laut.de-Kritik

Die Mainstream-Maschine ist perfekt geschmiert.

Review von

James Blunt gab vor zwei Jahren Rätsel auf. Wer war dieser Mann, der aus dem Radio einer Zufallsbekanntschaft so herzzerreißend "You're Beautiful" hinterher rief? Ein Singer/Songwriter, der an die Oberfläche des Mainstreams gespült wurde? Oder doch ein klampfender Marketingcoup in Form eines geläuterten Ex-Soldaten?

Irgendwann hatten sich die Blunt'schen Melodien im Radio abgeschliffen und er war als der gutaussehende singende Schwiegersohn abgestempelt. Nun erfreut Blunt die Muttis mit seinem Zweitling "All The Lost Souls" und stürzt deren Kinder erneut in einen tiefen Zwiespalt.

Die Erfolgsformel für Balladen, Gitarre und Klavier garantiert auch heuer in jedem Song wieder die typisch schmachtende Grundlage. Auch jene weinerliche Stimme, mit der Blunt nicht wenige potentielle Hörer schon im Vorhinein vertreibt, ist natürlich geblieben. Wers mag, bekommt feinste Blunt-Kost serviert.

Die Single "1973" behandelt in lässigem, an Maroon 5 erinnernden Rhythmus die leider platte Botschaft, sich selbst nicht in der Vergangenheit gefangen zu halten. "Shine On" ist eine leichte Klavier- und Gitarrenballade, während "Give Me Some Love" sich zu einem zunächst trostlos eingängigen Midtempostück entwickelt, dessen erste Zeilen es im schlechteren Sinne voll treffen: "Me and my guitar play my way".

Der Refraintext hält dann ein wenig dagegen: "I've taken ship load of drugs (…) Valium said to me I'll take you seriously", und ein leicht jazziger Klavierlauf sowie eine "Hey Jude"-Beatles-Bridge versöhnen.

Und so bleibt auch beim restlichen Album ausschließlich der Text, der vermuten lässt, dass es sich James Blunt nicht so ganz einfach macht. Wo Anspielungen an den Drogenkonsum noch als simple Provokation durchgehen, gerät "Same Mistake" bereits komplexer. Natürlich gibts hier den üblichen, nach Größerem strebenden Refrain und ein gruselig countryesker Gitarreneffekt.

"Give me reason, but dont give me choice" kommt allerdings als so radikale Selbsteinschätzung daher, dass es den Lyric-Mainstream womöglich etwas schaudern könnte. Wer lässt sich schon freiwillig die Entscheidungsfreiheit nehmen, außer ein wirklich Verzweifelter? Auch "One Of The Brightest Stars" und "Annie" bilden einen gewissen Kontrast.

In ersterem finden wir zu schöner Melodie den gängigen Text vom schwierigen Leben eines Stars. Gerne bespricht der auch nur halbwegs reflektierte Musiker seinen Status in der Öffentlichkeit. Hinzu gesellt sich ein bieder zarter Refrain, in dem Mama den jungen Chris De Burgh vernehmen dürfte.

"Annie" packt das gleiche Eisen anders an. "You're a star that's just now going very far". Herr Blunt hat folgende Lösung parat: "And you'll be famous as you are cause I'll sing for you". Ganz umsonst verrichtet er diesen freundschaftlichen Dienst allerdings nicht: "Will you go down on me?" ("Wirst du mir einen blasen?").

Ähnlich funktioniert "I Can't Hear The Music. Das Slayer-Zitat "Billy's got himself a gun" ("Disorder") liegt hübsch eingebettet in einer glamourösen Klavier-Bridge. Dies sind die Stellen, bei denen man Blunt gerne mehr zutrauen möchte. In der oft zu wohligen Süße seiner Melodien steckt manchmal doch eine angenehm herbe und manchmal sogar derbe Note, die man beim oberflächlichem Hören gar nicht wahrnimmt. Sie geben ihm tatsächlich etwas von dem Alternative-Touch zurück, den er mehr und mehr verloren hat.

Nach wie vor besser geschmiert bleibt allerdings die Mainstream-Maschine. "Same Mistake" eignet sich eben auch hervorragend als Weihnachtsballade. Und vor lauter Glöckchengeklingel gehen die durchaus spannenden Texte schon wieder ein wenig unter.

Trackliste

  1. 1. 1973
  2. 2. One Of The Brightest Stars
  3. 3. I'll Take Everything
  4. 4. Same Mistake
  5. 5. Carry You Home
  6. 6. Give Me Some Love
  7. 7. I Really Want You
  8. 8. Shine On
  9. 9. Annie
  10. 10. I Can't Hear The Music

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34 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Well... bin nicht so der Blunt-Fan musste aber zugeben, dass das erste Album doch die eine oder andere Überraschung barg. Dieses jedoch ist wirklich Geplänkel in seichtem Gewässer. Und dann wird noch schamlos bei Elton John und Bowie abgekupfert und der Bee Gees Hit Run to Me, sowie Chris de Burgh's The Same Sun praktisch eins-zu-eins melodiös übernommen ohne dass das jemand gross stören würde.

    Das alles würde ja noch gehen, aber leider ist das Resultat zu seicht. Man würde dem James etwas mehr Ecken und Kanten gönnen, dann würde er auch weniger kritisiert. Sein nach eigenen Angaben wilder Lebensstil dringt einfach nicht durch, schade.

    Und a propos "junger Chris de Burgh und Mama". Da hat kennt wohl jemand seine ersten 4-5 LPs schlecht, denn simple Refrains findet man da wenig und der Abwechslungsreichtum ist dem Manne erst in den 80ern abhanden gekommen, aber hallo! Messt den Kerl nicht immer an Lady in Red und Missing You, Pink Floyd ist auch nicht nur The Wall und Bowie hat noch etwas mehr auf Lager als China Girl! Das musste mal gesagt werden.

  • Vor 17 Jahren

    spielt der jetzt nicht beim fc everton im tor :confused:

  • Vor 17 Jahren

    @Küsel (« AberFolk-Rock oder Folk-Pop ist eigentlich ein Text-zentriertes Genre. Also erwarte ich schon etwas im Stile von Cat Stevens, Dylan, Paul Simon oder Nick Drake - und der gute James ist hier noch meilenweit entfernt! »):

    ehrlich? sowas erwartest du von james blunt? hui...ich sehe den ganz anders, auch nicht als folk-pop-sänger. ich glaube für mich macht er am ehesten adult-pop, oder wie man das heute so nennt. mit dylan und co. kann er selbstverstänlich nicht mithalten, aber ich glaube diesen anspruch hat er auch gar nicht.

  • Vor 17 Jahren

    Immerhin kann er besser singen als Dylan. :)

  • Vor 17 Jahren

    Ein unspektakuläres Album. Wo Blunt drauf steht - ist Blunt drinnen. Ein Song wie der andere, selten so etwas monotones gehört.