laut.de-Biographie
Kool Savas
Die Suche nach einem Künstlernamen führt Kool Savas relativ schnell zum Eintrag in seinem Pass: Savas Yurderi steht da. 'Savas' bedeutet 'Krieg'. Kann es überhaupt einen besseren Künstlernamen für einen Battlerapper geben als 'Kalter Krieg'?
Das erste Jahr seines Lebens verbringt Savas Yurderi in Aachen. Eine Stadt, die später noch einmal Bedeutung für ihn erlangen soll. Zunächst zieht es die türkische Familie jedoch zurück ins Heimatland. Dort läuft es allerdings alles andere aus rund. Aufgrund seines politischen Engagements wird Savas' Vater verhaftet und landet für fünf Jahre hinter Gittern. Um eventuellen Repressionen zu entgehen, fliehen Savas und seine Mutter zurück zu Verwandten nach Aachen. Bis die Familie in Berlin-Kreuzberg wieder zusammenfindet, ist der Sohn elf Jahre alt.
Wie viele Teenager Anfang der Neunziger geht Savas in der Hauptstadt zu Demos gegen Nazis und Abschiebungen oder hängt in besetzten Häusern ab. Zu dieser Zeit beginnt er, auf Englisch zu rappen, orientiert sich besonders an Westcoast-Acts wie Too Short, Compton's Most Wanted oder MC Eiht.
Über die Stationen Rhyme Guns (RGS), CPS, Crew First League und Basic Elements (mit Ono von Walkin Large) gelangt er an den Rap-Workshop. Hier trifft er Fumanschu, und zusammen besuchen sie mit dem Hip Hop-Mobil die US-Millionenmetropole L.A. In Kalifornien muss Savas erkennen, dass er mit englischen Lyrics im Vergleich zu seinen Ami-Kollegen zwangsläufig den Kürzeren zieht.
Kurz nach dem Amerika-Trip schreibt er mit Justus Jonas und Fumanschu den Song "Masters Of Rap", der später die Grundlage für den Crew-Namen M.O.R. liefert. Kurzzeitig nennt er sich JUKS, was er aber bald - siehe oben - zugunsten seines wahren Namens wieder aufgibt.
Es folgt das Westberlin Maskulin-Tape "Hoes, Flows, Moneytoes" mit Taktlo$$, das Album vereint düstere Synthie-Sounds mit sperrigen Beats und wahrhaft asozialen Raps. 1999 wird das Werk als LP noch einmal neu aufgelegt. Ein Jahr später erscheinen das zweite WBM-Album "Battlekings" sowie Savas' erste Solo-Single "LMS / Schwule Rapper" auf dem Label Put The Needle To Da Record.
Savas dazu: "Astrid Milewski wollte einen Film machen. Sie hat etwas mit SMC, Fuat und mir gemacht. Ich habe ihr ein Tape von mir gegeben. Das hat sie dann an den Juice-Chefredakteur weitergereicht. Der war so begeistert, dass er es überspielt und ein paar Leuten von ShowDown, FourMusic und Peter von Put Da Needle geschickt hat."
"Show-Down und FourMusic fanden es anscheinend richtig ekelhaft. Eines Tages rief Peter an und schlug vor, sich zu treffen. Als ich ihn fragte, wo er wohnte, meinte er, er wohne in Aachen. Ich sagte: 'Cool, meine Tante heiratet bald, da muss ich eh' nach Aachen.'"
Savas' Bekanntheitsgrad steigt nun stetig. Den Durchbruch aus dem Untergrund schafft er zusammen mit Plattenpapzt und einem Low-Budget-Video zur Single "King Of Rap". Der Name dieses Tracks wird zum gern verwendeten Zitat im deutschen Rapgame: Zugerechnet wird der Titel allerdings stets Kool Savas.
Der Hype um ihn fußt nicht zuletzt auf negativem Namedropping: Von Blumentopf über Fettes Brot, Spax und Deichkind kriegen allerlei Genre-Kollegen ihr Fett weg. Andererseits wollen viele seine Gunst: Ob nun DeJaVue, Creutzfeldt und Jakob, Der Klan, Azad oder Curse: Alle laden den Mann auf ihre Alben.
