laut.de-Biographie
Alice Cooper
"Alice ist die letzte Hoffnung für das Varieté", urteilte einst der legendäre Groucho Marx nach dem Besuch einer Alice Cooper-Show.
Wer den Schockrock eines Marilyn Manson oder exaltierte Bühnenshows diverser Metal-Bands für neu oder originell hält, sollte einmal einen Blick in die Vergangenheit werfen. Künstliches Blut, gruselige Effekte oder schnöde Schlangen gehen nämlich auf einen Herrn zurück, der im bürgerlichen Leben als Vincent Damon Furnier durch die Welt spaziert. Der Name Alice Cooper ist zu Beginn lediglich ein Bandname, den Vincent nach dem Split der ersten Formation der Alice Cooper-Gruppe einfach für sich und seine Solo-Karriere adaptiert.
Geboren wird er am 4. Februar 1948 in Detroit in Michigan als Sohn eines evangelischen Pfarrers. Nach seiner Schulzeit an der Cortez High School in Arizona studiert er an der Kunstakademie, wo er Bilder mit düsterer Atmosphäre malt, obwohl er nach eigenen Aussagen doch eher eine Frohnatur ist. Ehe er seine drunkle Seite zur Profession macht, verlebt er eine typische amerikanische Jugend.
In den frühen Sechzigern gründet er seine erste Band namens Earwigs. 1965 benennen sie sich in The Spiders um und spielen auch ab und an als The Nazz in Clubs. Diese Formation nimmt ein paar Singles auf, die sie in Arizona zu lokalen Halb-Prominenten machen. 1966 erfolgt die Geburt der Band, die sich Alice Cooper nennt.
Legenden zufolge hat Furnier den Namen von einer Frau gleichen Namens, die im 17. Jahrhundert als Hexe auf dem Scheiterhaufen endete und deren Reinkarnation er angeblich sein soll. Die Combo zieht nach Kalifornien. Dort treffen sie Frank Zappa, der die Gruppe als "die schlechteste Band LAs" bezeichnet und sie folgerichtig für sein Label Straight Records unter Vertrag nimmt.
Das erste Album "Pretties For You" erscheint 1969, "Easy Action" folgt ein Jahr später, aber kein Schwein interessiert sich für Alice Cooper. Nach erfolglosen Touren beenden Zappa und die Band ihre Zusammenarbeit. Um nicht in Vergessenheit zu geraten, ziehen sie wieder in Vincents Heimatstadt Detroit und hausen dort einige Zeit zusammen auf engstem Raum in einem Hotelzimmer.
Ein gewisser Bob Ezrin, der später Megastars wie Kiss, Pink Floyd, Peter Gabriel, Aerosmith und Rod Steward produziert, wird auf die Band aufmerksam. Die seltsamen Kostüme, die sie auf der Bühne tragen, sowie ihr aggressives Auftreten reizen ihn. Unter seiner Regie spielen sie 1971 das Album "Love It To Death" ein, und endlich klappts auch mit den Charts. Der Sound gerät heavier und kompromissloser. Die Scheibe geht in Großbritannien und den USA in die Top 20, ebenso die Single "I'm Eighteen".
Der Erfolg ermöglicht es der Band, auf ihre Bühnenshow noch ein paar Pfund drauf zu packen. Ab jetzt rollen Köpfe, schlängeln Boa Constrictors um die Wette, sorgen Monster und Riesenspinnen für Nervenkitzel. Vor allem die rituelle Bühnen-Selbsttötung Coopers erregt die Aufmerksamkeit des Establishments, das in Alice Cooper eine Gefährdung der Jugend sieht.
Bessere Promo kann sich ein Musiker nicht wünschen, und so flutscht es jetzt erst richtig. Dem im gleichen Jahr erscheinenden und vergoldeten "Killer" folgt "School's Out", das den internationalen Durchbruch der Band markiert. Mit der gleichnamigen Single landen sie in Großbritannien ihre erste Nummer eins, und auch in den Staaten räumen sie ab.
Alice Cooper sind mittlerweile Garanten für Hits. Nach dem Album "Muscle Of Love" löst sich die Band jedoch auf. Vincent nutzt die Tatsache, dass jeder in den Staaten nach Gutdünken seinen Namen ändern kann, und nimmt das vorherige Bühnenpseudonym als offiziellen Namen an.
1974 gerät Alice ungewollt in die Schlagzeilen, nachdem ein Fan einen seiner Bühnentricks nachstellt und dabei umkommt. Mit neuen Mitmusikern nimmt Cooper 1975 "Welcome To My Nightmare" auf. Die Platte markiert vorerst den letzten kreativen Höhepunkt, danach geht es bergab. Die Popularität sinkt entgegengesetzt proportional zum steigenden Alkoholkonsum. Die opulenten Bühnenshows dienen dabei nur noch dazu, die fehlenden Ideen zu übertünchen.
Es dauert jedoch noch bis 1978, ehe er sich dazu entschließt, auf Entzug zu gehen. Die Erfahrungen in der Anstalt finden auf dem im selben Jahr auf den Markt kommenden "From The Inside" ihre musikalische Verarbeitung. Später beschreibt Cooper in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, wie er seinen Freunden Morrison, Hendrix und Joplin beim Sterben zugesehen habe. Dabei habe er gelernt: "Halte dich von Alice Cooper fern. Du bist nicht Alice Cooper! (...) Vor 26 Jahren reichte es mir, ich zog einen klaren Trennungsstrich zwischen der Bühnenfigur Alice und mir."
