laut.de-Kritik
Intime Ernsthaftigkeit, Humor und In-Dein-Gesicht.
Review von Anastasia Hartleib"Mit 'hibuya Crossing' erscheint nun Juse Jus erstes richtiges Album" schreibt der Pressetext. Aha. Warum genau das vierte Album von Juse Ju nun sein erstes sein soll und was das jetzt mit den drei vorherigen Alben macht, bleibt offen. Soll es wirklich allein daran liegen, dass Juse "Shibuya Crossing" erstmals nicht zum Free-Download anbietet?
Nun, Erstling hin oder her, "Shibuya Crossing" klingt schon anders. Beattechnisch tischt der Langspieler alles auf, wo gibt. Vom harten Trap-Brett und Autotune-Hook über synthetisches Gefrickel bis hin zum klassischen, altbekannten Boombap bekommt der Hörer einiges auf die Ohren. Seine Frickelhomies, die im aufschlussreichen Pressetext leider nur mit "Dexter, Torky Tork, Yourz u.a." angeführt werden, greifen tief in ihre Samplekisten und bringen ein paar wirklich schöne Stücke zum Vorschein.
Inhaltlich hat sich ebenfalls einiges getan. Natürlich gibt es sie noch, die altbekannten In-Dein-Gesicht-Tracks. "Justus BWL" zum Beispiel: "Niemand hasst dich und auch niemand hier ist gegen dich / die Menschen interessiert nur dein scheiß Leben nicht". Im Opener "Kirchheim Horizont" beweist Juse Ju mal wieder seine Treffsicherheit im Bezug auf traurige Alltagsbeschreibungen: "Hier hat jeder Swag, hier hat jeder Dialekt, aber denkt es wäre Hochdeutsch / Man geht hier ja nicht weg".
Ja, auch alte Bekannte sind am Start. "7Eleven", der klassische Juse Ju, Fatoni & Edgar Wasser Song. Hier bleibt alles wie immer, die drei harmonieren super, sind ne thighte Crew, aber was wirklich Neues können sie leider nicht beisteuern. Anders Danger Dan von den Antilopen. Dans und Juses gemeinsamer Track "Propaganda" haut ordentlich rein. Zu derbem Trap-Fanfaren-Geschepper kombinieren sie eine süffig-poppige Hook und feinsinnigen Humor: "Ich bin ein Genie, ich bin ein Genie / Kämpfer für Frieden und Demokratie / Demokratie braucht den stärksten Mann / Recep Tayyip Erdoğan".
Seinen Humor und seine Leichtigkeit beweist er auch an anderer Stelle. Mit einem zwinkernden Auge und Autotune-Stimme ermuntert er seine Hörer: "Fake It 'Till You Make It", egal ob an der Wall Street, der Politik, Musikindustrie oder allem was du liebst. In "Pain Is Love" verpackt er eine Ode an das Skateboard (fahren). "Alle wollen schnell nach oben, aber wir nehm' den Weg mit dem besten Boden."
Zu dem Vertrauten gesellen sich jedoch neue, sehr persönliche Töne. Der Rapper gewährt einen Blick in seine Kindheit und beweist dabei sein Talent für Storytelling. "Bordertown" erzählt von seiner Zeit in El Paso Ende der Neunziger und von dem tragischen Unfall seines Freundes. Ähnlich einem Masta Ace schafft er eine ruhige Atmosphäre, in der er nüchtern, aber trotzdem mit Betroffenheit über die Geschehnisse spricht. Auch der Titelsong "Shibuya Crossing" schildert die Eindrücke eines kleinen Jungen, den diese riesige Stadt Tokyo ziemlich einschüchtert. Gleichzeitig verpackt Juse darin eine Liebeserklärung an seinen großen Bruder.
Diese neue Intimität wird dadurch verstärkt, dass Juse auch vermehrt Ernsthaftigkeit durchblicken lässt. Hinter der beißenden Ironie und dem schnippischen Sarkasmus kommen erstmals Zweifel zum Vorschein und Unsicherheit. "Lovesongs" watscht einerseits die sexistische Rapperriege ab, hinterfragt allerdings auch die eigene Emotionslosigkeit. Lines wie "Du bist verletzt und Frauenhasser / dann nutzt du Rap um es rauszulassen / aber ich glaub, wär ich ne Frau, hätt ich nen Spast wie dich auch verlassen" münden dann in Zeilen wie "Denn ich kann eine magische Fähigkeit mein Eigen nennen / ich kann auch da Probleme sehen wo keine sind".
Die andere Seite des Juse Ju, vermutlich sollte man sie die erwachsene nennen, sie steht ihm gut zu Gesicht. "Shibuya Crossing" ist der Beweis, dass der Wahlberliner den schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik, Humor und den weniger schönen Emotionen bewältigt. Es verschafft ihm ein ausgefeilteres Profil und macht aus einem guten Battlerapper einen Rapper, der was zu sagen hat. Davon hat Deutschrap nicht so viele zu bieten.
8 Kommentare
Bah, das klingt schon wieder wie typischer Milchbrötchen-Rap...
1/5 Rap für richtig hängengebliebene Studenten
wer hört sowas
In der tat ein echt cooles Album, geile Beats und freshe Songkonzepte.
Gefällt mir äußerst gut!
Gefällt mir äußerst gut!