laut.de-Kritik
Zu viel Manhattan, zu wenig Brooklyn.
Review von Ulf KubankeVor knapp 30 Jahren machte Helen Schneider noch auf tougher R'n'R-Gypsy. Inzwischen ist sie ganz und gar im musikalischen Mainstream des gehobenen Bürgertums angekommen. Musical hat sie gemacht, selbstverständlich Brecht/Weill, und zuletzt auf "Dream A Little Dream" das obligatorische Great American Songbook durchexerziert.
Und nun noch ein Bert Kaempfert-Album? Das ist in der Tat konsequent. Es gibt wohl keinen anderen deutschen Komponisten, der den amerikanischen Massengeschmack auch nur ansatzeise derart entscheidend mitprägte und verkörperte.
Künstlerische Spannung darf man bei einer derart berechenbar gewordenen Karriere gleichwohl nicht erwarten. Trotzdem gelingt der gebürtigen New Yorkerin der Tanz auf der Rasierklinge: Die Platte ist am Ende weder Ärgernis noch Langweiler.
Das liegt zum einen an den Songs. Easy Listening-König Kaempfert hatte ein Händchen für unsterbliche Unterhaltungsmelodien. Die Songs haben mehrheitlich soviel Substanz, dass man wohl auch die nächsten 200 Jahre nicht daran vorbei kommen wird.
Es ist eben kein Zufall, dass der bescheidene Komponist aus Hamburg-Barmbek der einzige Musiker überhaupt war, der sowohl mit Elvis Presley ("Wooden Heart"), Sinatra("Strangers In The Night") und den Beatles arbeitete.
Zum anderen liegt es an der überwiegend stilvollen Interpretation Schneiders. Es gibt etwa keine unnötigen Modernismen. Der Geist dieser im besten Sinne altmodischen Tracks bleibt erhalten. Man vernimmt den typischen Dooowah-Dub-Doowah-Chor Kaempferts. Sogar dessen alter Weggefährte, Modern-Jazz-Trompeter Ack van Rooyen (u.a. auch Niagara), packt mit 80 Jahren noch mal sein Horn aus. Auch der mitunter angedeutete Bossa Nova der renommierten SWR-Big Band steht so manchem an den Schläfen ergrauten Song gut zu Gesicht.
Insgesamt betrachtet greift der Hörer zuweilen zur Skip- und dann wieder zur Wiederholungstaste. Das unverwüstlich romantische, seinerzeit für Nat King Cole verfasste "L.O.V.E." erobert die Amerikanerin ganz und gar. Oberflächliche Swing-Schmalzköpfe wie Michael Bublé bläst sie dabei lässig von der Straße.
Die eigentlichen Perlen sind dennoch die weniger bekannten Balladen des norddeutschen Bandleaders. "Lonely Is The Name", "You Turned My World Around" und - ganz fantastisch - das dramatische, leicht Bond angehauchte Titelstück gehen unter die Haut - echte Gefühle statt Las Vegas-Diva-Gestus.
Einige der Lieder erweisen sich dennoch als Rohrkrepierer. Das mittlerweile tot genudelte "Danke Schön" macht den beteiligten Musikern offensichtlich mehr Spaß als dem seit 50 Jahren von diesem seichten Schlager-Swing in Endlosschleife geplagten Hörer. Kein Wunder, dass hier der sich gern in seichte Gefilde verirrende Götz Alsmann begeistert den Duettpartner gibt.
Auch die etwas bemüht runter gefahrene Version von "Strangers In The Night" ärgert. Natürlich darf man 'Ol' Blue Eyes' covern. Amüsant für das Publikum ist das gleichwohl selten. Durch die Bank sind sie bisher daran gescheitert: von Streisand bis Manilow. Und auch hier klingen die Fremden in der Nacht nicht nach knisternd italoamerikanischer Erotik, eher schon nach den eingeschlafenen Füßen. Maximal das Saxofon gegen Ende hin verschafft etwas Linderung.
Für Kenner legt Schneider zumindest in Teilen ein spannendes Album vor. Doch nach so vielen Jahren Zuckerguss wünscht man sich von der vielseitigen Sängerin für die Zukunft vor allem eines: Wieder etwas mehr Brooklyn und deutlich weniger Manhattan!
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