laut.de-Kritik
Wo die wilden Kinder singen ...
Review von Matthias von Viereck"Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch"
Erich Kästner
Märchenzeit! So kurz vor Weihnachten schielt all überall unser aller Freund, der gute alte Eskapismus um die Ecke. "Erzähl mir Märchen" titelt die Zeit vom 10. Dezember, um weiter hinten, im Feuilleton, festzustellen: "Märchen sind keine Kindersache".
Die Süddeutsche druckt paar Tage später einen Vortrag der Schriftstellerin Felicitas Hoppe über "den schwierigen Pinocchio, die einsame Pippi Langstrumpf und die Notwendigkeit, Kinderbücher zu lesen". Und im Kino, da entführt uns James Cameron mit "Avatar" in Bildwelten, die das Adjektiv "märchenhaft" vollends verdienen. Genauso wie auch "Where The Wild Things Are" von Spike Jonze, der Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Maurice Sendak aus dem Jahr 1963.
Dass es zu einem Film von Spike Jonze einen ordentlichen Soundtrack geben würde, das war zu erwarten. Dass er allerdings so schön ausfällt, überrascht denn doch. Karen O von den Yeah Yeah Yeahs also hat sich mit einer Schar von Künstlern, darunter etwa: Bradford Cox (Deerhunter), Dean Fertita (Queens of the Stone Age), Aaron Hemphill (Liars) oder auch Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs), zusammengetan. So weit, so langweilig.
Dazu aber gesellt sich ein vielköpfiger Kinderchor ("the Kids"), der dem Ganzen erst seinen besonderen Charme gibt. Das Booklet zur CD listet denn auch ganze 16 "singing children", dazu zwei "adult singers". "Karen O And The Kids" gelingt mit diesem Soundtrack ein höchst liebevolles, anrührendes Stück Musik.
Natürlich schießt einem zunächst auch das Wort "Kindermusik" durch den Kopf: Liebliche Melodien, teils an Schlaflieder erinnernde Harmonien, dazu ein Instrumentarium, das von der Gitarre über Cello und Marimba bis hin zum Glockenspiel reicht. Je öfter man aber diese Platte hört, desto absurder erscheint einem das ohnehin ja sehr fragwürdige Label.
Vielmehr handelt es sich, da hat der Pressetext ganz Recht, um Musik, "wie Kinder sie machen würden". Und eben nicht um Musik für Kinder. Zumindest nicht ausschließlich. Was im Übrigen auch für den wunderschönen Film gilt, der Erwachsene nicht unterfordert und (etwas ältere) Kinder nicht zu sehr gruseln sollte.
Eine leichte Gänsehaut, gepaart mit wohligen Kindheitserinnerungen, erzeugt diese Musik sehr wohl, noch mehr freilich, hat man die dazu gehörigen Bilder aus dem Kinderbuch noch oder eben nun die des Films schon vor Augen (ja, zugegeben, diese Kritik möchte auch zum Besuch des Films ermutigen!). Auch im Kontext des Kinostreifens funktioniert der Soundtrack ganz hervorragend, wenn nicht noch besser: Egal ob Max (der neunjährige Protagonist der "Wilden Kerle") gerade mit seinen Monstern ein Fort baut oder mutterseelenallein im Wald ist.
Fast jeder Ton dieser Scheibe verrät, wie viel Spaß Karen O mit dem Projekt gehabt haben muss. Herrlich, wie alle am Ende von "Heads Up" in Ekstase geraten. Auch die in den Soundtrack eingestreuten Originalzitate aus dem Film, machen Sinn. In diese Musik kann man sich förmlich reinlegen, um nicht zu sagen reinkuscheln. Und sich dabei dann fast ein wenig so fühlen, wie Max sich fühlen muss, als er im Film mit der ganzen Horde an sympathischen Fell-Monstern "kuscheln" darf.
"Die Bilder haben sich in mein Gehirn eingebrannt", sagt Spike Jonze, der als "Executive Album Producer" auch den Soundtrack verantwortet, über das Kinderbuch von Sendak. Und wem, der das Buch kennt, geht es nicht genauso? Wenn der Soundtrack auch in Sachen Nachhaltigkeit nicht ganz die gleiche Wirkung haben dürfte, so erwischt man sich doch recht schnell dabei, wie man Stücke der Platte mitsummt, nachpfeift. Etwa das hübsche "All Is Love". Auch "Worried Shoes", das Original von Daniel Johnston, fügt sich gut ein, in diesen Reigen aus wunderbar bunten, wunderbar naiven Songs.
Dass sich Jonzes Ex-Freundin, Karen, dem Soundtrack angenommen hat, tut ihnen also sehr gut, den wilden Kerlen. Zusammen mit Buch und Film ergibt das ein feines Dreigestirn. Glücklich, wer das Buch noch aus Kinderzeiten zu Hause hat.
Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Tour, bei der man Karen O mit all ihren Kids und vielleicht ja sogar einigen der so liebevoll gestalteten Filmmonster zusammen auf einer Bühne erleben darf. Vor Weihnachten darf man sich doch mal was wünschen. Apropos: Selbstredend eignet sich diese Platte auch als Geschenk für kindgebliebene Erwachsene und bockbeinige Bengel und Bengelinnen vom Schlage eines Max.
So, und nun ist mal Schluss mit allem Überschwang, aller Märchenseeligkeit, allem Eskapismus. Schließlich wartet das warme Abendessen der Mutter (man höre: "Food Is Still Hot") schon viel zu lang auf uns ...
9 Kommentare
muss....diesen....film...gucken...
geht mir genauso.. ich bin schon ganz hippelig vor freude.
Hab ihn heute gesehn, schöner film, aber iwie ist das Kind krank.
das cover ist auf jedenfall strange
@Stöf (« Ein großer Film, für Kinder gedacht aber wohl nicht für sie gemacht. »):
Wie kommst du darauf? Die Kinder bei uns in der Vorstellung machten einen begeisterten Eindruck.
Ähm ja, die Kinder haben wohl sehr wohl Spaß dran. Aber ich glaube die Tiefe der Charaktere ist ihnen nicht mal ansatzweise bewusst. Wir hatten auch Kinder in der Vorstellung, die einen sind zu jung um es zu begreifen, die anderen zu alt und langweilen sich weil Action fehlt.