laut.de-Kritik
Punk, Noise, Psychedelic, Shoegaze und Krautrock.
Review von Andreas DittmannDas ging ja fix: Knapp ein Jahr nach ihrem Debütalbum "Pearl Mystic" veröffentlichen die Hookworms schon ihr nächstes. Arg kritische Menschen könnten nun argwöhnen: Ein Schnellschuss, um noch die gute Presse des Debüts zu nutzen? Eine platte Kopie des Vorgängers, wie so oft bei Alben, die zu schnell veröffentlicht werden? Oder gar eine nervige Verkaufsstrategie im Stile von "Mezmerize"/"Hypnotize"?
Das sind bei näherer Betrachtung ziemlich unfaire Vorwürfe, die weit übers Ziel hinausschießen. Allerdings gibt es tatsächlich einige Gemeinsamkeiten zwischen den Alben: Wie "Pearl Mystic" hat "The Hum" neun Songs, drei davon ("i" bis "iii" bzw. "iv" bis "vi") bestehen in erster Linie aus wabernden Feedbackgeräuschen. Kurz: Jedes Album hat sechs Songs. Beide Platten gehen in eine sehr eigenwillige Richtung und kombinieren Shoegaze mit Krautrock, Noise und Punkrock. Allerdings klingt "The Hum" trotz aller Ähnlichkeiten anders als sein Vorgänger, hat ein anderes Gefühl.
"The Hum" beginnt mit einem kurzen, knackigen Punksong, der nicht mal drei Minuten aus den Boxen scheppert. "The Impasse" erinnert mit seinem simplen Riff und versteckten Gitarrenmelodien an Fucked Up. Das Geschrammel löst sich am Ende in einem fusseligem Noise-Chaos auf, das direkt in das groovende "On Leaving" übergeht. Die Hookworms lieben solche Übergänge, lassen ihre Songideen in Feedback-Schichten untergehen. Die drei erwähnten Instrumental-Songs sind bezeichnend dafür.
In "Radio Tokyo" klingt die Band dann plötzlich rockig wie The Who, "Beginners" dagegen tänzelt leichtfüßig im Shoegaze. Gerade die ruhigeren Songs wie "Beginners", "On Leaving" oder "On Screen" sind herrlich dynamisch geraten. Wie ein Uhrwerk arbeiten sich Drums und Bass am immer gleichen Beat ab, lassen ihn anschwellen oder wieder zurückfahren. Die Songstrukturen erhalten enorm viel Zeit zur Entfaltung. So fällt es im ersten Moment oft gar nicht auf, wie sich ein Beat verschiebt, eine zweite Gitarre, Keyboardmelodien oder flirrende Elektronik dazukommen. Alles schleicht sich geschickt rein und beansprucht erst nach und nach seinen Platz.
Das Erstaunlichste daran ist, dass die Hookworms damit nicht langweilen, sondern permanent Spannung aufbauen und den Gesang sehr prominent platzieren. Sänger MJ klingt wie eine Mischung aus dem kleinen blonden Blood Brothers-Sänger und Damon Albarn: Manchmal hysterisch quietschend, dann wieder ruhig und entspannt – aber immer mit viel Hall auf der Stimme. Das kann man recht nervig finden, aber man gewöhnt sich eigentlich fix daran.
Bei ihrer musikalischen Ausrichtung sind die Hookworms einerseits erstaunlich vielseitig, mögen es gerne punkig, noisig und gerne auch mal psychedelisch rockig, haben aber wie erwähnt auch ein Faible für ruhige Ambient-Momente. Man denkt an Garagen Rock, DC Hardcore, Fugazi, Fucked Up, The Who, LCD Soundsystem, The Stooges oder auch The Doors. Andererseits ist das Gesamtbild von "The Hum" ein sehr konsistentes, was vermutlich an ihrer Liebe zum wabernden Feedback liegt, das irgendwie alles miteinander verbindet. Und natürlich an ihrem Händchen für sich langsam entwickelnde Songstrukturen. Erstaunlicherweise hört die Platte aber nicht mit einem ausladenden und befreiendem Noise-Gewitter auf, wie man das erwarten könnte, sondern ziemlich abrupt. Zack und Schluss. Ein spannendes Album. Unbedingt öfter anhören.
Noch keine Kommentare