laut.de-Kritik
Schönes, intimes Requiem für Johnny Cash.
Review von Mathias MöllerDie Union Chapel in London ist - als Kirche konzipiert - ein stimmungsvoller Ort für Konzerte der besonderen Art. Kein Wunder, dass hier schon Björk oder Tori Amos aufgetreten sind. Letztes Jahr im September gab sich dort auch Heather Nova die Ehre. Die damals im fünften Monat schwangere Songwriterin spielte mit ihrer dreiköpfigen Band ein Halbakustik-Set, das sich nicht nur hören, sondern dank vorliegender DVD auch sehen lassen kann.
Das in schwarz-weiß gehaltene Filmmaterial trägt der Stimmung des Tages Rechnung. Nova spielte ihr Konzert an dem Tag, an dem die sonst so schnelle Musikwelt für einige Momente still stand: am 12. September. Mit der Akustik-Gitarre um den Hals widmet sie den Song "You Left Me A Song" dem an diesem Tag verstorbenen Johnny Cash. Das Stück von ihrem letzten Album "Storm" bekommt eine ganz neue Dimension, auch diesseits der Mattscheibe macht sich Ergriffenheit bemerkbar.
Der Rest des Sets ist wie der genannte Song auch mit Akustikgitarre und Bandunterstützung recht schlicht, aber schön vorgetragen, das Hauptohrenmerk liegt ohnehin auf der markanten Stimme der hübschen Blonden. Diese Stimme entführt, verführt, lässt fallen, fängt und kann in schlimmen Momenten vielleicht sogar retten. In einer Kirche allemal.
Leider zeigt "Live At The Union Chapel" nicht das ganze Konzert mit dem Titel "An Acoustic Evening With Heather Nova", sondern nur einen Teil. Bei genauer Betrachtung sticht ins Auge, dass alle Songs von "Storm" (bis auf "Aquamarine"), das knapp drei Wochen vor dem Gig erschienen war, live performt werden. Und nichts weiter. Der Rest des Auftritts wird dem Zuschauer zu Hause vorenthalten. Damit gerät das Live-Dokument auch nicht gerade üppig. Nach gut 37 Minuten ist der Konzertspaß schon vorbei.
Als Zugabe gibt Frau Nova noch zwei Songs mit der Akustik-Gitarre im Backstagebereich zum Besten. Auch "Everytime" ist ein neuer Song, mit "New Love" gibt es dann wenigstens einen älteren Song zu hören. Doch Klassiker wie "Walk This World", "Virus Of The Mind" oder das Todessehnsüchte induzierende "Gloomy Sunday" vermisst man schmerzlich.
Der Special Features-Bereich bietet die im Musikfernsehen sicher raren Videos zu "Drink It In", einem sinnlich-ästhetischen Kunstwerk, bei dem man richtig Lust auf zwischenmenschliche Wärme durch Reibung bekommt, und dem "My Life As A Rock Star"-Streifen zu "River Of Life". Den bis dato unveröffentlichten Track "Photograph" begleitet eine Fotostrecke (herrlich, wie das alles Sinn macht), die leider für den Song viel zu kurz ist, so dass man gleich mehrfach in den Genuss der nur mäßig spektakulären Bilder kommt.
Was bleibt, ist das Wissen, dass man am 12. September 2003 ein schönes, intimes Requiem für Cash verpasst hat, dessen volle Länge sicherlich sehr interessant gewesen wäre. Doch Artwork und Song- bzw. Specials-Auswahl lassen darauf schließen, dass die Zuständigen bei der Plattenfirma hier mächtig an Zeit, Aufwand und Liebe gespart haben, womit sie nicht nur dem Fan, sondern auch der Künstlerin Unrecht tun. Deshalb: volle Punktzahl für Nova, "Sechs, setzen!" für die Verantwortlichen.
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