laut.de-Kritik
Lyrik-Hammer und gefühlsbetonte Cinemascope-Scores.
Review von Alexander Cordas"Es gibt in Peking neun Millionen Fahrräder. Das ist eine Tatsache. Etwas, was wir nicht leugnen können. Wie die Tatsache, dass ich dich für immer lieben werde."
Urks. Na wenigstens kann man Katie Melua für diesen Kokolores nicht zur Verantwortung ziehen. Mike Batt war der Knilch, der diesen Stuss verfasst hat. Ähnlich seltsam mutet "Halfway Up The Hindu Kush" an. Ob sich dort jetzt Turban tragende Taliban herum treiben oder nicht, es gibt wahrlich angenehmere Orte um dem Süßen mitzuteilen, dass er ein ganz doller ist. So grausam die Lyrik, so sanft und anmutig fließend geriert sich die musikalische Seite von Katie Meluas zweitem Streich "Piece by Piece". Unaufdringliche Grooves ("Shy Boy"), zarte Ethno-Anleihen beim erwähnten Lyrik-Hammer und gefühlsbetonte Cinemascope-Scores zementieren ihren Ruf als Musikerin mit Ambitionen.
Als Interpretin macht die junge Dame eine ebenso gute Figur. Direkt aus Johnny Mercers Songbook trällert sie "Blues In The Night" in der ihr eigenen Art. Mit hoher, klarer, aber nach wie vor etwas gewöhnungsbedürftiger Stimme. Die von Mike Batt ausgeheckten Arrangements verdienen zu jeder Zeit das Prädikat professionell. Lediglich die etwas ausufernde Instrumentierung verstellt den freien Blick auf die Künstlerin Melua, die vor lauter Streichern und Bläsern des öfteren hinter der barocken Ausgestaltung zu verschwinden droht.
Bei der Interpretation der Covers konzentriert sich Melua darauf, ihren Versionen eine eigene Note zu verleihen. Was beim Canned Heat-Schunkler "On The Road" zumindest gesanglich nicht so ganz hinhaut - die instrumentelle Seite groovt gar köstlich - macht sie beim Cure-Evergreen "Just Like Heaven" wieder wett. Auch wenn ich für diese Aussage von Cureisten gesteinigt werde: Meluas Version hat was.
Wenn sich das Album zu Ende neigt, greift Katie gleich zweimal in die Kiste mit den großen Gefühlen. "I Cried For You" und "I Do Believe In Love" sind Herzschmerz-Perlen der ganz großen Sorte. Die von ihr selbstverfassten Tracks bringen exzellenten Melodiesport zum Tragen. Sie kann sehr wohl auch ohne Batts schützende Hand auf eigenen Beinen stehen. Reduziert auf Gitarre und Gesang verkommen Geigen und co. schon fast zur lästigen Dreingabe.
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