächzend, ist Gianna Nanninis unverkennbares Markenzeichen. Man hört sie unter vielen heraus und bekommt mitunter den Eindruck, ihr Rachen sei mit Sandpapier ausgelegt. Ihre musikalische Bandbreite reicht von italienischen Volksliedern und Balladen bis hin zu Rocksongs.
Am 14. Juni 1956 geboren, wächst Nannini im toskanischen Siena auf. Ihre wohlhabenden Eltern besitzen mehrere Konditoreien und sehen sie an der Spitze des Traditionsunternehmens. Wie ihr Bruder Alessandro, in den 80er Jahren ein erfolgreicher Formel 1-Fahrer, besitzt sie jedoch einen rebellischen Charakter und flüchtet mit achtzehn nach Mailand, nachdem sie am Konservatorium Musik und Komposition studiert hat.
In der norditalienischen Großstadt nimmt sie zwar ein Literaturstudium auf, tritt aber vor allem in Kneipen und Clubs auf, wo sie sich bald einen Plattenvertrag sichert. Ihr autobiografisches und introvertiertes Debüt "Gianna Nannini" erscheint 1976.
Bei einem USA-Aufenthalt entdeckt sie zwei Jahre später den Rock und krempelt in "California" (1979) ihren Sound um, der nun rauer und selbstbewusster klingt. Die Singleauskopplung "America" verursacht in Italien zwar einen Skandal, da der Text von Selbstbefriedigung handelt, schafft aber auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich den Sprung in die Charts.
1981 schreibt Nannini den Soundtrack zu "Sconcerto Rock", einem von Bernardo Bertolucci produzierten Film, und trifft ihren neuen Manager Peter Zumsteg, der ihr zum endgültigen Durchbruch verhilft. Mit "Latin Lover" (1982) beginnt zudem eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Conny Plank, der schon Ultravox, Eurythmics und Kraftwerk produziert hat.
Gemeinsam entstehen weitere zwei Alben. "Puzzle" (1984) gerät in Italien zur bis dahin am meisten verkauften Platte einer weiblichen Interpretin. Die Singleauskopplung "Fotoromanza" hält sich über den Sommer zwei Monate auf Platz eins, während das Album auch im deutschsprachigen Raum die Charts stürmt. Erfolge, die sie mit "Profumo" (1986) und der Best Of "I Maschi E Altri" (1988) sogar überbietet.
Der Tod Planks 1987 führt zu einer Neuausrichtung von Nanninis Musik. 1990 singt sie mit Edoardo Bennato das Lied zur Fußball-WM ("Un'Estate Italiana"), 1995 hat sie mit "Meravigliosa Creatura" einen Hit; trotz regelmäßiger Veröffentlichungen erreicht sie die Verkaufszahlen der 80er Jahre jedoch nicht mehr.
Ihr Name bleibt vor allem dank ihrer explosiven Liveauftritte im Gedächtnis. "Ich mag es, wenn das Publikum laut ist, wenn die Leute aus sich raus gehen und genauso schwitzen, wie wir auf der Bühne", erläutert sie ihre Einstellung zur Konzerttätigkeit.
In den 90er Jahren macht sie auch außerhalb des Musikgeschäfts auf sich aufmerksam. So schließt sie 1994 nach 18 Jahren ihr Studium ab. Der Titel ihrer Magisterarbeit lautet "Der Körper in der Stimme – die Beziehung zwischen Körper und Stimme aus der Sicht einer anthropologischen Musik". 1995 klettert sie mit Greenpeace-Aktivisten auf einen Balkon der französischen Botschaft in Rom, um gegen Atomexperimente auf dem Pazifikatoll Mururoa zu protestieren.
Nachdem sie 2000 den Soundtrack zu einer Verfilmung von Michael Endes Geschichte "Momo" schreibt, setzt sie 2002 auf "Aria" zum ersten Mal verstärkt symphonische Elemente und elektronische Klänge ein. Den Titelsong singt sie mit Hilfe von Xavier Naidoo auch auf Deutsch. Im Januar 2004 erscheint ihr sechzehntes Album "Perle", das Stücke aus Nanninis Vergangenheit in Begleitung von zwei Klavieren und dem neapoletanischen Solis String Quartet enthält.
2006 wird die Rockröhre 50 Jahre alt und feiert in Italien ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum. Aus diesem Anlass erscheint "Grazie", das nicht die von vielen erhoffte bedingungslose Rückkehr zur Rockmusik darstellt. Vielmehr befinden sich darauf zehn Popsongs. Die Fans freut es offenbar dennoch: "Grazie" entwickelt sich im Heimatland mit gleich fünffacher Platin-Auszeichnung zur meistverkauften Platte des Jahres.
Längst hat sich Gianna Nannini zu einer unverrückbaren Größe des italienischen Pop und Rock empor geschwungen. Die Härte und Kratzbürstigkeit ihrer Anfangsjahre ist einer häufig sanfteren Vorgehens- und Vortragsweise gewichen. Doch auch, wenn die Italienerin sich stärker als früher in balladesken Gewässern tummelt: Die Rockerin mit der unverkennbaren Reibeisenstimme blitzt immer wieder auf.
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