laut.de-Kritik

Die Selbstironie fließt ab, der Raum füllt sich mit Selbstgefälligkeit.

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Juse Ju ist wütend und verbittert. Im "Intro" zu "JuNi" steigt er unumwunden mit einer Generalkritik an der deutschen Hip Hop-Szene ein. Über ein Sample aus John Williams' Soundtrack zu "Das Reich der Sonne" lässt er seinem hohen Aggressionslevel freien Lauf: "Ich will mit euch Frauen verprügelnden, Teenies missbrauchenden, mit Nazis abkumpelnden, ekligen Jungspunden, die immer pumpen, hier nichts mehr zu tun haben." Seine undifferenzierte Einschätzung wirkt zudem beleidigt, wenn er auf der Suche ist nach dem "Weg aus dieser elenden Szene, in die ich nie rein durfte."

Doch seine wahren Feinde geben sich ohnehin in den Kritiken und Kommentarspalten zu erkennen, sogenannte "Mittelschicht Männers". Einigen wirft er Hofberichterstattung für seine Kollegen vor, anderen dichtet er teils absurde Merkmale an. Doch alle wohlsituierten Rezensenten teilt eine Eigenart. Sie missbilligen seine Musik, weil es einem Angriff auf ihr Ego gleichkommt, sich in ihm wiederzuerkennen. Juse Ju gelingt damit die bislang vielleicht abwegigste Immunisierungsstrategie gegen negative Beurteilungen. Dann doch lieber wie viele seiner Kollegen alles unter Neid verbuchen.

Grantig geht es direkt mit "How Dare You" weiter, in dem sich Juse Ju an überspannten Online-Debatten abarbeitet. Warum ausgerechnet Greta Thunberg die Blaupause für einen Song liefert, der sich über Erregung um der Erregung willen echauffiert, bleibt rätselhaft. Ihre Entrüstung wabert ja eben nicht durch den luftleeren Raum. Doch viele Entscheidungen wirken unausgereift, etwa wenn auf einen ironischen El-Hotzo-Gag ein beißender Kommentar folgt: "Ich schaue deine Mord- und Rachefantasien an und denke, hier geht's wieder mal doch nur um deinen Mikroschwanz."

In nahezu jedem Song verfehlt der Rapper einen klaren Fokus. "Eine Kleine Frage" schmeißt die Drehorgel an, um im Witzel-Modus der "Adrenochrom"-Antilopen versuchte Umstürze und Verschwörungserzählungen anzuprangern, die längst von Xavier Naidoo auf Teile der hiesigen Rap-Population übergesprungen sind: "Du und dein Lieblingsinterpret, ihr seid auf einem Level, dieses Bro-ich-glaub'-die-Erde-ist-'ne-Scheibe-Level, dieses Juden-tun-die Kinderlein-verspeisen-Level." Babsi Tollwuts durchdachtes "Analyse & Genick" wird dem Thema da schon eher gerecht.

Sobald Fatoni die Booth für "Legit" betritt, erreicht das unentschlossene Schwanken zwischen Trubel und Tadel seinen unrühmlichen Höhepunkt. Die wohl ernstgemeinte Kritik an Spotify, Patriotismus und den Jusos trifft auf heitere Referenzen zu MC Hammer und Die Fantastischen Vier. Zum fröhlich pfeifenden Instrumental dreht die Ironie ihre Pirouetten. "Ich bin King of Cringe, Juse Ju, ich gebe zu: Bei mir geht es nur um Geld und Fame wie bei der CDU", nimmt sich der Rapper vermeintlich selbst aufs Korn und besteigt in Wahrheit doch nur den Gipfel der Eitelkeit.

"Denkst du denn wirklich, ich weiß nicht, wie peinlich und scheiße ich bin, heh? Aber kann auch nicht raus aus meiner Haut, ich stecke ja leider da drin", betont er mit aggressiverer Note in "Gleisbett". Während Nikita Gorbunov zunächst neben ihm hersingt und ihn schließlich verdrängt, suhlt sich Juse Ju in seiner Anti-Haltung, die längst der Verbitterung gewichen ist. Die Suche nach dem "Aussteigerprogramm" in "Bye Bye" erweist sich als überfällige Erkenntnis. Wer will sich dauerhaft die Nölerei eines Rappers anhören, der sich zugleich sträubt, für irgendetwas echte Ernsthaftigkeit aufzubringen?

