7. August 2015

"Man will ja auch gefallen"

Interview geführt von

K.I.Z. rufen die Revolution aus! Also auf in die Kreuzberger Kommandozentrale!

Nach einem Hinterhof und einem ewigen Treppenhaus wird man von dem riesigen orange-schwarzen Logo der Band empfangen. Davor ein Schreibtisch aus Holz, den man auch aus kurzen Videos kennt. Ich befinde mich im Herzen der Propagandamaschine und salutiere kurz innerlich, bevor ich mir das Album anhören darf und mit den Jungs spreche.

Willkommen! Wie läuft die Revolution?

Maxim: Bis jetzt ganz gut. Wir waren ja so ein bisschen eingerostet. Das ist so, als wenn man ganz lange vergeben war und jetzt wieder Single ist. Da fragt man sich, ob man noch fresh genug ist für die da draußen. Wir hoffen, jetzt endlich Gigastars zu werden.

Guter Anspruch! Vor ein paar Wochen kam das "Kannibalenlied" raus. Wie seid ihr auf die Idee gekommen eine Hymne zu kreieren, die ihr noch nicht mal selbst singt, sondern in der ihr besungen werdet?

M: Ich finde es einfach sehr angebracht.

Nico: Definitiv.

M: Gibt ja auch häufig, dass Fans irgendwas singen. Meistens irgendwelche Songs von uns, oder so ein Phänomen im Fußball, dass man sein Team besingt. Ich fand immer diese Brecht, Kurt Weil- oder Hans Eisler-Sachen von der Soundästhetik großartig. Dann wurde das in diesen Ostblock-Propaganda-Dingern auch ein wenig verpoppt, also mit vielen Versatzstücken von Eisler und Weil. Das hat schon was unfassbar Komisches (singt) "Langes Leben sei' dir noch ... sei dir noch gediegen, Stalin Freund Genosse, treu und klug", also diese Lobeshymnen auf all diese Leute. Das fanden wir großartig und haben wir uns auch verdient.

Warum wird die Welt untergehen?

M: Das wissen wir noch nicht. Damit haben wir uns nicht beschäftigt, mit der technischen Besonderheit davon.

Wie wird sie untergehen?

Tarek: Ich denke die Toaster werden angreifen und die Waschmaschinen werden sich gegen ihre Sklavenhalter erheben. Das ist die wahrscheinlichste Option.

N: Maschinen strecken uns wahrscheinlich eher hin als die Menschen.

M: Toaster sind sowieso die besseren Menschen.

Sil-Yan: Oder wie bei Alf halt.

M: Ah, wo sie alle gleichzeitig den Fön angemacht haben!

Beschreiben alle Stücke auf eurem Album den Weg hin zum Weltuntergang, während der letzte Track dann das Finale darstellt?

N: Nein, nicht unbedingt den Weltuntergang beschreiben, mehr so wie die Welt gerade ist. Da kann man sich dann selbst fragen, ob es so einen Weltuntergang nicht vielleicht mal nötig hat.

M: Oder ob die Angst davor wirklich so angebracht ist.

Habt ihr Angst?

M: Anscheinend nicht! Es gibt ja irgendwie diese Leute, die auf einer Party sind und sagen, dass es voll scheiße sei. Um fünf Uhr morgens sind die gleichen Leute immer noch auf der Party und sagen immer noch, dass es scheiße ist, und man fragt sich nur "was machst du denn hier?!". Und so ähnlich sind sehr viele Leute drauf finde ich. Verschwörungstheoretiker, die über die Welt sehr viel zu beklagen haben und danach aber Sorgen haben, dass Deutschland nicht autonom genug ist und dass bei der Krise jetzt alles zusammenbricht. Sie machen sich ganz viele Sorgen um eine Ordnung, die sie aber auf der anderen Seite richtig scheiße finden. Das ist dumm und falsch.

Haben die Leute Angst vor dem Durchbrechen der bestehenden Ordnung?

M: Ich weiß nicht ob sie Angst haben. Ich glaube die Leute sind wirklich der Meinung, dass die Ordnung gut für sie ist.

N: Wenn die bösen Banken vielleicht etwas netter wären, wäre halt alles cool.

