Gov't Mule - " Peace... Like A River"

"'Peace... Like A River' ist vom Standpunkt der musikalischen Arrangements her sehr ehrgeizig, da viele der Songs Wendungen nehmen, die in der heutigen Popmusikwelt nicht üblich sind." Damit hat der bluesrootsig kläffende und eindringliche Sänger und Lead-Gitarrist der Gov't Mule Recht. Das neue Song-Dutzend meidet alles Abgedroschene und wagt einen Progressive-Ansatz im Southern, Texas- und Blues-Rock. Dieses freie Drauflos-Jammen überzeugt sowohl in kargen und melodiemäßig entschlackten Phasen, wie bei "Peace I Need", als auch in den verschnörkelten Drama-Abschnitten, zum Beispiel von "Same As It Ever Was". Dort funktioniert es sogar noch etwas besser.

Der Frontmann trifft den Kern, wenn er von unkonventionellen Wendungen schwärmt. Oft fahren Harmonien und Instrumentierungen eine Zeitlang wie im Schritttempo über den Standstreifen, um sich danach mit Schwung wieder auf der Überholspur einzufädeln und zügig vorwärts zu drängen. Die Doppel-LP verhält sich im Wechsel von Track zu Track dynamisch, setzt im Verlauf viele Impulse zum Weiterhören. Sie profitiert aber auch innerhalb der Stücke von einer klugen Lenkung in unerwartete Kadenzen, spontanen Ritten über die Tonleiter, instrumentalen Zwischen-Parts und reduziertem Krach, um sich wieder zu sammeln und dann woanders abzubiegen.

Ein besonders geschickter Wurf in dieser Verschachtelungstechnik zeigt sich in "Made My Peace" auf einer Strecke von neun Minuten. Wie üblich für Gov't Mule, nehmen sich die schillernden Songs Zeit, um zu zeigen, wie gut dieses oder jenes Instrument ins Lied passt. Das kann heißen, dass erst die Orgel strahlende Töne abfeuert, das Ensemble wieder zusammenklingt und den Gesang untermalt, dann das Klavier klimpert, die Gitarre ein Solo nachschiebt, und schließlich eine Art Jam-Session die verschiedenen Qualitäten ad lib zusammen führt.

Die Funk Side Of The Mule haben sie zwar neben der Dark und der Dub Side Of The Mule noch nie in längerem Format ausgespielt, aber "Gone Too Long" stellt die P-Funkiness bestens unter Beweis. Gemeinsam mit Sängerin Ruthie Foster als zusätzlichem Farbklecks der mannigfaltigen Album-Klangkolorite entsteht sogar weitaus mehr als kecker Funk-Rhythmus im Southern Rock-Mantel, sondern Doors-Atmosphäre. Wer sich einmal in deren Musik verliebt hat, wird immer wieder Elemente davon bei Gov't Mule finden, speziell auf diesem neuen Album.

Funk-Gehalt lässt sich auch dem Groove-Schleicher "Just Across The River" attestieren, einem ansprechenden Remake von "Take Me To The River", im Original von Al Green, die Hit-Version von den Talking Heads. Die Akkordfolge und Stimmung von "Break On Through (To The Other Side)" hallt in "Head Full Of Thunder" wider. Gast Ivan Neville auf "Dreaming Out Loud" arbeitet sogar hauptberuflich in der Funk-Combo Dumpstaphunk.

Vor gut 15 Jahren gab es einmal eine Reggae-CD der 'Government' Mule. Zusammen mit dem Schauspieler und Singer/Songwriter Billy Bob Thornton belebt die Band ihren undogmatischen One Drop-Ansatz unter Aufbietung genialer, akrobatisch gut geturnter Trompeten-Triller wieder. Auch "Riders On The Storm"-Feeling durchzieht dieses Highlight auf einer an sich schon tollen Scheibe: "The River Only Flows One Way". "After The Storm" ahmt Jim Morrison dabei nach, wie er Blues singt. Mit einer an Crosby, Stills und Nashs Herren-Chor erinnernden hohen Stimmlage ruft Warren Haynes in "Gone Too Long" flankiert von Eagles-artigen Akkorden viel Westcoast-Flair hervor. Neben wilden gibt es somit auch sehr entspannte Momente auf diesem quirligen Klang-Trip.