Selbst dem RZA und den Smut Peddlers leiht Savas seine Stimme. In atemraubender Geschwindigkeit rappt er sich in die oberste Etage der deutschen Rap-Liga hoch. Den besten Beweis für seinen Erfolg liefert die Tatsache, dass ein längst etablierter Samy Deluxe den angeblichen Beef mit Savas in einem Song ("Hab Gehört") verarbeitet.
Trotzdem fehlt immer noch ein echtes Soloalbum. Mitte 2001 steht immerhin die EP "Haus Und Boot" in den Plattenläden. Das Werk schafft es trotz sperriger Sounds mit Leichtigkeit in die Media-Control-Charts: der letzte Beleg, dass Kool Savas inzwischen zu den Rap-Superstars in Deutschland gehört. Im Herbst 2001 trennt sich Kool Savas von der M.O.R.-Crew, um sich verstärkt seiner Solokarriere zu widmen.
Nach extrem schlechten Erfahrungen mit dem Label Put Da Needle gründet er zusammen mit Neuentdeckung Eko Fresh, Sängerin Valezka, DJ Nicon sowie Produzentin und Freundin Melbeatz die Optik Crew. Zur Überraschung der Szene wählt er das Majorlabel Subword/BMG, auf dem unter anderem MB1000 und Toni L unter Vertrag stehen, als Dachorganisation für sein Vorhaben.
Es folgen diverse Optik Crew-Features auf den Alben von Roey Marquis und DJ Desue. 2002 bricht endlich "Der Beste Tag Meines Lebens" an. Der Künstler, der sich seit dem Labelwechsel nur noch Kool Savas (ohne vorangestellten King) nennt, entfernt sich auf seinem Erstling langsam aber sicher vom puren Battle-Rap und reift zum ernstzunehmenden MC.
Der kommerzielle Erfolg des Albums ist beachtlich. Im August 2003 verkündet Savas überraschend die Trennung von seinem Zögling Eko. Dass der Split nicht ganz friedlich über die Bühne gegangen ist, zeigt sich im Anschluss: Es folgt eine regelrechte Schlammschlacht zwischen den beiden Lagern.
2004 steht im Zeichen des Mixtapes "Die Besten Tage Sind Gezählt". Manch ein Kritiker vergleicht Savas schon mit US-Legenden wie Tupac oder Jay-Z. Auch das erste "Optik Takeover"-Mixtape und der für die Szene bahnbrechende Savas-Samy-Track "OK" erscheinen in diesem Jahr.
2005 sorgt Savas zunächst gemeinsam mit Azad für Furore. Der Berliner und der Frankfurter sind, wie die zahlreichen gegenseitigen Features im Vorfeld belegen, "One". Die Single "All 4 One" katapultiert die beiden Rapper auf Platz vier der Charts.
Zusätzlich verarbeitet Savas seine Trennung von Langzeitfreundin Melbeatz in dem untypisch gefühlvollem Song "Was Hab Ich Dir Angetan?" Die Neubesetzung der Optik Army, bestehend aus Caput, Amar, Ercandize sowie Savas' Bruder Sinan und seinem Cousin Dimi stellt er auf dem Mixtape "Die John Bello Story" vor, für das er außerdem internationale Gäste wie Cam'ron und Juelz Santana gewinnt.
2007 hostet Savas erneut das "Feuer Über Deutschland"-Battle, in dessen Rahmen sich verschiedene Teams gegenseitig im K.O.-Verfahren stilvoll beleidigen dürfen. Im selben Jahr, über fünf Jahre nach seinem regulären Debütalbum, veröffentlicht der King of Rap unter großer medialer Aufmerksamkeit endlich seinen Zweitling.
Für "Tot Oder Lebendig" verzichtet Savas - mit Ausnahme von Azad - auf Gastrapper, von der Optik Army singt lediglich Moe Mitchell zwei Hooklines ein. Noch immer zeigt sich Savas kompromisslos, noch immer ist er ein Battle-MC, auch wenn sich das fortschreitende Alter und die zunehmende Erfahrung unbestreitbar in seinen Texten niederschlagen.
Nach sieben Jahren Labelarbeit gibt Savas 2008 bekannt, Optik Records werde zum Jahresende die Pforten schließen – nicht jedoch ohne vorher in Form der "John Bello Story 2" noch einmal einen Querschnitt durch das Label-Line-Up zu veröffentlichen.