M: Ja! Sie sagen ja, dass im Grunde genommen alles gut ist. Es wird nur falsch ausgeführt. Ein Pilotenfehler, kein Maschinenfehler.

S: Möglicherweise gibt es einige, die ein bisschen weiter oben angesiedelt sind, die sich einen gewissen Lifestyle erarbeitet haben und bewahren möchten und deswegen eher Dinge akzeptieren, obwohl sie wissen, dass es eigentlich nicht gut ist.

Passend dazu erhielt die erste Auskopplung "Boom Boom Boom" interessante Reaktionen wie den Artikel in der Welt und den Kommentar von Staiger. Habt ihr damit gerechnet oder euch missverstanden gefühlt?

M: Nö.

T: Ich habe mich gut unterhalten gefühlt.

M: Der hat sich ja sehr krass damit beschäftigt.

T: Das Einzige, womit wir gerechnet haben war, dass unsere Fans das als einen zu extremen Bruch zu dem, was wir vorher gemacht haben, wahrnehmen würden. Ist ja relativ unmissverständlich ausgedrückt, was wird da denken. Da waren wir dann auch schon recht überrascht, dass unsere Hörer das relativ positiv aufgenommen haben.

Und die Verbindung zu den Venga Boys?

T: Das ist eine dreiste Lüge!

Ich habe das überprüft!

(Alle lachen)

Das Original läuft auf 138 BPM und euer Track läuft bei genau der Hälfte!

M: Das ist eine riesen Verschwörung! Venga Boys waren uns immer wichtig und haben uns auch politisch sehr geprägt.

T: Haben uns im Knast auch immer Hoffnung gegeben.

N: Also ich würde ja jetzt gern sagen, dass das alles super geil geplant ist. Aber den Beat gab es schon vor der Songidee und den Texten.

M: Die gab es auch schon vor den Venga Boys!

Hätte mir auch vorstellen können, dass einer von euch eines Abends vor dem Computer saß, sich das alte Musikvideo angeschaut hat und dann irgendwann dachte "so, jetzt zeig' ich's euch!".

M: Nene, überhaupt nicht. Den Beat hatte Nico schon vorher.

N: Auf dem haben wir ab und zu besoffen rumgegrölt oder so, so ein bisschen wie bei Neuruppin.

S: Da kam zusammen was zusammen kommen musste!

Schade, also kein ...

M: ... Perfider Plan.

"Wenn Ausbeutung herrscht, dann herrscht Ausbeutung"

Um noch mal auf das Politische bei euch zurück zu kommen. Der Herr von der Welt schreibt, dass es bisher immer so einen hauchdünnen ironischen Abstand zu was richtig Krassem gegeben habe. Ist das bei euch jetzt eher so ein "ganz oder gar nicht"? Gab es vielleicht auch eine Entwicklung, weil es vorher nicht so erkennbar war?

M: Wir hatten auch schon ab und zu mal eine klare Ansage drin, und auf dem neuen Album sind ja trotzdem noch ein paar Songs, die eine gewisse Doppelbödigkeit haben. Diesmal vielleicht konzentrierter, ein paar direkte Ansagen. Das heißt aber nicht, dass es nun vorbei oder nicht mehr angebracht ist. Es ist natürlich sehr lustig, dass so ein Typ von der Welt ja offensichtlich die Message von uns schon immer scheiße fand, aber über den Witz immer lachen konnte. Das ist witzig. Und dass er darauf auch noch sehr stolz ist und daraus einen Mangel an unserem Werk ausmacht und sagt "jetzt kann ich nicht mehr darüber lachen".

Er sagt, ihr würdet die Grenzen der Kunst austesten wollen.

M: Was heißt die Grenzen der Kunst. Die Grenzen sind in dem Fall nur, dass ihm das nicht gefällt, was wir da sagen. Das nennt er dann "Grenzen der Kunst".

Gäbe es für euch ein dazwischen? Beispielsweise ein nettes demokratisches System.

M: Bestimmt gibt es irgendwo ein nettes demokratisches System. Aber das ist zu unkonkret. Es geht eher um solche Sachen: Wenn Ausbeutung herrscht, dann herrscht Ausbeutung. Die kann mal ein bisschen freundlicher gestaltet sein und mal weniger freundlich sein. Mal faschistisch und mal demokratisch organisiert, aber es bleibt was es ist. In der Hinsicht also ja: Ganz oder gar nicht.

