laut.de-Kritik

Rock-Blockbuster mit vielen Zwischentönen.

Review von

Binaurale Töne nennt man Zwischentöne, die physikalisch nicht nachweisbar sind, sondern nur psychoakustisch von den Hirnwindungen konstruiert werden. Sie umgehen kognitive Hirnfunktionen, um direkt und ohne Umschweife die Emotionen zu kitzeln und wahrhaft ekstatische Hörvergnügen zu kreieren.

Diesen Ansatz verfolgen die New-Yorker Jolly. Die Progrocker erweitern den Klang der Rockband durch mannigfaltige Sound-Nuancen, den binauralen Tönen. Jolly beschreiten mit diesem auditiven Leitfaden zur Glückseligkeit sicherlich keine leichten, geebneten Wege.

Da Wissenschaft und Komplexität noch lange keine gute Musik garantieren, muss man sich dieses Klangmonstrum erst Schritt für Schritt erschließen. Wie wenn man vor einem Haus mit mehreren Appartements steht, aus denen harte Gitarren, fette Bässe, weiche Melodielinien auf der Klaviatur und Soundscapes tönen, fühlt man sich zunächst überfordert.

Auch die angeblich Glück verheißenden binauralen Töne müssen sich entsprechend einen Weg durch das Klang-Dickicht bahnen. Baby-Gebrabbel und Breitwand-Riffs, lieblich-filigrane Melodien und schroffe Klangkaskaden stehen munter nebeneinander oder überlagern sich gar. Aber mit ein wenig Geduld ergibt die vielschichtige Breitwand-Produktion ein homogenes Klangpanorama. Die zuvor ungebändigten Klanggeister verwirren nun nicht mehr, sondern tragen zur Begeisterung bei.

Sowohl das Klangbild als auch das Songwriting sind kompositorisch versiert gesponnen und trotz der Vielschichtigkeit miteinander verwoben. Der immer den Ton angebende Sound einer Rockband stellt das Grundgerüst dar, das von mehreren Genreeinflüssen ausstaffiert wird. Der archetektonisch aus tonnenschweren Riffs hochgezogene Stampfer "Ends Where It Starts", die Gothik-Grundstimmung in "Joy" oder "Pretty Darling" und dessen schwülstige Barjazz-Atmosphäre komplettieren das anspruchsvolle Klang-Konzept auch auf der Ebene des Songwritings.

Mit "Radiae" und "Where Everything's Perfect" bringt man die Quintessenz des Albums auf den Punkt. Dynamische Quantensprünge zwischen brachial und bezaubernd, ein vielseitiger Gesang, der auch den Einsatz von Jazz-Vokalisen nicht scheut, sowie die ungezügelte Kombination von Sounds ergeben das akustische Pendant eines Gefühlschaos.

Ob man nun verwirrt oder geläutert die Kopfhörer sinken lässt, hängt ganz von der Zeit ab, die man Jolly gibt. Der konzeptuell an Opeth, Dredg, Porcupine Tree oder Ayreon erinnernde Moloch wächst mit jedem Hördurchlauf.

Trackliste

  1. 1. Guidance one
  2. 2. Ends where it starts
  3. 3. Joy
  4. 4. Pretty darlin'
  5. 5. The pattern
  6. 6. Storytime
  7. 7. Guidance two
  8. 8. Still a dream
  9. 9. Radiae
  10. 10. Where everything's perfect
  11. 11. Dorothy's lament
  12. 12. Intermission

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