laut.de-Biographie
Kapelle Petra
Es dauerte seine Zeit, doch auf Album Nummer vier nagelt die Kapelle Petra ihr musikalisches Wirken endlich in schönster Prägnanz fest: "Nicht mainstream, nicht erfolgreich, und trotzdem haben wir so schöne Ideen" lautet eine Zeile des Songs "Nicht Mainstream".
Mainstream wäre die Kapelle Petra tatsächlich nur in einem Paralleluniversum, wo es normal wäre, dass eine Indiepoprock-Kapelle namens Petra aus vier männlichen Mitgliedern besteht. Und dass einer von diesen, Gazelle, nur als lebende 'Bühnenskulptur' bei Liveauftritten in Erscheinung tritt. Er blättert dann etwa in Zeitschriften herum. Das Musizieren überlässt Gazelle lieber Guido 'Opa' Scholz (Gitarre/Gesang), Rainer 'der tägliche Siepe' Siepmann (Bass/Gesang) und Markus 'Ficken' Schmidt (Schlagzeug).
Die musikalische Verwandtschaft dieser Petra ist wohl irgendwo zwischen Sportfreunde Stiller, Tocotronic und Die Ärzte zu vermuten - ja, ein wenig vielleicht auch bei den lyrischen Chefanarchos der EAV? Fest steht: Mitsingbare Melodien und mal rockigere, mal melancholischere Klänge bietet die Kapelle. Aber vor allem: Texte, die alles thematisieren, was einen originellen Gedanken oder Gag hergibt - subtil oder plump, zum Schmunzeln oder Schenkelklopfen. Was nicht heißt, dass ernstere Stücke verboten wären.
Mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Bühnenklamauk und melodiösem Pop musste sich die Kapelle aber erst mal die Sporen verdienen. Geht ja nicht anders, wenn der Startschuss zur Karriere im Städtchen Hamm am Rande des Ruhrgebiets fällt.
Nach der Gründung 1996 erspielt sich das Vierer-Trio erst mal im regionalen Raum eine Anhängerschaft. 1997 wird das erste Album "Felsen" im Eigenvertrieb auf den Markt gebracht, 2001 und 2002 gewinnt die Kapelle den Wettbewerb 'Hamms beste Band'. Man setzt u.a. gegen eine Gruppe mit dem vielversprechenden Namen Crap durch.
Ebenfalls 2002 erscheint das zweite Album "Schrank", auch dieses ohne Label im Rücken. Dafür mit dem Song "Geburtstag": Eine Drumcomputer-Mitschunkel-Nummer, zugleich albern wie trist, in der Sänger Guido das rituelle Begießen des Wiegenfests aufs Korn nimmt. Inklusive Hosenschlitz-Solo!
Der Song wird ein paar Jahre später von Sarah Kuttner (oder deren Redaktion) entdeckt und während einer Folge der kurzlebigen Kuttner-Show auf Viva in Dauerrotation gespielt. Das Low-Budget-Video auf dem Youtube-Kanal von Kapelle Petra erhält in der Folge weit über eine Million Klicks.
Spätestens da ist der Weg zum Label Skycap/Rough Trade geebnet. Dort erscheint 2008 das Album "Stadtranderholung". Im April 2013 folgt das Viertwerk "Internationale Hits", mit dem die Band große Hoffnungen verbindet, auf der Karriereleiter einen Tritt höher aufzusteigen. Die 13 Songs sind mit mehr Wumms produziert, gar "etwas härter" steht im Pressetext. Thematisiert werden erneut Alltäglichkeiten wie Schnee, Wurst sowie die Fähigkeit männlicher Zeitgenossen, über Fußball statt alles andere zu reden.
Doch auch auf "Internationale Hits" ist nicht alles so platt, wie es jetzt klingen mag: Mit der Frage, wieso es auf der Welt plötzlich vor erfolgreichen Familienvätern nur so wimmelt, kommen auch Überforderungsängste zur Sprache: "Wo sind eigentlich die Typen mit den Dreadlocks hin / Die sonst barfuss kiffend um die Häuser ziehen?", fragt Guido. Wer weiß, vielleicht gehen diese Typen zu einem Konzert der Kapelle Petra.
3 Kommentare mit einer Antwort
Bin geehrt als erster was zur Kapelle zu schreiben.
Hier darf man lachen, ohne peinlich berührt zu sein, hier darf man im Nonsense den Sinn des Lebens entdecken und hier findet man Musiker, die lediglich aus reiner Freude an der Musik musizieren. Zudem sind es noch allesamt ganz nette Zeitgenossen, was ja auch immer seltener vorkommt. Live eine echte Bank, ganz im Ernst!
Kann man nicht anders sehen!
Ich hab die Kapelle 2002 in einem kleinen Schmuddelbunker in Oer-Erkenschwick gesehen und keine großen Erwartungen gehabt. Umso mehr war ich total geflasht von deren Witz, Spielfreude und deren großartiger Musikalität. Wenn die Kapelle in Eurer Nähe spielt - Konzertbefehl!
Hey, Discographie aktualisieren: Album fünf heißt: "The underforgotten table"