T: Auf dem Album benennen wir ja viele Situationen, mit denen man unzufrieden sein könnte. Das heißt nicht, dass es uns jetzt aktuell so ergeht - teilweise ist es uns so ergangen - aber andere Leute können sich das fragen. Oder sie verstehen unsere Sprache nicht und holen sich unser Album nicht.

Ihr habt auch Solotracks auf dem Album. Wie persönlich sind die?

N: Ich bin nicht so krass. Ariane ist eine ausgedachte Geschichte, muss ich leider zugeben.

M: Du bist ja auch nicht so ein krasser Bürohengst.

N: Ja! Und auch nicht so ein krasser Vergewaltiger! Das ist schon eher so ein in eine Rolle schlüpfen, bei mir jetzt persönlich!

T: Aber die Situation, dass man sich die ganze Woche lang unterdrückt fühlt und am Wochenende durchdreht. Das ist ja auch etwas, was da draußen tagtäglich geschieht und womit viele Leute sicherlich unzufrieden sind.

M: Aber das Gefühl kennt man ja auf jeden Fall und das kann man nachvollziehen. Persönlich ist, wenn man was mit dem Gefühl anfangen kann. Aber da ist dann auch jeder Song in irgendeiner Hinsicht persönlich. Auch so ein Battlesong mit der Wut und dem Albernen dahinter, gehört irgendwo auch zu der eigenen Person.

T: Also meine Solo-Songs sind auf jeden Fall sehr persönlich, aber man hört das ja auch, das lässt sich ja nicht abstreiten. Das hört man aber auch.

Und zum Schluss des Albums "Hurra die Welt geht unter". So wie ihr das im Lied zeichnet, scheint das Hurra verständlich zu sein. Ist das das Ziel eurer Propaganda?

M: Ja, man kann schon ein paar Sachen, die man über die Welt, wie sie jetzt ist, denkt, interessant ausdrücken. In jedem Science-Fiction-Roman drückt ein Autor aus, was er über die jetzige Welt denkt. Wenn man dann darüber redet, dass es keine Religion gibt, dass man kein Jenseits braucht, weil das Diesseits schon schön genug ist, ist das eine verpackte Kritik am Jetzt. Sachen wie "keiner schläft auf der Parkbank" sind ja Sachen die man am Hier und Jetzt auszusetzen hat. Das hat auch viel damit zu tun, was in der Gegenwart erzählt wird, und weniger damit, einen Weg ins Paradies aufzuzeigen.

"Tatsache ist, dass du nicht entscheidest!"

Tarek, du rappst "ihr könnt in Wahllokalen ankreuzen wer den Puff besitzt, es bleiben immer die gleichen Freier denen ihr ein' lutschen müsst". Wer ist eigentlich das schlimmere Übel? Der Besitzer des Puffs oder der Freier?

T: Hmm, gute Frage. Ich glaube der Freier.

M: Was soll Übel überhaupt heißen? Das klingt ja wie Schuld.

Wer ist der größere Arsch.

T: Arsch. Naja, man kann einem Investmentbanker oder einem Broker nicht unbedingt vorwerfen, dass er Millionen macht während andere Menschen verhungern ...

M: ... die Frage ist interessant, weil du damit ja von Anfang an sagst, dass so das Verhältnis von Anfang an gestaltet sein muss. Ficker oder Gefickter spielt insofern keine Rolle, weil das Verhältnis das Problem ist. Da gibt es keine richtige Wahl, besonders wenn man dabei vergisst, was die eigentlichen Ursachen sind. Wenn man das beantwortet, impliziert das automatisch, dass man sich mit den Verhältnissen einverstanden erklärt.

T: Wenn mir als Politiker die Hände gebunden sind, dann ... ach was, egal.

M: Aber das ist ja gerade der Fehler, dass man immer so tut, als wenn man Politiker wäre. Jeder Privatmensch am Stammtisch tut so als wenn er Kanzler wäre…

T: "Was würde ich machen, wenn ich entscheiden könnte"

M: Ja! Aber Tatsache ist, dass du nicht entscheidest! Das ist ein Gedankenspiel, dass ich für ganz dramatisch dumm halte.

