18. Dezember 2009

"Meine Tochter mag die Beatles"

Interview geführt von

Mit der CD "Die Schönsten Kinderlieder" mischen Heike Makatsch und ihr Mann Max Martin Schröder derzeit das zumeist grausam einfältige Kinder-CD-Sortiment auf. Ihr Geheimnis: Spannende und nicht anbiedernde Arrangements.Es ist keine revolutionäre Idee, drauf gekommen ist jedoch noch keiner: Kinderlieder einfach mal für voll nehmen, genau wie die Kinder selbst. Also mal ohne 80er Billig-Keyboards, effekthascherische Geräuschkulissen und Plemm Plemm-Texte. Wie man kindgerecht-anspruchsvoll an die Sache herangeht, zeigen Heike Makatsch und ihr bei Tomte angestellter Ehemann Max Martin Schröder mit "Die Schönsten Kinderlieder", eine dem weiten Indie- bzw. Singer/Songwriter-Feld zugeneigte Umsetzung alter Kinder-Evergreens.

Frau Makatsch, zunächst mal: Danke für diese CD.

Heike Makatsch: Danke, gefällt sie?

Ich würde sogar behaupten wollen, Ihnen ist die erste deutsche, unpeinliche Kinder-CD gelungen.

Das ist ja schön, das freut mich. Dieses Lob muss man aber eigentlich Max ans Revers heften, da er die gesamte Musik arrangiert und das auch von Herzen und damit richtig gemacht hat.

Inwieweit waren Sie in die musikalische Arbeit des Albums involviert?

Nun, zunächst mal habe ich Max vorgeschlagen, nachdem der Diogenes Verlag mich mit der Idee kontaktiert hatte, an der Jubiläumsausgabe des "Großen Liederbuchs" musikalisch mitzuwirken. Das war am Anfang alles noch sehr vage. Ich blätterte das Liederbuch dann einmal durch und da kamen auch prompt viele Erinnerungen an meine eigene Jugend hoch, zum Beispiel an das Gitarrenspiel meines Vaters.

Als Max die Idee dann auch gut fand, machte ich zur Bedingung, dass er alles arrangieren und ich singen würde. Das fanden die Verlagsleute auch gut. Was die musikalische Farbe und die Produktion angeht, war Max allerdings alleine verantwortlich. Ich habe lediglich ab und an meinen Senf dazugegeben und mit ihm über Tonart oder Tempo eines Songs gesprochen. Aber er war der Tüftler.

Dann war das also doch eine Verlagsidee. In den Album-Infos stand, dass Sie es leid waren, auf langen Autofahrten ständig auf das herkömmliche Kindermusik-Sortiment zurück zu greifen.

Ich kann nicht sagen, dass ich das so leid war, denn so viele Kinder-CDs von anderen haben wir gar nicht gehört und so lange sind wir dann auch nicht im Auto unterwegs. Aber wir dachten vielleicht an andere, die oft im Auto reisen und sich oft beklagen (lacht). Nein, letztlich stand vor allem der Gedanke im Raum: Es wäre doch schön, diese teilweise großartigen Herz-/Schmerz-Popsongs, die von Abschied, Verlust und erwachsenen Themen handeln, einmal in ein Gewand zu stecken, das auch wir Eltern genießen oder mögen können. Und dass zeitgleich auch die Kinder Spaß am Mitsingen oder Mitstampfen haben, so wie es zumindest bei unserer Tochter von Anfang an war.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass es in Deutschland so wenig unpeinliche Kinder-CDs gibt?

Ja, es ist merkwürdig, dass es da scheinbar eine Autorität gibt, die behauptet, dass Kinder keinen Musikgeschmack haben. Oder dass Kinder nur Musik mögen, die sich so anhört, wie ein süßer Lolli schmeckt. Dass deren Geschmacksnerven nur auf schrille, grelle und eindeutige Signale reagieren können. Ich glaube nicht, dass dem so ist. Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht. Meine Tochter mag zum Beispiel die Beatles. Und wenn dem so ist, dann kann man dem nur nacheifern.

Dave Grohl soll einmal gesagt haben, dass er seiner Tochter nur Wiegenlieder-Versionen der Beatles vorspiele.

Ja. Meine dreijährige Tochter singt sogar schon die englischen Texte mit, in ihrem deutschen Verständnis natürlich. Das ist sehr lustig.

Bei meiner zweijährigen Tochter war es ganz spannend zu sehen, wie sie generell auf deutschsprachige Musik, beispielsweise von Anajo, anspricht. Wenn man die Worte verstehen konnte, klappte das sehr gut.

Ja genau. Meine Tochter mag aber auch gerne Robbie Williams. Ich habe das Gefühl, dass die Sorte Popmusik bei Kindern funktioniert, die einen emotional irgendwie mitnimmt.

Im Zusammenhang mit Ihrer CD wurden als stilistische Vergleiche vom Label Bands wie The Shins, Wilco und Coldplay genannt. Können Sie sich damit identifizieren?

Ich glaube, das hat Thees Uhlmann gesagt (lacht). Thees arbeitet ja eng mit Max zusammen und ich denke, das sind so Bands, in denen die sich wiederfinden. Ich kann mir vorstellen, dass Max diese Vergleiche gefallen würden, andererseits greift die Nennung solcher Vorbilder vielleicht auch zu weit. Ich glaube, Max hat sich keinen Maulkorb umgeschnallt, sondern hat alles intuitiv gemacht. Zumal er sich sehr vieler Genres bediente und sich von minimalistisch-folkig bis hin zum Bombastischen eigentlich alles erlaubt hat.

Hatte Ihr Mann als Musiker wirklich keinerlei musikalische Vorbilder?

