laut.de-Kritik
Die Supergroup ehrt die Toten und rockt die Lebenden.
Review von Ulf KubankeMit Supergroups ist es oft eine zweischneidige Angelegenheit. Die Palette reicht von brillant - Cream - bis hin zu verzichtbar - Prophets Of Rage/Chickenfoot. Die Hollywood Vampires alias Alice Cooper, Joe Perry (Aerosmith) und Johnny Depp nehmen bezüglich ihres Charismas auf der Skala eine Sonderposition ein. Dies gilt nicht durchgehend für ihr zweites Album "Rise".
Das Grundgerüst bleibt erhalten: Man ehrt die Toten und rockt die Lebenden. Dabei entwickelt sich ihr Konzept zur echten Band: Gab es auf dem Erstling fast ausschließlich Coverversionen verstorbener Musiker, schält sich nunmehr eine eigene Identität heraus. Außer drei Fremdkompositionen stammen sämtliche Tracks von Cooper/Perry/Depp; teilweise ergänzt durch Co-Songwriter Tommy Henriksen, der auch den Produzenten-Stuhl besetzt.
Henriksen ist hörbar kein Bob Ezrin, verfügt gleichwohl über eigene Qualitäten, die der Hardrock-Gemeinde munden. Als Bassist des Warlock-Juwels "Triumph And Agony" von 1987 hat er genug Know-How zu bieten, um vom Mötley Crüe-Fan bis zum Ozzymaniac sämtliche Vorlieben zu bedienen. Das gelingt ihm mit dem offensiven Inszenieren rauen Sounds, der zwischen klassischem Hardrock und ebensolchem Heavy Metal wandert.
Die durchweg sympathische Ausstrahlung der Akteure trägt ihren Teil bei. Man spürt ihre pure Lust am Musizieren in jeder Sekunde. Keiner der drei Tinseltown-Blutsauger arbeitet hier fürs Konto, keiner muss die eigene Credibility polieren. Alle agieren aus schierer Freude. Das merkt man auch den mitunter augenzwinkernden Texten an. Wenn Onkel Alice typische Kneipenmetalmachos karikiert ("Welcome to Bushwackers") oder sein Godfather of Bühnenhorror-Image auf die Schippe nimmt, weil der Möchtegern-Schocker weder Maske noch Eier hat ("The Boogieman Surprise"), kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen.
Die oft ausgelassen verschmirgelte Gitarre Perrys samt Depps knochigem Bass machen durchaus Laune. Besonders Johnnys hie und da eingestreuten Backingvocals erzeugen einen eleganten Gegenpol zu den ledrigen Organen seiner beiden Kumpane. Auf der löblichen Bowie-Hommage "Heroes" liefert er als Leadsänger eine hochgradig emotionale Vorstellung ab. Von den vielen "Heroes"-Covern ist dies die wohl einzige Version, die Bowie in Würde und Ausdruck nahe kommt. Große Leistung, umso mehr, als das ein extrem schwer zu singender Song ist.
Auch die beiden anderen Nachrufe schlagen positiv zu Buche. Jim Carrol kennen die meisten vom Biopic "Jim Carrol - In Den Straßen Von New York". Das dort gespielte "People Who Died" wirkt ähnlich stimmig, wie die vor allem durch den in whiskey getränkten Perry glänzende Johnny Thunders-Nummer "You Can't Put Your Arms Around A Memory".
Kurze Zwischenschübe wie "The Wrong Bandage", "Good People Are Hard To Find" oder "How Glass Fell" erinnern angenehm an die gruselige Soundtrack-Intensität von Coopers "Dada" oder "Welcome To My Nightmare". Doch genau hierin liegt der Wermutstropfen: Das wäre die Mission der Hauptlieder gewesen.
Stattdessen verlieren sich etliche Stücke qualitativ im Niemandsland zwischen Cooper-Outtake ("New Threat") und Aerosmith-Papierkorb ("Git From Round Me"). Wohlwollend macht man anfangs den zunächst schmissigen, jedoch ermüdend langen Opener "I Want My Now" plus "Who's Laughing Now" als launigen Einstieg aus. Danach zündet zunächst kaum eine eigene Melodie. Daran ändern auch Edelgäste wie Jeff Beck oder John Waters nichts, deren Auftritt in "Welcome To Bushwackers" nicht verhehlen kann, welch unsäglich abgedroschene Stangenware diese Country-Rock-Schabracke auftischt.
Im Endspurt macht das Trio einigen Boden gut. "We Gotta Rise" veralbert die unsympathische "America First!"-Doktrin mit Alice in der Rolle des Präsidenten. Das in gut abgehangene Sozialkritik gebundene "Congratulations" überzeugt mit attraktivem Akustik-Arrangement. Als bester Song geht "Mr. Spider" durchs Ziel. Cooper war und ist immer dann besonders gut, so man sein Talent zu düsteren Semiballaden herauskitzelt. Hier gelingt es. "Darkness for me is all I know...I'm gonna eat you alive."
Noch keine Kommentare