laut.de-Kritik

Musikalische Botschaften aus einer anderen Zeit.

Review von

Auch nach fast einem halben Jahrhundert geht von der Diskrepanz zwischen dem netten Lächeln, den strahlenden Augen und der melancholischen, ruhigen Musik Taylors und seinem Leben eine eigenartige Faszination aus. Einerseits litt er an Depressionen, hing viele Jahre an der Nadel, trieb Joni Mitchell zur Verzweiflung (und inspirierte sie dadurch zu mehreren Song auf ihrem grandiosen Album "Blue") oder führte ein turbulente Ehe mit der Sängerin Carly Simon. Andererseits strahlt er auf der Bühne und auf seinen Alben wie kaum ein anderer Ruhe und Geborgenheit aus. Das ist wohl das Geheimnis seines unverminderten Erfolgs.

Dass es 13 Jahre gedauert hat, um ein Album mit neuen Songs aufzunehmen, lässt zwar aufhorchen, ist aber nicht wesentlich. Schließlich geht Taylor regelmäßig auf Tour und hat zwischenzeitlich auch ein Album mit Weihnachtsliedern und eines mit Cover-Versionen herausgebracht. Ein Comeback im eigentlichen Sinne ist es also nicht.

Dass er 47 Jahre nach seinem Debüt-Album "James Taylor" seinen Stil nicht umkrempelt, erscheint folgerichtig. Seine Stimme hat an den Exzessen nicht wirklich gelitten, ist eher gereift. Sein Innenleben liefert immer noch genügend Stoff für Texte, die sich mit dem Sinn der Dinge beschäftigen.

Taylors privates Umfeld ist mittlerweile gefestigt. Seit 2001 ist er mit Caroline Smedvig verheiratet, die sich um Pressearbeit und Marketing beim Boston Symphony Orchestra kümmert. Sie ist auf dem Album zu hören wie auch ihr gemeinsamer Sohn Henry. Die Aufnahmen fanden im Studio statt, das sich Taylor in einem Heuschuppen auf ihrem Grundstück in Washington, Massachusetts eingerichtet hat.

Zum Schreiben mietete er sich allerdings in die Wohnung eines Freundes ein, um seine Ruhe zu haben und in die passende Gefühlslage zu kommen. "My favourite thing is to miss my home", singt er passenderweise in "Stretch Of The Highway".

Wie gewohnt begleitet er sich auf der Gitarre, setzt aber auch Klavier, Streicher, Perkussionen, Ziehharmonika, Orgel, Bläser oder vokale Harmonien ein. Dave O'Donell, der schon 2002 auf "October Road" als Toningenieur zugange war, übernimmt diesmal die Produktion. Das Studiopersonal ist wie gewohnt hochkarätig. Mit von der Partie sind unter anderen Schlagzeuger Steve Gadd , Bassist Jimmy Johnson, Gitarrist Michael Landau, Pianist Larry Golding und Perkussionist Luis Conte. Starcellist Yo-Yo Ma liefert Gastspiele in "You And I Again" und, gemeinsam mit Sting, in "Before This World/Jolly Springtime".

Schon bei den ersten Takten entfaltet sich die für Taylor typisch entspannte, melancholische, leicht schnulzige Stimmung. Die Hauptbedeutung des Albumtitels für ihn sei, "dass ich in einer Welt vor der jetzigen zu demjenigen wurde, der ich bin. Ich bin ein Produkt der 60er Jahre und fühle mich wie ein Bote aus einer anderen Zeit", schreibt er in einer Q&A-Session auf Facebook. Dass er mit den aktuellen Technologien nicht auf Kriegsfuß steht, zeigt sich auch daran, dass er Demos mit dem Handy aufgenommen hat und einen eigenes Internet-Radio betreibt.

Das Stück, das aus Taylors Sicht herausragt, ist "Angels Of Fenway", das seinem Lieblings-Baseballteam, den Red Sox, gewidmet ist. Das darf er als Fan durchaus so sehen, interessanter sind aber die Lieder mit Bezug auf sein privates Leben. In "Today Today Today" erinnert er sich an das Gefühl, dass er hatte, als er 1967 in London war, um sein Debütalbum aufzunehmen. "Watchin' Over Me" handelt von seiner überwundenen Sucht, "You And I Again" widmet er seiner Frau. "Stretch Of The Highway" handelt vom schönen, melancholischen Gefühl, ständig auf Tour zu sein ("I was born singing yes I am / Grew up some kind of travelin' man").

In "Far Afghanistan" sieht er sich als ein US-Soldat am Hindukusch, der nicht weiß, was er dort soll. "They fought against the Russians, they fought against the Brits / They fought old Alexander, talking 'bout him ever since", beschreibt er das hoffnungslose Unterfangen, den afghanischen Stämmen eine andere Ordnung als ihre eigene überzustülpen.

"Montana" hätte von der Stimmung her schon 1970 erscheinen können, den schönsten Moment bietet aber tatsächlich der zarte Titeltrack mit seinen zwei Stargästen. Dass das Album mit einem Traditional endet, der Liebe, blühende Wiesen und kristallklares Quellwasser besingt, zeigt, dass Taylors Sicht der Dinge aktuell nicht die schlechteste ist. Auch wenn er sich nach wie vor große Sorgen mache, wie er betont.

Den Sinn für Humor hat er glücklicherweise nicht verloren. Wie er sterben möchte, lautet eine Frage bei Facebook. Seine Antwort: "High".

Trackliste

  1. 1. Today Today Today
  2. 2. You And I Again
  3. 3. Angels Of Fenway
  4. 4. Stretch Of The Highway
  5. 5. Montana
  6. 6. Watchin' Over Me
  7. 7. Snowtime
  8. 8. Before This World/Jolly Springtime
  9. 9. Far Afghanistan
  10. 10. Wild Mountain Thyme

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