laut.de-Kritik
Mitunter fühlt man sich an Michael Ende erinnert.
Review von Franz MauererGuided By Voices, die 44. "Strut Of Kings" kommt im Titel ungewohnt breitbeinig her, wie üblich faselt Pollard irgendeinen sympathischen Schmarren daher. Gefühlt sagt er bei jeder zweiten Scheibe, diese sei nun total fokussiert, und bei jeder anderen, diese sei eher locker, old school GBV. Mit dem tatsächlichen Produkt haben diese Aussagen meist wenig gemein, das sei angesichts des zumeist mehr als vernünftigen Qualitätslevels aber verziehen.
Ein Trend setzt sich jedenfalls fort: Die Songs werden länger und die Alben-Cover wieder besser. GBV normalisieren sich als Band weiter vom ekstatisch hingerotzten Zweiminüter zu einer in der Konstellation - die schon so lange gemeinsame Sache macht, dass "aktuelle" gar nicht als Beschreibung passen mag - selten auszurechnenden, aber doch in gewissen konventionellen Bahnen verbleibenden Rockband.
Der Opener "Show Me The Castle" beginnt ungewohnt epochal, biegt dann in einen etwas härteren, aber im Stil gewohnten GBV-Beat ein. Im trockenen, krawalligen Spiel von Drummer Kevin March versteckt sich eine grandiose Figur, die aber nie zur vollen Blüte gebracht wird, weil sie ihr treibendes, repetitives Element nicht vollends ausleben darf. Macht trotzdem Lust auf mehr, mit "Dear Onion" folgt der für die Band typischste Song des Albums. Er beginnt in medias res, etliche Ideen schälen sich um ein Main-Riff, und will vor allen Dingen schmissig sein. Das ist er auch, bleibt aber nicht für lange im Ohr.
"This Will Go On" dagegen ist eine ungewohnte Akustiknummer, die trotz ihrer nur gut zwei Minuten nicht gehetzt wirkt. Den Demo-Charakter streift sie nicht ab, vielleicht ist das ja auch gar nicht gewollt. Man fühlt sich an Michael Ende erinnert, der so großartig wie faul schrieb; aber das ist eine andere Geschichte, die an einer anderen Stelle erzählt wird. So leicht machen Pollard und Mannen es sich hier auch. "Fictional Environment Dream" ist einschläfernd langweilig, was auch für den windschiefen und trotzdem glatten Slow-Rocker "Olympus Cock In Radiana" gilt, dessen Metronom-Idee nie aufgeht. "Leave Umbrella" macht es besser, da seine ebenfalls reduzierte Geschwindigkeit stampfend und unterhaltsam dröhnend ausgefüllt wird.
Ähnlich funktioniert das aber mehr auf Drums setzende "Cavemen Running Naked", und so langsam versteht man die Idee des Mittelteils des Albums: Slow- bis Mid-Tempo ohne die gewohnte Dynamik, dafür genauer exerziert und teils fast schon Richtung Shoegaze schielend. Geht halt leider nicht auf. "Timing Voice" macht vieles vom schwachen Mittelteil vergessen, der Schmiss ist zurück und die Anstrengungen der Band konzentrieren sich auf die Kombination der Songteile, statt eine Idee zu Tode zu klöppeln. Der Song ist einer der handwerklich saubersten der Bandgeschichte, der zum Schluss hin Schicht um Schicht ablegt, zurecht stolz auf seine vielen Kleider, die hier aber nie zu Lasten einer angenehm störrischen Eingängigkeit gehen.
Die fehlt "Bicycle Garden" mindestens in der ersten Hälfte, obwohl oder vielleicht weil es sie so dringend sucht, erst eine Öffnung macht den Song interessanter, als er zu früh aufhört. So einiges auf "Strut Of Kings" wirkt wie Teile von epochalen, längeren Songs. Der wiederum längste Song des Albums, "Bit Of A Crunch", fühlt sich trotz Geiger-Filler-Part nicht so an, da er eine greifbar positive, homogene Atmosphäre verbreitet. Trotzdem nichts für eure GBV-Best-Of-Playlists, da darf aber "Serene King" rein mit einem glänzend aufgelegten Pollard. Man merkt durchaus, dass "Strut Of Kings" mehr Zeit abbekam als viele andere GBV-Alben. Nur tat es der Platte nicht immer gut.
Noch keine Kommentare