laut.de-Kritik

Auf dem Spielmannsthron liegen sieben Kissen.

Review von

Mit "Kunstraub" wurden nicht alle warm. Weg waren die alten Texte, teilweise zu gefällig und mainstreamorientiert die Strukturen. So mancher schrie "Tote Hosen".

Mit "Quid Pro Quo" marschieren In Extremo in keine dieser Richtungen weiter: Das Letzte Einhorn singt auf Estnisch, Russisch und Walisisch, einige der metallischsten Parts der Bandgeschichte finden ihren Weg auf die Platte — ebenso einige der progressivsten. Fazit: auf dem Spielmannsthron liegen noch immer sieben Kissen.

Los geht es relativ typisch mit "Störtebeker", "Roter Stern" und "Quid Pro Quo". Die Refrains bleiben sofort hängen, Hansi Kürsch gibt im Russlandlied "Roter Stern" sein Deutschdebüt, außerdem verfügt der Song über einen herrlichen Melodienpart. Der Titeltrack ist ein zynischer Abgesang auf die geld- und giergesteuerte Gesellschaft. Aggressive Gitarren und ein mystisches Keyboard prägen neben Michas Staccatogesang das Bild.

Guter Anfang, jedoch nichts im Vergleich zum nachfolgenden Dreierpack. "Pikse Palve" legt akustisch los, ganz im Stil eines "Herr Mannelig". Das estnische Donnergebet zeigt In Extremo zunächst von ihrer besten Folk-Seite, dreht die Tanz- und Groove-Schraube gehörig an und entfesselt dank spät einsetzendem Schlagzeug und E-Gitarren den Donner schließlich noch wirklich. Wenn das kein Live-Hit wird, muss das Publikum schon ziemlich dröge drauf sein.

Ganz anders dann "Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein": Wo "Pikse Palve" eben noch kurze, knackige Parolen skandierte herrscht nun lyrische Tiefe, und Eingängigkeit sucht man erst einmal vergeblich. Die kommt zwar mit wachsender Durchlaufzahl, zunächst entpuppt sich die Nummer jedoch als recht sperrig und sehr progressiv. Detailreich hangelt sich die Band am vielschichtigen Arrangement entlang, serviert rhythmisch wie melodisch einige Schmankerl. Dazu darf die siebenjährige Produzententochter gemeinsam mit ihrer Cousine ans Mikro, bevor das Sirenensignal zum finalen Thrash-Abriss ertönt. Hat man das Stück einmal durchschaut, steht einer Verordnung als Hymne nichts mehr im Weg.

Als solche würde man "Flaschenteufel" trotz "Wohoo"-Refrain wohl nicht bezeichnen. Zu räudig kommt dieses Brett daher. Gewürzt mit Orientharmonien, Handtrommel und einem ziemlich angepissten Molle (Heaven Shall Burn) gelingt den sieben Köchen hier eine Überraschung nicht nur innerhalb des neuen Albums, sondern ihrer ganzen Diskographie. Oder hätte von euch jemand ernsthaft Metalcore-Shouts auf einer In Extremo-Platte erwartet?

Schock überwunden, zurück in gewohntes Gebiet. Der Mittelalterfan soll schließlich nicht zu kurz kommen. Da ist die Vertonung einer altwalisischen Waise ("Dacw 'Nghariad") genau das Richtige. "Tw rym di ro rym di radl didl dal", dazu ein paar Rammstein-Grooves aus dem Hause Specki, nicht zu vergessen die Bläser, die sich hier richtig austoben. Noch jemand Fragen, wie Mittelaltermetal zu klingen hat?

Die Wamsfraktion spielt auch im folgenden "Moonshiner" eine entscheidende Rolle. Den roten Faden durchs Stück spinnt ein Dudelsack, zu dem sich schwere Klavierakkorde und Dr. Pymontes Harfe gesellen. Von dort aus ziehen Van Lange und Micha den Song zur Powerballade hoch, die nicht zuletzt dank des melancholischen Texts erfreulich unkitschig bleibt.

