laut.de-Kritik

Wundertüte vom Reißbrett.

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Etwa alle fünf Jahre scheint im Hause Essah Entertainment die Idee für ein Kollabo-Projekt auf Albumlänge aufzubranden. Wo Kool Savas 2012 noch an der Seite von Xavier Naidoo die "Gespaltene Persönlichkeit" berappte, stieg er 2017 mit Sido aus dem "Royal Bunker" empor. Anfang 2023 bittet der selbsternannte "King of Rap" sein ehemaliges Protegé Takt32, der einst als sein Back Up-MC durchs Land tourte und sich mittlerweile als gefragter Songwriter wie auch als Rapper emanzipiert hat, zum gemeinsamen musikalischen Stelldichein. Zwar nicht auf der guten alten Plattenlänge – wobei die heutzutage ohnehin kaum noch als Maßstab herangezogen werden kann – dafür auf einer EP, die sieben Songs beinhaltet und auf den Namen "Moai" hört.

Wer jetzt verzweifelt versucht, ein Akronym hinter den Buchstaben zu erkennen und dieses zu entschlüsseln, dem sei gesagt: Hinter den Moai verbergen sich gigantische Steinskulpturen, zumeist als riesige Köpfe modelliert, die seit Jahrhunderten als Wahrzeichen auf den Osterinseln vor der chilenischen Westküste stehen. Savas und Takt inszenieren sich also als unverrückbare Statuen einer Szene, in der musikalisch schon lange kein Stein mehr auf dem anderem bleibt.

Im Opener "Wenn Ihr Schlaft" klimpert eine royale Klaviersinfonie gefällig den gesamten Beat entlang. Das erinnert in seiner Opulenz an den Song "Empire State Of Mind" von Jay-Z und Alicia Keys. Passend dazu liefert Takt in der Hook die Zeilen: "Der Beat vom Tod und die Bässe gehen tief / auf deinem Sarg wird ein Festival gespielt / Bin der erste und der letzte, den du siehst / Ich töte deine Träume, aber rette die Musik". Auch Savas hat noch "immer ein Ass im Ärmel wie Zauberer" und schickt in seiner Strophe die obligatorischen Grüße an Wack-MCs: "Komme aus der Ära von Aaliyah, Bruder, try again". Ein durchaus kurzweiliger Aufschlag, bei dem es minimale Abzüge für die zu hoch gepitchte Stimme von NKSN in der Hook gibt.

Womit wir direkt beim Grundproblem der EP wären, nämlich ihren überwiegend schmalzigen R'n'B-Hooks nach Schema F, deren Inhalt vorhersehbar ist und jegliche Überraschungsmomente in den meisten Songs verhindert. Vier der sieben Tracks haben Savas und Takt mit solchen Hooks ausgestattet, die allesamt von Gastsängern übernommen werden. NKSN, Yaikess und Vito, der gleich zweimal vertreten ist, haben als Musiker alle ihre Daseinsberechtigung, ihre Hooks würden an anderer Stelle sicher prima im Radio funktionieren. Zeilen wie "Die Narben auf der Haut hier, die geh'n nie wieder weg / Wollt nicht, dass du sie siehst und hab' sie vor dir versteckt / Dann zeigtest du mir deine und da hab' ich gecheckt / In dieser abgefuckten Welt hier ist kein Mensch perfekt" verschrecken auf einer EP von Savas und Takt allerdings eher.

Dabei hätten einige der Themen in den vier eher als klassische Storyteller ausgelegten Songs durchaus Raum geboten, die Stimmungslage der Protagonisten in kurzweilig selbst gerappten Hooks wiederzugeben. Im Titeltrack "Moai" beispielsweise erzählen Savas ("Mein Treibstoff ihre Zweifel und Geringschätzung") und Takt ("Tausend Tage, wo ich dachte, ich schreib nie mehr 'nen Part") von dem von ihnen geleisteten Widerstand auf ihrem steinigen Weg und schenken Mut, es ihnen gleichzutun.

Während sich Takt und Savas in "Timeline" durch das Bilderbuch des Lebens klicken, gelingt es hier vor allem letzterem, eine emotionale und intime Atmosphäre aufzubauen. Savas rappt in der Strophe über seinen verstorbenen Freund und Produzenten DJ Smoove, mit dem er jahrelang gemeinsam in einem gemieteten Haus im beschaulichen Bamberg an seiner Musik tüftelte: "Schliefen im Studio auf der Couch, Dilla blickte von oben auf uns herab / Der Beat läuft weiter im Loop, bis zum nächsten Morgen / Ich fuck' mich ab, dass du weg bist, der korrekteste Beste / Für dich war kochen wie produzieren, deswegen mochte ich dein Essen".

Abseits der themenbezogenen Tracks haben Savas und Takt für "Moai" aber auch auf Battle-Ebene Übereinkunft erzielt. Mit "Check" legen sie einen Song vor, der diese Attitude in Reinform bedient. Das liegt nicht ausschließlich an den pointierten und humorvollen Zeilen der beiden (Takt: "Glückwunsch zu der 1, von welchem Writer war die Songidee?"; Savas: "Dachtet, dass ich falle, habt gesagt, es wurde wirklich Zeit / Doch ich verlier' nur, wenn ich selbst ein Urteil für mich schreib'"). Den wilden Vortrag runden Samra und Gringo ab – insgesamt eine Mischung aus Rappern, mit der man nicht unbedingt rechnen konnte, die aber für Erfrischung sorgt.

Einen Spittertrack derselben Couleur liefern Takt und Savas mit "KMKD" ab. Auf einem roughen Beat, angelehnt an Fabolous' "Breathe" und mit einem Sample dessen ausgestattet, gibt es hier "zweimal 32 Bars (komm ma' klar damit"). Badmomzjay ist hier offiziell zwar nicht als Feature gelistet, unterstreicht in der Hook und in Savas' Part aber dennoch einige markante Zeilen wie "Blas' mir ein'n, damit du weißt, so könnt' Erfolg schmecken" mit ihren Vocals und lässt somit erkennen, dass sich die gegenwärtige Rapper:innen-Generation nicht hinter den Veteranen verstecken muss.

Wenn es für diese EP ein Konzept gegeben haben sollte, stand am Reißbrett sicher so etwas wie "Wundertüte". Auf musikalischer Ebene ist "Moai" ein solide-produziertes Werk. Zwar fahren Savas und Takt verschiedene Styles und öffnen sich für den modernen Zeitgeist. Das Gefühl, dass man damit verschiedene Generationen an Rap-Zuhörern und Fanlagern einfangen wollte, verlässt einen auf der gesamten Platte aber nicht. Das beweist einmal mehr der Track "Haters", auf dem sich beide MCs anschicken, auf einem Drill-orientierten Beat zu reimen. Dabei ist den beiden durchaus bewusst, dass man es manchen Menschen einfach nicht recht machen kann, denn: "Haters gonna hate".

Trackliste

  1. 1. Wenn Ihr Schlaft feat. NKSN
  2. 2. Moai feat. Yaikess
  3. 3. Check feat. Samra & GRiNGO
  4. 4. KMKD
  5. 5. Narben feat. vito
  6. 6. Haters
  7. 7. Timeline feat. vito

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