Kool Savas allerdings hat das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Seine EP "Was Hat S.A.V. Da Vor?", als Magazinbeilage veröffentlicht, schürt Appetit auf mehr. Der "John Bello Story" dritter Teil erscheint im Frühjahr 2010.
Zahlreichen Mixtapes, EPs und Samplern lässt Savas im November 2011 die dritte Soloplatte folgen. Mit seiner "Aura" setzt er seinem bisherigen Erfolg die Krone auf und chartet auf Platz eins. Allein in der ersten Verkaufswoche geht die Platte über 37.000 Mal über den Ladentisch und steigt damit zum erfolgreichsten Deutschrap-Release des Jahres auf: ein hübscher Erfolg für Savas' inzwischen gegründetes neues Label Essah Entertainment.
Einen Monat später verurteilt das Berliner Landgericht den Rapper wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu einem Schmerzensgeld. Savas hatte Jörg Kachelmann 2010 auf mehreren Konzerten beleidigt und ihn unter anderem als "verfickte(n) Wetterfrosch" bezeichnet. Vor Gericht beruft sich der Berliner auf die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit, muss dem Wettermoderator aber letztendlich 10.000 Euro Schmerzensgeld abdrücken.
Im Gegensatz zu Kachelmann feiert ein musikalischer Kollege Savas' dessen Schaffen schon seit Jahren, obwohl er aus einer ganz anderen Ecke stammt: Xavier Naidoo. Nach etlichen losen Zusammenarbeiten heben die beiden 2012 das Kollabo-Projekt Xavas aus der Taufe - um in diesem Rahmen Tracks zu veröffentlichen, die man weder von dem einen noch dem anderen erwartet hätte. Mit "Schau nicht Mehr Zurück" gewinnt das ungleiche Duo nebenbei auch noch den von Stefan Raab ersonnenen "Bundesvision Songcontest".
Mit "Märtyrer" liefert Savas 2014 dann aber wieder, was ihm ohnehin am besten steht: einhundertprozentigen Rap. Essah Entertainment fungiert mittlerweile als Bookingagentur, um Labelbelange kümmert sich die im April auf den Plan getretene Firma Essah Media. Mit dem dritten Nummer-eins-Album in Folge lassen sich prima Clubs und Hallen füllen. Zusammen mit Montez, Cr7z, The Grouch und Eligh tut Savas genau das und stellt wieder einmal die Frage: "Warum Rappst Du?"
Die Antwort liefert er bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und das sehr gerne in Gesellschaft: Als Taktlo$$ 2016 erklärt, er wolle sich von der Bühne verabschieden, liefert das einen guten Anlass für eine kurzzeitige Westberlin Maskulin-Reunion. Auf "Essahdamus", das im gleichen Jahr erscheint, kollaboriert er mit Gott und der Welt zwischen KC Rebell und Gentleman, darunter auch Azad und Sido.
Aus der Zusammenarbeit mit letzterem erwächst ein ganzes Album: Das nach ihrer früheren Wirkstätte "Royal Bunker" getaufte Werk erscheint im September 2017. Auf der Tour zum - natürlich wieder auf der Eins platzierten - Album legen die beiden noch das Mixtape "Wasch Den Thron" nach.
Inzwischen haben sich die Wege von Kool Savas und seinem langjährigen Back-Up-MC getrennt. Für Laas Unltd. übernimmt Takt32 den Posten des Mannes, der beim King of Rap das letzte Wort hat. Bis Savas und Takt32 allerdings ein gemeinsames Album vorlegen, ziehen mehrere Jahre (und eine kleine Pandemie) ins Land: "Moai" erscheint erst 2023 - nachdem Kool Savas seine Diskografie mit "KKS" und "Aghori" um zwei weitere topplatzierte Alben erweitert hat.
Wird eigentlich alles zu Gold, das dieser Mann anfasst? Bereits 2009, als man ihn bei der Juice zum besten deutschen MC wählte, ließ Kool Savas einen Kommentar ab, der sein komplettes Schaffen beschreibt: "Das ist eine Riesenehre. Aber unterm Strich ist es Fakt, dass ich hart dafür gearbeitet habe, und ich habe mich an diesem Spot auch selbst immer gesehen. Für mich ist Rap immer auch Competition."
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