Das kann man von "Sternhagelvoll" zwar nicht gerade behaupten, bei den proklamierten zwei, drei oder vier Promille "über Soll" verzeiht man das aber gern. Zumal Textzeilen à la "Draußen mein Name gelb im Schnee" selbst nüchtern schon einen Schmunzler wecken. So bleibt das Abschlusstrio (komplettiert durch das straighte "Glück Auf Erden" und das mit russischem Kosakenchor vorgetragene "Черный ворон (Schwarzer Rabe)") im Albumverbund zwar am umspektakulärsten, findet aber einen versöhnlichen Abschluss, frei von Peinlichkeit.

Wer dann immer noch ein, zwei heben möchte, freut sich in der Bonussektion unter anderem über "Palästinalied 2". Alternativ lässt man einfach "Pikse Palve" in Endlosschleife laufen. Wie man sich entscheidet: für Geld gibt's nicht nur Wasser, Brot, Drogen, Nutten und Suff ("Quid Pro Quo"), sondern auch das zwölfte In Extremo-Album. Und zumindest das ist seines definitiv wert. "Quid Pro Quo" vereint alles, was In Extremo ausmacht, scheut gleichzeitig nicht vor Experimenten zurück und präsentiert die Spielmänner in absoluter Höchstform.

Trackliste

  1. 1. Störtebeker
  2. 2. Roter Stern
  3. 3. Quid Pro Quo
  4. 4. Pikse Palve
  5. 5. Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein
  6. 6. Flaschenteufel
  7. 7. Dacw 'Nghariad
  8. 8. Moonshiner
  9. 9. Glück Auf Erden
  10. 10. Черный ворон (Schwarzer Rabe)
  11. 11. Sternhagelvoll

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LAUT.DE-PORTRÄT In Extremo

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5 Kommentare mit 27 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Ich mag nur Herr Mannelig. Und das liegt auch nur an Gothic 1.
    Sonst geht Mittelaltermusik mal gar nicht. Nicht auf Englisch und auch nicht auf Deutsch.
    Auf Deutsch ist das sogar noch ne Ecke schlimmer :D

  • Vor 7 Jahren

    Na endlich !
    Da werde ich heute gleich mal reinhören :)
    Und egal wie die Reaktion sein wird:
    Live sind "In Extremo" immer ein Erlebnis

    • Vor 7 Jahren

      ja, Helene Fischer und Die Höhner auch...
      grauenhafter Schlagerrock

    • Vor 7 Jahren

      Das Folkrock Bashing ist doch jetzt langsam echt ausgelutscht. Zumal In Extremo im zugegeben sehr innovationsarmen Genre mit jedem Album immer wieder überraschen. Und die Kompositionen sind weitaus cleverer, als das Schlagergedöns von Frau Fischer. Von leichtem Thrash, über Folkrock, eine Prise Rammstein bis hin zu melodischen Instrumentals. Die Texte sind ebenfalls weniger peinlich als bei Frau Fischer. Kann den Unmut somit nicht nachvollziehen

    • Vor 7 Jahren

      Wacken 2015:

      https://www.youtube.com/watch?v=_2zkPrCdj_E

      Die Musik ist so stumpf und so variationsarm, da hilft auch das Schalmeigedudel nicht mehr. Die peinlichen Ansagen tun ihr Übriges...

    • Vor 7 Jahren

      Mittelalterliche Instrumente, E-Gitarren und manchmal traditionelle Texte......ja, das fällt auch unter Folkrock. Und ich war selbst oft genug bei Konzerten dabei, darum brauche ich kein Video um zu wissen wie gut die Stimmung dort ist. Und stumpf ist die Musik bei Weitem nicht, aber gut. Manche definieren gute Musik wohl nur über intellektuelle Texte und gewagte Musikexperimente . "In Extremo" stehen fuer freiheit und Lebensfreude und genau das transportiert die Musik, die zum Glück noch nicht so steril produziert ist wie eine "Santiano" C

    • Vor 7 Jahren

      ich würde es zwar eher unter kolossale scheisse abheften, aber es ist deine meinung und die darfst du ja auch haben