Doch "JuNi" hält noch eine besonders überhebliche Überraschung parat. Im finalen "Sorry Kid" erzählt er mit feinstem Understatement Episoden seines Lebens, die mit Rückschlägen endeten. Dann berichtet er schließlich von seinem Durchbruch. Die Selbstironie fließt ab, der Raum füllt sich mit Selbstgefälligkeit: "Seh' ich bitteschön so aus, als ob ich achtzehn bin? Das ist Mucke für Erwachsene." Seine abschließende Versöhnung mit der Rap-Szene ist zwar anrührend, aber in den schlimmsten Momenten wirkt Juse Ju dennoch problematischer als seine verhassten Kollegen.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Eine Kleine Frage
  3. 3. Legit (mit Fatoni)
  4. 4. Mittelschicht Männers
  5. 5. How Dare You
  6. 6. Der Gargoyle (mit Milli Dance)
  7. 7. JuNi
  8. 8. Gleisbett (mit Nikita Gorbunov)
  9. 9. Speedrun
  10. 10. Nicenstein
  11. 11. Bye Bye
  12. 12. Sorry, Kid

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10 Kommentare mit 21 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Kann man ja scheiße finden und stattdessen sich schön 187er oder SDP oder was-auch-immer geben, Geschmack ist Geschmack - aber wenn der Rezensent Juses Kritik am Rapgame als "der is ja nur neidisch auf die geilen Gangsterrapper" abtut und dann auch noch Themen von Songs nicht blickt oder blicken will ("How dare you" etwa geht thematisch wirklich nicht um "Onlinedebatten!) -- kann man dann noch so einen Veriss ernst nehmen?

    • Vor 3 Jahren

      was kommt als nächstes, angela merkel fanbois?

    • Vor 3 Jahren

      Danke Mehrkill!

    • Vor 3 Jahren

      brdrer ja gute witz sculz sehr ruhige Person mache bestmt auch viele Sache richtig und ist keine psychopath

    • Vor 3 Jahren

      Hab mir aufgrund des Posts "How dare you" mal angehört. Ganz ehrlich, ich hab keinen blassen Schimmer, was der Typ damit von mir will. Klingt für mich nach nem besoffenen Kulturwissenschafts-Studenten, der auf Ersti-Party draußen von meinem Joint ziehen will, den dann nicht wieder loslässt und mich dabei mit zusammenhangslosem Zeug vollrantet.

    • Vor 3 Jahren

      Hab ich eben auch gemacht. Find Sample und Hook eigentlich ganz geil, ist halt ne Battlerap-Standardansage, glaube nicht, dass die Auswahl Greta in eine Luftnummer-Empörungsecke drängen soll. Die Verses sind vll. ein bisschen wirr oder zumindest geht die angedachte Mischung - ich würde übrigens schon unterstellen: aus Internetdiskussionsfetzen/Online-Kultur und eigenen Aussagen - nicht ganz sauber auf. Aber weil mir außerdem das Instrumental gut reinläuft, bin ich da irgendwie nicht so streng, Track geht in Ordnung.

      Ich glaube, wenn ich schonmal dabei bin, übrigens auch, dass er mit seinen "Mittelschicht Männers" nicht völlig daneben liegt. Ja, schon richtig, ist eine für ihn bequeme Immunisierungsstrategie, aber diesen Impuls, ihn und "seinesgleichen" wegen vermeintlich hörbarer Mittelschichtszugehörigkeit/Harmlosigkeit etc. für keinen richtigen Rap zu halten, gibt es ja auf jeden Fall (hier unter anderem nachzulesen bei Hiteek).

      Ob das dann wirklich daher kommt, dass diese Kritiker ihre (un)heile Musikwelt der Gosse und des Hasses nicht mit ihrem eigentlichen Alltag durchsetzt haben wollen, ist natürlich einigermaßen wilde Projektion. Zumindest aber fühle ich mich als eher-nicht-so-Fan ein bisschen ertappt.

    • Vor 3 Jahren

      Der kann halt rappen aber seine Songinhalte selbst sind ein bisschen dusselig und schlecht verpackt, wie ein Erstsemester in politischer Philosophie, der es seinen Eltern halt mal richtig zeigen will. Wenn er daran arbeiten würde, wäre er ziemlich passabel und weit über dem, was sonst heute in Sachen Deutschrap geboten wird. Ich glaube, er wäre aber zu bockig und anti, um an sich zu arbeiten.

    • Vor 3 Jahren

      "Hab mir aufgrund des Posts "How dare you" mal angehört. Ganz ehrlich, ich hab keinen blassen Schimmer, was der Typ damit von mir will. Klingt für mich nach nem besoffenen Kulturwissenschafts-Studenten, der auf Ersti-Party draußen von meinem Joint ziehen will, den dann nicht wieder loslässt und mich dabei mit zusammenhangslosem Zeug vollrantet."

      muss man ja nicht mögen, aber was gibt es an der message in dem song nicht zu verstehen?

    • Vor 3 Jahren

      Erklär mir bin zu doof

  • Vor 3 Jahren

    Lol. Veröffentlicht doch lieber gar keine Kritik zu Juse als 2 Monate nach Release so eine Scheiße?

  • Vor 3 Jahren

    Ganz grundsätzlich: Warum darf der rappen?