laut.de-Kritik
Auf Hochglanz gestriegeltes Best Of-Werk der letzten 15 Jahre.
Review von David HilzendegenEins vorweg: Handwerklich sind die "Funkhaus Studio Sessions" ein ganz großer Wurf. Mit einer astreinen Produktion und begabten Musikern haben Stefan Leisering und Axel Reinemer genau das erreicht, was sie haben wollten: Eine Live-Aufnahme, die nichts von einer Live-Aufnahme hat. "Ohne jeglichen Verlust aufgrund von schlechtem Equipment oder fehlender Klangästhetik", wie es im Pressetext heißt.
Und damit leider auch völlig ohne Kanten. Rund würde man "Jazzanovas erstes Live-Album" im positiven Sinne wohl nennen, blutleer wäre das drastischere Attribut. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit. Die "Funkhaus Studio Sessions" sind ein vornehm herausgeputztes und auf Hochglanz gestriegeltes Best Of der vergangenen 15 Jahre, das nicht viel Neues, aber solide Unterhaltung bietet.
Aber der Reihe nach: Vier Jahre ist es her, dass Jazzanova mit "Of All The Things" der Sample-basierten Produktionsweise weitgehend abschworen. Seither zieht sich der Schritt zurück (oder vorwärts?) vom Computer zum Instrument und zum sauber durchproduzierten Pop und Jazz wie ein roter Faden durch Teile des Sonar Kollektivs. Christian Prommers Drum Lesson, das Sonar Kollektiv Orchester oder zuletzt Fetsum sind passende Beispiele.
Seit 2009 sind Jazzanova mit "Of All The Things", einer kompletten Band und Sänger Paul Randolph auf Tour. Drei Jahre, in denen die Truppe die Welt bereiste, auf unzähligen Konzerten und Festivals auftrat und das Zusammenspiel verfeinerte. Zeit, die Evolution auf Platte zu pressen, dachten sich Leisering und Reinemer und suchten sich mit dem Funkhaus in Berlin-Oberschöneweide einen geschichtsträchtigen Ort. Vor der Wende spielte in den komplett mit Holz verkleideten, riesigen Studios das DDR-Rundfunkorchester seine Stücke ein.
Dort müht sich die Band redlich, den Jazzanova-Sound aus den Anfangstagen ("Fedime's Flight") über Klassiker wie "Boom Clicky Boom Klack" bis heute ("I, Human") in ordentlichen Pop zu pressen. Spätestens hier stellt sich die Frage, weshalb die Welt eigentlich eine als Live-Album angekündigte Platte braucht, die wie ein Studioalbum klingt. Denn vom organischen, verschwitzten und von Spielfreude geprägten Sound eines guten Mitschnitts bieten die "Funkhaus Studio Sessions" reichlich wenig.
Gut gemeinte Mühe ist nicht zwingend das Gegenteil von gut, es ist aber auch nicht gleichbedeutend. Würde der Bass nicht ordentlich grooven und damit so manche Langatmigkeit unterdrücken, die "Funkhaus Studio Sessions" wären in der Tat nur ein langer, ruhiger Fluss, völlig ohne Hindernisse. Einzig "Boom Clicky Boom Klack" zeigt zumindest im Ansatz Kante und lässt erahnen, wozu die Truppe auf einer Bühne bei einem richtigen Live-Konzert fähig ist.
Dort funktioniert wahrscheinlich sogar "Flashback", ein Cover des eigenen Remixes der Label-Kollegen von Fat Freddy's Drop, das den Zauber des stampfenden Originals der Neuseeländer völlig verloren hat. Der Rest der Scheibe ist schwer zu greifen, irgendwo zwischen nett, altbekannt und angenehm. Letzteres charakterisiert besonders Paul Randolphs Stimme, ein warmes, souliges Organ, das im Zusammenspiel mit dem Saxophon aus "No Use (Part 2)" bemerkenswert gut funktioniert. Die Schnulze "Little Bird" hat der Kollege José James dafür deutlich besser drauf.
"Believer" klingt exakt wie der Jazzanova-Remix, der zugegebenermaßen um Welten spannender ist als das schwülstige Original des Randolph-Solostücks – trotz Handclaps aus dem Sequencer. "Look What You're Doing To Me" ist auch 2012 noch das "Look What You're Doing To Me" von 2008, nur dass Phonte fehlt. Und "I, Human", der einzige neue Song der Scheibe, fügt sich nahtlos in die Überraschungsarmut der "Funkhaus Studio Sessions" ein.
So bleibt eine gediegene, aber wenig spannende Platte, die am Ende eigentlich nur einen Schluss zulässt: Was live gespielt werden will, sollte man sich auch live ansehen. Im Konzert lohnt sich Jazzanova nämlich wirklich.
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