    • Vor 7 Jahren

      @Mysterious Mach bloß nicht den Fehler und versuche mit den hier versammelten "Musikexperten" diskutieren zu wollen! Hier hört ohnehin nur jeder was er hören will. Im übrigen ist mir kaum ein Forum bekannt, wo derartig wenige konstruktive Diskussionen stattfinden! Immer wenn so eine entstehen zu droht, finden sich einige ein, die sich bemüßigt fühlen, ihre (natürlich einzig richtige) Meinung mit der Schubkarre zu verteilen. Ungehört 1/5 - ja genau...:-)

    • Vor 7 Jahren

      Die Nähe zum Schlager ist ja durchaus nicht von der Hand zu weisen in manchen Liedern auf den älteren Alben. "Quid Pro Quo" geht aber zum Glück wieder härtere Wege und das Songwriting ist wirklich einwandfrei. Ich bin nunmal auch ein Fan von mittelalterlichen Instrumenten, da sie auch ein Teil unseres Kulturgutes sind und wenn diese Kulturgüter in moderne Rockarrangements eingefügt werden, dann ist es doch schön zu sehen, dass diese Melange so hervorragend funktioniert. Und ebenfalls zugeben muss man, dass in diesem Genre seit Jahren nicht wirklich viel kreativer Output kam. "Saltatio Mortis" haben ihre Folkwurzeln zugunsten einer punkigen Ausrichtung aufgegeben, "Schandmaul" war schon immer arg kitschig und ansonsten ist nicht mehr viel los. Es gibt noch einige kleinere Bands wie Nachtgeschrei, die dem Genre wieder frischen Wind in die Segeln hauchen, aber im Großen und Ganzen stagniert es. "Tanzwut" finde ich da immer noch ein sehr positives Beispiel, da sie Elektrosounds mit den Folkinstrumenten mischen. In eine ähnliche Richtung schlägt auch "Fiolka", dort fehlen mir aber noch ein wenig die Ohrwürmer. Nachdem also nicht ganz so viel los ist im Genre, muss man es "In Extremo" eben tatsächlich hoch anrechnen, dass sie seit 25 Jahren immer sehr abwechslungsreiche Alben produziert haben. Vom kantigen und rauen Mittelaltermarkt Gedüdel, bis hin zum stadiontauglichen Folkrock. Deutsche Texte, Gälische Folkslieder, lateinische Texte, altdeutsche Erzählungen.....Das sind Dinge, die die Vergangenheit aufleben lassen. Songs wie "Liam" oder auch "Herr Mannelig" sind auch heute deswegen noch zurecht Kult. Zudem sind wie bereits erwähnt die Auftritte der Band wirklich legendär. Ausgefeilte Bühnenbilder, wunderbare Pyrotechnikeinlagen, abwechslungsreiche Songauswahl, kreative Live-Arrangements und vor allem Micha Rheins unvergleichliche raue Stimme.

    • Vor 7 Jahren

      @Beltane
      Wieso müsst ihr eigentlich immer rumweinen, wenn andere Leute eure Musik scheiße finden? Ihr könnt das doch gut finden, mich interessiert das nämlich nen Rattenarsch, was diese Kapelle vom Stapel lässt. Und die Sache mit den "ungehört 1/5" ist ein Running-Gag den nur ihr Korinthenkacker nicht versteht. (Häufiger als man glaubt sind die allerdings berechtigt) Ihr könnt meinetwegen auch Tool scheiße finden, deswegen hör ich doch nicht auf, die zu hören, nur weil ihr die kacke findet.
      @
      Mysterious
      dein Post war mir zu lang und die Band zu irrelevant als das ich den lesen würde.
      Achja ungehört 1/5 sollte klar sein.

    • Vor 7 Jahren

      InEx geht klar. Keine Ahnung warum, aber die machen live wirklich Spaß. Auch wenn ich diese ganzen Mitmach-Spiele bei denen wie bei allen anderen MA-Combos verachte.

      Hirn aus, einen bechern, Vollmond mitgröhlen. Ich kanns.

    • Vor 7 Jahren

      2/5, da Gothic 1 Bonus für immer und ewig +1. :D

    • Vor 7 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 7 Jahren

      Also nochmal...
      @moodycurmudgeon Das ist nicht einmal meine Musik! Es geht um das Prinzip! Ich höre Prog und Metal

    • Vor 7 Jahren

      Und Beleidigungen, wie Korinthenkacker scheinen dieses "Forum" auszumachen...

