laut.de-Kritik
Weihnachtsmann, reich mal die Flasche rüber!
Review von Giuliano Benassi"Wer 'Bourée' und 'Songs From The Wood' gemocht hat, wird dieses Weihnachtsalbum lieben. Mein Ziel war es, erbauliche traditionelle Weihnachtslieder, ein paar neue Stücke und Neuaufnahmen alter Jethro Tull-Songs zusammenzustellen," erzählt Frontmann Ian Anderson auf der Homepage seiner Band zur Entstehung dieser CD.
Fragen nach Opportunismus und einfacher Geldmacherei sind zu dieser Jahreszeit und zu diesem Thema durchaus nicht abwegig. Auch die Tatsache, dass die de facto Ein-Mann-Band mit Studiomusikern schon seit Ewigkeiten immer wieder das Gleiche hervorbringt, ist nicht von der Hand zu weisen. Das Rezept umfasst neben der unverwüstlichen Querflöte und einer angenehm erzählenden Stimme die volkstümliche Begleitung einer Ziehharmonika und verschiedene gezupfte Instrumente. Da passen die dezente Rhythmusgruppe und ein Cembalo gut dazu. Legt man das gnädige Grabtuch des Schweigens über solche Einwände, bleibt jedoch ein Album übrig, das durchaus seinen Platz im Abspielgerät verdient hat.
"Ich bin nicht gerade ein praktizierender, zahlender Christ, aber ich lebe seit 55 Jahren in einer so genannten christlichen Gesellschaft und mag die Wehmut, die Feiern und das Zusammenkommen der Familie sehr", erläutert Anderson seine Einstellung zur besinnlichen Jahreszeit.
Die sich in der Auswahl der Stücke widerspiegelt. "Oh Tannenbaum" oder "Stille Nacht, Heilige Nacht" sucht man glücklicherweise vergeblich. Das Christkind spielt nur im Opener "Birthday Card At Christmas" eine Nebenrolle und bleibt ansonsten unerwähnt. Es geht in den Texten hauptsächlich um ein bisschen inneren Frieden und um zwischenmenschliche Nähe. "Ich hoffe, dass jeder an diesem schönen Morgen nach seinen eigenen Trommeln tanzt, sei es ein Rhythmus aus dem entfernten Afrika oder in einer polnischen Fabrik", singt Anderson in "Another Christmas Song", während "Last Man At The Party" eine feucht-fröhliche Weihnachtsfeier zum Thema hat.
Überhaupt wird auf diesem Album recht viel getrunken, was der eine oder andere Leser bestimmt nachvollziehen kann. Es fehlen aber nicht persönliche und nachdenkliche Momente wie "Fire At Midnight" oder "First Snow In Brooklyn". Für weitere Abwechslung sorgen eingestreute Instrumentalstücke, die bekannte Themen aufgreifen. "Holly Herald" gründet auf Mendelssohn, "Pavane" auf Fauré, "Greensleeved" auf "Greensleves" und "Bourée" (eigentlich mit zwei R, Ian) auf Bach.
Ein Album also, das genauso gut zum gemütlichen Tee an einem kalten Nachmittag wie zum Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt passt. In diesem Sinne, wie es am Ende von "Christmas Song" heißt: "He Weihnachtsmann, reich mal die Flasche rüber!"
1 Kommentar
"Auch die Tatsache, dass die de facto Ein-Mann-Band mit Studiomusikern schon seit Ewigkeiten immer wieder das Gleiche hervorbringt, ist nicht von der Hand zu weisen."
Ich weiß nicht, wer diesen Schwachsinn verbrochen hat, aber der gute Mann sollte mal die bisherigen Platten von J. T. aufmerksam hören. Dann würde ihm nämlich auffallen, dass da von Blues über Progressive Rock bis hin zu Synthiepop und Folkmusik ziemlich viel abgedeckt wird. Das Einzige, was da vielleicht verbindend wirkt, ist der Gesang von Ian Anderson (plus Flötenspiel). Wieso kommen solche geistigen Rülpser überhaupt hier vor? Unfassbar.