Mittlerweile gilt Cooper als Anachronismus, der den Zug verpasst zu haben scheint. Lediglich in der Punk-Szene findet er noch Anhänger. Bevor er die Flinte jedoch ganz ins Korn wirft, legt er eine Pause ein und sammelt neue Kraft. 1986 steigt Alice wieder aus der medialen Versenkung auf. Gemeinsam mit Gitarren-Muskelberg Kane Roberts kehrt der mittlerweile als Kultstar geltende Cooper auf die internationale Bühne zurück. Die Rückkehr erleichtert ihm die Single-Auskopplung "He's Back (The Man Behind The Mask)", die im sechsten Teil von "Freitag der 13." als Titellied zu hören ist.
Insgesamt vier Hitsingles wirft die Scheibe ab, und Alice steht wieder mittendrin im Zirkus. Für die Tour des ebenfalls erfolgreichen "Raise Your Fists And Yell" investiert er über 100.000 Dollar, um eine spektakuläre Performance zu bieten. Headliner-Gigs auf Festivals sind der Lohn der Arbeit. Cooper spielt jetzt vor einer neuen Generation von Fans, die zum großen Teil noch nicht geboren waren, als er seine ersten Meriten einfuhr.
Den kommerziellen Höhenpunkt seines Comebacks erreicht er jedoch erst 1989. Zusammen mit Hitgarant Desmond Child schreibt er an "Trash". Auf dem Album ist zahlreiche Prominenz zu Gast, wie zum Beispiel Jon Bon Jovi, Steven Tyler und Joe Perry. Zum ersten Mal seit 1977 platziert Cooper sich in den Top Ten.
Beim 94er Output "The Last Temptation" wendet sich Alice zeitweise vom Mainstream-Hardrock der vorigen Platten ab. Mit einem Marvel-Comic, der der Erstauflage beiliegt, überzeugt der Rundling nicht nur musikalisch. Mit dem Doppelpack "Brutal Planet" und "Dragon Town" packt er die Industrial-Keule aus. In ungewohnt deftige Klänge kleiden sich die pessimistisch bis apokalyptisch gehaltenen Lyrics des Masters Of Horror.
Die wieder eher Rock'n'Roll-lastigen Alben der folgenden Jahre verkaufen sich nicht mehr so gut, doch seine Anhängerschaft bleibt ihm treu und seine Liveshows ein Erlebnis. Der Meister gibt sich dennoch bescheiden: "Sämtliche Zaubertricks, die Sie auf der Bühne sehen, sind uralt und werden nur immer wieder neu inszeniert. Eins ist dabei wichtig: Man muss es mit toller Musik verstärken. Ohne die Musik wären wir nur ein Kasperletheater."
Ein paar neue Ideen zur Provokation hat er dennoch im Gepäck. So erregt er 2001 deutschlandweit Aufsehen, als er auf der Bühne ein Britney Spears-Double hinrichtet, mit der folgenden Erklärung: "Sie repräsentiert alles, was mein Publikum hasst, den Tod von Rock'n'Roll durch totales Aufweichen!"
2006 etabliert der Gruselrocker eine eigene Radioshowreihe mit dem Titel "Nights With Alice Cooper". Er plaudert über sein Leben, erzählt Anekdoten und interviewt Rockmusiker. Zwei Jahre später feiert er mit " Along Came A Spider" sein 25. Album. Berühmte Hardrock-Kollegen wie Slash und Ozzy Osbourne tauchen als Gäste auf. Stilistisch verabschiedet er sich von den Heavy Metal-Anleihen der vergangenen Jahre und besinnt sich wieder mehr auf seine 70er Jahre Wurzeln.
Desgleichen erscheint seine Autobiographie "Golfmonster" in Buchform. Hier beschreibt er ohne Beschönigung seinen überwundenen Alkoholismus und die Verlagerung seiner Sucht auf das Golfspiel. 2011 greift Alice seine Steven-Figur aus den 70er-Jahren für das Album "Welcome II My Nightmare" wieder auf. Im selben Jahr zieht er in die Rock and Roll Hall of Fame ein. Sein Laudator: Rob Zombie.
2012 spielt Alice Cooper sich in Tim Burtons Film "Dark Shadows" selbst, an der Seite von unter anderem Johnny Depp. Zwei Jahre später erscheint zudem ein kanadischer Dokumentarfilm ("Super Duper Alice Cooper"), und er kündigt den Supportslot für die Abschiedstour von Mötley Crüe an. Doch ein Alice setzt eben immer einen drauf: 2015 gründet er mit Johnny Depp und Joe Perry die Supergroup Hollywood Vampires.
Mit denen geht er 2016 auf eine ausgedehnte Welttournee. Die Band veröffentlicht mit "The Hollywood Vampires" und "Rise" zwei Alben. Ihren Auftritt bei Rock In Rio im Jahr 2015 halten sie 2023 auf "Live In Rio" fest.
Neues Studiomaterial von Alice Cooper solo gibt es Anfang 2021 unter dem Titel "Detroit Stories". Zwei Jahre später legt er mit "Road" im August 2023 sein mittlerweile 22. Solowerk nach.
2 Kommentare mit einer Antwort
Klasse Doku heute auf Arte!
Deshalb noch ein bischen hier rumgestöbert. Tolle Bio, logische Meilensteinwahl und zwei schöne Interviews!
ps kleiner Vertipper in der Bio
Schade das er ab den 80er Jahren austauschbaren Metal gemacht hat. In den 70er Jahren hatte er diesen unverwechselbaren Sound. Aber vor allem seine Band war großartig. Vor allem waren da auch fantastische Komponisten dabei. Dennis Dunnaway am Bass, Neil Smith an den Drums, Michael Bruce und Glen Buxton als Gitarristen. Und live waren sie einfach genial.