    • Vor 7 Jahren

      Welches Prinzip? Das man tatsächlich alles elaboriert begründet warum man etwas scheiße findet? Ernsthaft? Manche Sachen sind's einfach nicht wert. Du kommst gerade so rüber, wie jemand der auf Biegen und Brechen politische Korrektheit verwendet, nur um nirgends anzuecken. Ich kenne auch solche Leute. Viele davon sind Sozialpädagogen. Immer diese geheuchelte Anteilnahme und Moralapostelscheiße. Widerlich.

      Aber schön, dass wir darüber gesprochen haben.

    • Vor 7 Jahren

      Deutsche Musik wird hier schon immmer mies bewertet. 6/8 von mir

    • Vor 7 Jahren

      Mal ganz davon abgesehen davon, dass hier am laufenden Band konstruktive Diskussionen über Musik stattfinden.

    • Vor 7 Jahren

      Das ist trve wie Schwarzmetall.

    • Vor 7 Jahren

      @Moody : Dein Post hatte mir zu wenig Inhalt, darum wird er ignoriert und das
      "Ungehört 1/5" war mal witzig. Da ist langsam die Zeit fuer was Neues und weniger Lächerliches gekommen.

    • Vor 7 Jahren

      "Ich kenne auch solche Leute. Viele davon sind Sozialpädagogen. Immer diese geheuchelte Anteilnahme und Moralapostelscheiße. Widerlich."

      Sieh mal an. Dieser übertriebene Hass wirkt in keiner Weise lächerlich und/oder pubertär.

    • Vor 7 Jahren

      @moodycurmudgeon Nö, kein Sozialpädagoge aber Naturwissenschaftler mit einigen Titeln ;-P
      Vielleicht stehe ich deshalb so auf Begründungen ;-)
      Einfach mal "ist scheiße" zu sagen, ist mir eben zu wenig und, nebenbei, auch viel zu einfach! Aber manche machen es sich eben leicht... Was das ganze aber mit politischer Korrektheit zu tun erschließt sich mir leider nicht. Und wenn es so ist, dass manche Sachen es nicht wert sind begründet zu werden, wie wäre es dann, wenn man in solchen Fällen einfach mal den Mund hält?

    • Vor 7 Jahren

      Das wär ja NOCH einfacher. Außerdem sind wir hier im Internet. Also solltest du den Stock mal aus dem Arsch ziehen und nicht alles im Internet hinterfragen, weil manche Leute nur trollen.

      In Zukunft antworte ich auch nicht mehr auf deine Posts. Du kommst nämlich in den kleinen Topf mit speedi und mikethebike.

      Die können im Gegensatz zu dir keinen vernünftigen Satz schreiben, aber irgendwie bist du genauso nervig wie die beiden.

    • Vor 7 Jahren

      "In Zukunft antworte ich auch nicht mehr auf deine Posts."

      Vielleicht kannst du diesen integeren Grundsatz auf die gesamte Community ausweiten.

    • Vor 7 Jahren

      Ach nö, lass mal. Ich komm hier auch so gut zurecht.

    • Vor 7 Jahren

      "Außerdem sind wir hier im Internet..." Ach ja, und DAS reicht um Beleidigungen und inhaltloses Gelabere zu rechtfertigen? Das scheint überhaupt das größte Problem des Internets zu sein: Es bietet eine Plattform, die es jedem, aber auch wirklich jedem ermöglicht seine Meinung laut kundzutun, sei sie auch noch so unfundiert und krude! Und den Stock lasse ich drin! Einen billigeren Buttplug kann ich mich vorstellen! :-)

  • Vor 7 Jahren

    Was werden hier denn teilweise für Kommentare geschrieben? Ist ja unfassbar..

    Werde mir die Scheibe die nächsten Tage zulegen. Die Review macht jedenfalls richtig Vorfreude drauf!

  • Vor 7 Jahren

    Nach "Sängerkrieg" endlich wieder ein gutes Album!