laut.de-Kritik

Astronauten-Rapper fliegt durch Astroworld.

Review von

Was erwarten wir von einem Kid Cudi-Album 2020? Natürlich freut sich alle Welt über die Rückkehr von einem der größten Sympathen der Sprechgesangsgeschichte. Vor allem, wenn nach "Kids See Ghosts" und "The Scotts" eine Bühne geschaffen wurde, wie Cudder sie lange nicht geboten bekam. Was erwarten wir also von ihm? Fortschritt, eine neue Idee oder ein Eingliedern in die aktuelle Rapszene? Oder doch nur Monumentpflege? Der dritte Teil der legendären "Man On The Moon"-Reihe versucht sich an beidem: Astronauten-Rap mit Mike Dean-Epik trifft auf weltliche Rager.

Die Dreiaktstruktur, die die Tracklist suggeriert, gibt nicht so viel Sinn wie die recht offensichtliche Flügelung, der die Tracklist folgt. Die erste Hälfte klingt, wie zur Zeit leider sehr vieles klingt und versucht, Cudis Rap-Fortschritt allein zum Verkaufsmerkmal zu erklären. Dann ein Bruch – und nach "Mr. Solo Dolo III" treffen wir Vintage-Cudi, als wäre kein Tag vergangen. Nur die ersten Tracks zeigen konsistent, was hätte sein können, wenn man beides gleichzeitig probiert.

"Tequila Shots" und "Another Day" starten extrem vielversprechend. Cudis amateurhaft-charmanter Flirt mit den 2000er-Indie-Melodien wird hier in zeitgemäße Trap-Psychedelia gehievt. Den Vocals bleibt Cudi treu, heißt, sie geraten kernschief, aber das Songwriting sitzt felsenfest im Sattel, die Atmosphäre findet sich einmal in der Stoner-Höhle des depressiven Oberstufen-Homies von damals wieder und die Hooks klingen scharf wie eh und je. Die smoothe untere Tonlage fließt in die klanglich stärksten Momente der Platte und beizeiten rappt Cudi, als wäre er ein richtiger Spitter.

Doch was großartig anfängt, reduziert sich im Laufe der ersten Hälfte immer weiter auf das Versprechen. Natürlich können die Jungs um DotDaGenius, Take A Daytrip und Mike Dean Songs wie "Heaven On Earth" oder "Dive" ambitioniert und immersiv klingen lassen. Aber je mehr Cudi über Parties und Frauen rappt, je mehr Take A Daytrips zur Zeit zu dominant gleichförmigem Sound in die Ästhetik sickert, desto blasser fühlt sich "Man On The Moon III" an. Man fühlt sich immer kurz an "Astroworld" oder sogar " Ta13oo" erinnert, die ebenso konzeptuell angestrichen waren, aber am Ende von ihren Bangern und Skills lebten. Ein bisschen ähnlich sieht aus auch mit der konzeptuellen Natur dieser Platte aus. Nur: Wo sind dann die Banger?

Kein Song illustriert diese Schwäche besser als das bizarr wahllose "Show Out". Pardon, wo kommen der Drill-Beat und die Pop Smoke-Hook her? Warum rappt da jetzt auf einmal Skepta? Und vor allem, warum in drei Teufels Namen rappt Cudi, dessen Kern-Appeal es ist, der viel zu emotionale Softboy aus Ohio zu sein, jetzt darüber, mich zu erschießen? Ein bisschen fühlt man sich inzwischen an "Jackboys" zurück erinnert, das ebenso Mike Dean-assistierte Trap-Versatzstück, das mit ein bisschen Glitzerstaub viel ambitionierter ausgesehen hat, als es es tatsächlich war.

