laut.de-Kritik

Altes Material in Klassik-Aufmachung.

Review von

"Rockmusik wird langweilig, wenn sie nicht jemand ganz neu erfindet. Ich will weg vom Klischeerock mit Gitarre, und mehr klassische Elemente berücksichtigen, die auch Stille, Leerstellen aushalten können. Von elektrischen Gitarren habe ich genug. Ich will Stille in die Musik bringen", erzählt Gianna Nannini in einem Interview zum vorliegenden Album "Perle". Ein Ansatz, der auf Papier schwer vorzustellen ist: Wie soll sich ihre kratzige Stimme ohne krachenden Sound nur anhören?

Trotz kämpferischer Worte zeugt die Tracklist von Reaktion in der Revolution: Es handelt sich hier um die Neuinterpretation bekannter Lieder. Ein Vorgehen, das zunächst halbwegs überzeugen kann. Ein Pianobar-Klavier, dezente Streicher und zarte Perkussionen untermalen Nanninis ausdrucksstarke Stimme im Eröffnungsstück "Notti Senza Cuore". Auf "Ragazzo Dell'Europa" feiert ein wirbelndes Klavier seinen Auftritt und erinnert an Claudio Baglioni oder Riccardo Cocciante, stellenweise sogar an Chopin.

"Contaminata" ist dagegen das erste Beispiel vom größten Makel des Albums: ein Übereifer bei den Arrangements. Elektronische Rhythmen führen pseudo-orientalische Streichereinlagen und operettenhafte Chöre ein, die auf Nanninis Stimme einhämmern. Hätte es wie zuvor nicht auch ein Flügel getan? Eine Frage, die sich bei den schnelleren Stücken grundsätzlich stellt. Das frühe "California" geht in einer symphonischen Kakophonie unter, "Amore Cannibale" kann mit seinem Requiemchor ebenso wenig überzeugen wie das überzogene "Aria" und die kontrapunktische Geigenbegleitung bei "I Maschi".

Den Akzent auf die Instrumentierung zu setzen, ist bei Liedern, die stark von der Stimme abhängen, die falsche Strategie. Die Fähigkeit der toskanischen Sängerin, Gefühle auszudrücken, gerät zu sehr in den Hintergrund. Dabei steckt hinter "Perle" viel Arbeit: Nannini hat intensiv Klavier geübt, das neapoletanische Solis String Quartet verpflichtet und wie schon 2002 bei "Aria" den Klangtüftler Christian Lohr mit ins Studio genommen.

Dennoch erfüllt die Kombination aus Rockröhre und klassischen Arrangements nur selten die Erwartungen. Das einzige Cover, "Amandoti" der mittlerweile aufgelösten, in Italien aber immer noch verehrten CCCP, überzeugt mit seinen Rondò Veneziano-Klängen ebenso wenig wie die meisten alten Hits. Zwei Stücke am Anfang, das letzte, "Oh Marinaio", und ein wahrlich schönes "Meravigliosa Creatura" – bei minimalem Einsatz an Mitteln entsteht das beste Ergebnis. Schade, dass die Macher das nicht bemerkt haben.

Trackliste

  1. 1. Notti Senza Cuore
  2. 2. Ragazzo Dell' Europa
  3. 3. Contaminata
  4. 4. Amandoti
  5. 5. Profumo
  6. 6. I Maschi
  7. 7. Aria
  8. 8. Una Luce
  9. 9. California
  10. 10. Latin Lover
  11. 11. Meravigliosa Creatura
  12. 12. Amore Cannibale
  13. 13. Oh Marinaio

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