laut.de-Kritik
Elektropop vom ehemaligen Geisterfahrer und Kastrierten Philosophen.
Review von Dani FrommWenn sich Ikonen der Neuen Deutschen Welle an einer Rückkehr versuchen, drohen üble Grausamkeiten. Man denke nur an den Auftritt von Ich-geb-Gas-Markus in der unsäglichen Comeback-Show im vergangenen Jahr. Oder an Nenas jüngste Peinlichkeit. Was aber, wenn ein ganz alter Hase einen neuen Anlauf nimmt? Einer, der erst nicht wirklich da und dann nie richtig weg war? Nun, im Fall Andy Giorbino ist das ... "Schön".
Der ehemalige Geisterfahrer und kastrierte Philosoph kooperiert seit einiger Zeit wieder mit einem einstigen Mitstreiter: Wie bereits bei der EP "Überall Licht" von 2002, übernimmt Folke "Ledernacken" Jensen auch bei "Schön" Aufnahme und Produktion. Daneben sind unter anderen Jakobus Siebels von Ja König Ja an der Posaune und Geisterfahrer-Bassist Marco van Basten zu hören. Das Ergebnis: eine finster grummelnde, basslastige Elektropop-Platte, die mindestens bei jedem zweiten Track Erinnerungen an die Depeche Mode der späten 80er Jahre weckt.
Am krassesten überfiel mich dieser Eindruck bei "Verdreht": Über mächtigem Bass verstreut Giorbino elektronische Klicks; die einsetzende Melodie könnte eins zu eins aus "Never Let Me Down" abgekupfert sein. Erst relativ spät kommt Gesang ins Spiel. Giorbino erweist sich weder als begnadeter Sänger noch als ausschweifender Geschichtenerzähler; die Texte des kompletten Albums nach einem einzigen Hördurchgang auswendig zu kennen, bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Man muss ihm allerdings zugestehen, dass er mit knappen Texten und seiner eigenwilligen Singstimme Atmosphäre schafft.
Trotz durchgehend starker elektronischer Anteile wirkt "Schön" zu keinem Zeitpunkt plastik-mäßig. Das Duo Jensen/Giorbino kreiert vielmehr einen relativ warmen, kompakten Soundteppich, der stellenweise sogar leichte Anleihen aus Country (in "So Müde") oder Jazz (in "Stern") verträgt. Letzteres bietet neben einem verteufelt vertraut anmutenden Basslauf erfrischend absurde Pianotöne und klimpert sich so problemlos in mein Herz. Das Gleiche gelingt Giorbino - etwas melancholischer - in "Adieu" und (mit den krassesten Gitarreneinlagen überhaupt) im Titelstück "Schön". Lahm wird es dagegen an Stellen, an denen die Schrägheit fehlt: "Obwohl Ich Brenne" mit seinen Synthiestreichern ist so eine Nummer, die eher schwer in die Gänge kommt. Ganz anders: "Clubhaus". Der Titel verheißt es bereits: Nicht allzu stures Clubpublikum könnte mit diesem pumpenden Track durchaus zu ködern sein.
Der Gesang - ein Hauch Andreas Dorau klingt immer mit - hält sich über weite Strecken sehr im Hintergrund. Textlich gibt "Schön", wie angedeutet, keine Romane her. Eine Eins-zu-Eins-Übersetzung des Refrains aus "Hello, Goodbye" in "Ich Sag Hallo", die Erkenntnis, dass alles "Verdreht" ist, "wenn das p zum b wird" und der Befund "Es ist nie vorbei / Es geht nicht vorüber / Du begegnest Dir / Immer wieder / Im Licht und in der Dunkelheit / Auf einem anderen Niveau." - das war es dann auch schon fast. Aber wozu sollte man auch mehr Worte verlieren? Weniger ist in diesem Fall mehr. "Alles nicht so schlimm."
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