Zum Glück kommt dann doch der Wendepunkt, denn nach mehrmaligem Hören zieht die erste Album-Hälfte ein bisschen mehr. "Mr. Solo Dolo III" läutet die wahre Kompetenz von Cudder ein, Lines wie "Don't tell me to be cool, this is how cool I can be" spiegeln viel mehr, wofür man den Mann musikalisch konsultiert. Herzerwärmend: Classic Rock-Samples, subnautische Synthesizer-Wände, verstrahltes Gemurmelt und ganz viel melodramatische Hook-Arbeit.

"Elsie's Baby Boy (Flashback)" knöpft sich einen Animals-Klassiker für eine Reflektion über das Verhältnis zur eigenen Mutter vor, "Sept. 16" vereint auf Finneas-Produktion Sehnsucht und Angst vor der Liebe. Wenn auf "Lovin Me" dann Phoebe Bridgers auf einen Gastbeitrag vorbeischaut, dann fühlt man sich, als hätte man 2009 das erste Mal gehört, dass da ein Rapper einen Song mit MGMT veröffentlicht. "4 Da Kidz" liefert ein spätes Highlight und gibt Cudis neu gefundenem Rap-Feuer noch einmal die Plattform, auch im Kontext seiner Alt-Rap-Neopsychedelia wirklich zu überzeugen.

Was erwarten wir also von Cudi? Am besten funktioniert er immer noch dann, wenn er seiner Linie treu bleibt. Die zweite Hälfte von "Man On The Moon III" liefert ein paar der stärksten Song-Runs des Jahres und atmosphärische Highlights, wie sie kein anderer MC so leisten könnte. Trotzdem bietet das Album auch nur einen kurzen Blick auf das, was 2020-Cudi hätte sein können: Denn zwischen einer durchwachsenen ersten und einer nostalgischen zweiten Hälfte finden sich viele Anleihen in Richtung Mike Dean-Pömp, Travis Scott-Düsternis und Lyrical Lemonade-Pop-Appeal, aber nur kurze Momente der Synthese.

Trackliste

  1. 1. Beautiful Trip
  2. 2. Tequila Shots
  3. 3. Another Day
  4. 4. She Knows This
  5. 5. Dive
  6. 6. Damaged
  7. 7. Heaven On Earth
  8. 8. Show Out (feat. Skepta & Pop Smoke)
  9. 9. Mr. Solo Dolo III
  10. 10. Sad People
  11. 11. Elsie's Baby Boy (Flashback)
  12. 12. Sept. 16
  13. 13. The Void
  14. 14. Lovin' Me (feat. Phoebe Bridgers)
  15. 15. The Pale Moonlight
  16. 16. Rockstar Knights (feat. Trippie Redd)
  17. 17. 4 Da Kidz
  18. 18. Lord I Know

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7 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 3 Jahren

    Stellenweise exzellent, stellenweise aber auch sehr austauschbar und repetitiv. 12 Tracks hätten es meiner Meinung nach auch getan, vor allem diese Pop Smoke-Nummer hätte man sich echt klemmen können und wäre vielleicht maximal als B-Seite in einer Nachfolge-EP okay gewesen. Insgesamt fiel mir auch auf, dass genau die Nummern, in denen er nicht versuchte, einen modernen Klang zu finden, allesamt um Welten besser waren als der Rest.

    An und für sich ein stabiles Projekt, und gemessen an seinen letzten Solo-Werken immerhin keine Vollkatastrophe. Leider erwartet man von dem Man on the Moon-Titel etwas mehr, was leider nicht erfüllt wurde.

  • Vor 3 Jahren

    Vielleicht 3-4 Tracks zu viel, aber trotzdem mindestens 4 von 5. Vielleicht bin ich da aber auch sehr parteiisch, weil ich seit 10 Jahren auf dieses Album warte wie auf keine anderes. Ich finds bis jetzt großartig und hätte mir Cudi 2020 nicht besser vorstellen können.

  • Vor 3 Jahren

    Ab "Mr Solo Dolo III" isses großartig, davor nicht grandios, aber OK. 4/5 hätte man dafür schon geben können.