Im Wahllokal sein Kreuz machen, auf der Straße demonstrieren oder in den Untergrund gehen. Ist da eine Option für euch dabei? Ich gehe nicht davon aus, dass ihr bald in den Untergrund geht, aber ihr macht ja - in diesem Sinne - Untergrundmusik.

M: Insofern, dass wir versuchen, uns nicht einer bestehenden Position anzuhängen. Wir machen unsere Musik nicht als politisches Programm, sondern in erster Linie Musik über das, was uns am Herzen liegt. Da kommt Politik halt drin vor, ist aber nicht das politisches Kampfprogramm. Ich weiß auch nicht, ob es das sein kann, da man ja auch gefallen will. Es soll sich gut reimen und eine schöne Melodie haben. Eine politische Kritik sollte erstmal richtig sein.

Und die Hörer? In einem Portrait über euch wurde beschrieben, dass eure Musik auch in Dorfdiscos gespielt wird, dort aber ein ganz anderes Verständnis herrsche. Ihr wurdet und werdet ja auch immer wieder mit einer Verantwortung konfrontiert.

M: Ja, das ist aber immer so, dass etwas falsch verstanden werden kann. Du kannst auch so eine politisch korrekte Veganer-Tierschutz Einstellung nehmen - okay so viele intensive Künstlerströmungen gibt es glaube ich nicht. Aber du kannst so was anhängen und dir deswegen zum Beispiels das Recht rausnehmen, jemanden zusammenzuschlagen, weil er Fleisch gegessen hat. Du kannst dir aus allem irgendwie was basteln.

Und was ist euer Wunsch? Soll eure Musik nur schön gefunden werden? Soll nur gefeiert werden?

M: Ich lass' mich da gerne überraschen. Ich finde auch verschiedene Reaktionen gut, es ist ja auch gerade die Mischung, die interessant ist. Wenn bei Rock am Ring 50.000 Leute "Adolf Hitler" schreien und ein paar Leute das scheiße finden, macht es das ja nur noch geiler. Wenn alle Leute das scheiße finden würden, wäre das natürlich auch ein bisschen schade, weil dann keiner mehr da wäre. Es würde aber auch seine Kante verlieren, wenn alle Leute das feiern würden. Wenn ich keine Interpretation haben wollen würde, würde ich auch Musik machen, die keine Interpretation zulässt.

Kommt einem das bei Adolf Hitler nicht dann doch auch komisch vor?

T: Das kam den meisten glaube ich selber komisch vor, weil sie danach frenetisch "Nazis raus! Nazis raus" geschrien haben.

N: Aber ich fand es auf jeden lustig, weil ich den Song auch einfach lustig finde.

Was werden euch sonst noch für Fragen zu Politik gestellt?

M: Immer so ein bisschen anders. Wir reden viel über Utopien, das wiederholt sich. Aber das haben wir ja mit dem Albumtitel herausgefordert.

T: Was genau man ändern muss, damit es allen besser geht.

Wird es eine Tour geben?

M: Ja!

S: Geht auf k-i-z.com und checkt die Dates und Videos!

Ihr spielt auch am 8. August auf dem Reload-Festival in Sulingen, einem Metal-Festival. Callejon spielen vor euch!

M: Großartig! Es gibt noch Orte, an denen wir die einzigen Rapper sind!

Eine letzte Frage: Wie ist es zum Feature mit Henning May gekommen? Den kenne ich nur in Verbindung mit anderer Musik.

M: Das kam irgendwie über unseren Manager. Der meinte, dass wir uns den Typen mal anhören sollen.

N: Der könnte super auf den Song passen.

M: Der klingt wie Rio Reiser. Dann waren wir relativ schnell sehr von seiner Stimme begeistert, und dann ist das auch noch ein cooler Typ und die Stimme passt zu diesem Song!

Vielen Dank für das Interview!

Und wenn man schon vom Teufel spricht: Auf dem Rückweg treffe ich Staiger, dem das Album "ganz gut" gefällt. Die Revolution ist wohl im vollen Gange.

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LAUT.DE-PORTRÄT K.I.Z.

Wenn vier Rapper gelangweilt aussehende Fans in schweißtriefende Stagediver verwandeln, können sie mit Fug und Recht das Prädikat Rampensäue beanspruchen.

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