Wenn doch, dann hat er sie mir nicht namentlich genannt. Es liegen natürlich immer irgendwelche Platten bei ihm rum, sei es die "Rubber Soul" der Beatles oder ... (überlegt) was lag da noch rum ... ja, Feist. Auch französische Kinderplatten waren dabei. Ich denke aber, dass er das alles schnell wieder vergisst.

"Vielleicht ärgert sich das Grand Hotel jetzt"

Grundsätzlich verstehe ich jedenfalls nicht, warum dieser riesige Markt, den Kindermusik darstellt, sang- und klanglos Nena überlassen wird.

(Lacht) Ich finde es auch komisch, dass nie mit Freude und Hingabe Musik mit Erwachsenenverständnis für Familien gemacht wird. Ich sehe das Album ja als eine Familien-CD an. Ohne jetzt eine Familienidylle heraufbeschwören zu wollen, aber so ein Sonntag, an dem die Kinder auf den Kissen herumhüpfen und "Der Kuckuck und der Esel" singen, während die Eltern Rühreier brutzeln und das alles nicht unangenehm finden, das ist doch schön. Und generationenübergreifend.

Für mich macht das Sinn. Ich kann mir aber auch nicht erklären, warum da immer so spartenmäßig gedacht wird. Warum muss sich Kindermusik immer so anhören, als wäre sie für Idioten geschrieben?

Bei manchen Liedern erinnerte mich Ihre Stimmfarbe oder die Akzentuierung stark an den "Hilde"-Soundtrack. Sehen Sie da Parallelen?

Die "Hilde"-Aufnahmen liegen zwar mittlerweile schon eine ganze Weile zurück, aber damals habe ich sehr an meinem Gesang gefeilt. Es könnte aber auch sein, dass dieses theatralisch-schauspielerhafte hier ähnlich wie bei "Hilde" durchschimmert, weil diese Lieder so alte Weisen sind. Bei "Hilde" gab es ja auch immer eine klare Betonung, da wurde kein Wort verschluckt.

Haben Sie sich lange mit den Gesangsaufnahmen aufgehalten oder konnte man das einfach so runtersingen?

So lange wie bei den "Hilde"-Songs hat es natürlich nicht gedauert. Ich hatte vier Studiotage für den Gesang und davor habe ich mit Max einiges schon zuhause ausprobiert.

War es einfach, die Albumarbeiten ins Familienleben mit Nachwuchs zu integrieren?

Ach ja, meine Tochter geht ja auch mal in den Kindergarten. (lacht) Wir haben aber auch ein ganz gutes Netzwerk hier mit Großmüttern und so.

Nun kam die Projektidee zwar von Diogenes. Wäre es ansonsten nicht auch spannend gewesen, sowas auf Grand Hotel Van Cleef zu veröffentlichen?

Tja, Diogenes kam mit der Idee zuerst. Die haben auch total an uns geglaubt, die Produktion bezahlt und uns freie Hand gegeben. Das Grand Hotel ... ja, die müsste man mal fragen, ob sie sowas irgendwann nicht auch machen wollen (lacht)

Aber ob die gleich ein Liederbuch planen, nur weil dort jetzt auch ein paar Leute Väter geworden sind, weiß ich nicht. Vielleicht ärgern sie sich ja jetzt, kann ja sein. (lacht) Nein, das hat so schon alles Sinn gemacht und war aufgrund der Illustrationen von Tomi Ungerer ja auch schön eingebettet.

Der harte Kampf gegen Nena-CDs

Bei Diogenes sehe ich allerdings das Problem, dass die CD vor allem in Buchhandlungen ausliegt und die schöne Produktion dadurch benachteiligt ist im Kampf gegen die Armada an Nena-CDs. Wie sehen Sie das?

Ja, das weiß ich noch gar nicht genau. Ich kümmere mich Gott sei Dank nicht sehr um diese Marketing-Seite. Ist vielleicht auch etwas dumm von mir, aber ich kann mich da nicht so reinfuchsen. Ich habe aber das Gefühl, dass sich das schon etablieren wird. Das ist ja kein Thema, das einmal in die Charts schießen muss, weil es danach nicht mehr auf dem Markt ist.

Ich hoffe einfach, dass es Bestand haben wird. Oder dass es wie das Liederbuch vielleicht ein Klassiker werden könnte. Das wäre doch schön. Und in dieser Hinsicht passt es dann ja auch irgendwie nicht in die Plattenläden. Das ist vielleicht auch der falsche Ort.

Naja, in jedem Media Markt gibt es auch Kindermusik-Fächer.

Da wird es die CD bestimmt auch geben.

Also, ich habe mal bei Media Markt hier in Konstanz geschaut, da liegt sie nicht und eine Bestellung dauert fünf bis sieben Tage.

Wie ärgerlich. Nur gut, dass es Amazon gibt.

Könnten Sie sich vorstellen, diese Kinderlieder-Idee irgendwann einmal zu erweitern?

Wir sind mit den Kinderliedern nun erst mal sehr zufrieden. Max hat ja auch noch andere musikalische Projekte laufen und ich werde mich demnächst wieder der Schauspielerei zuwenden. Ich kann mir natürlich schon vorstellen, mit Max nochmal kreativ zu werden. Das müssen dann aber nicht unbedingt Kinderlieder sein. Wir haben übrigens auch ein Weihnachtslied gemacht. "Frohes Fest .. I Don't Wanna Fight Tonight" (siehe Surftipps) ist ein Weihnachtsgeschenk vom Grand Hotel Van Cleef, das man auf MySpace umsonst downloaden kann.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Heike Makatsch

Von der einstmals jungen, unbeschwerten Moderatorenriege aus der Anfangsphase des 1993 gegründeten Musiksenders VIVA sind schon nach wenigen Jahren nicht …

1 Kommentar