laut.de-Kritik
King Of Rap? Das war einmal.
Review von Johannes Jimeno"Essahdamus" empfängt mit den "Anekdoten aus Istanbul 2", in denen der Großvater auf Türkisch von der Flucht des kleinen Savas aus seinem Heimatland erzählt. Die Fortsetzung der Anekdoten seiner Großmutter aus dem letzten Soloalbum "Märtyrer" unterstreicht das zauberhaft-nostalgische Cover. Der Auftakt geht nahtlos in "Surrender" über und drückt kräftig aufs Gaspedal. Fliegende Metaphern, Doubletime, eine wunderbare Gesangshook und ein passendes Kanye West-Audiosample aus einem Jimmy Kimmel Interview erstaunen gleich zu Beginn.
Leider stößt "Baby Ich Bin Ein Rapper" die Zuhörer jetzt schon gehörig vor den Kopf. Der süßliche Beat und die cheesy Hook jaulen ins Ohr, und gleich mit ihrem ersten Auftritt zerstört Karen Firlej den Alltime-Classic "Rapper's Delight" der Sugarhill Gang auf widerlichste Art und Weise. Das tut verdammt weh!
An dieser Stelle springen zwei Attribute ins Auge, die auf diesem Mixtape ihr Unwesen treiben: zum einen Savas' Hang zu cheesy Hooks und zum anderen Karen Firlej, die auf sage und schreibe 9 von 18 Tracks vertreten ist und fast nie zum Gesamtkontext passt. Warum sich die ehemalige The Voice Of Germany-Kandidatin dermaßen im Game breitmacht und schon bei Sillas letztem Output beinahe Überhand nahm, bleibt unerklärlich. Selbst "Essahdamus" hat dafür keine Antwort parat.
Adesse trällert seine Hook in "Triumph" und schmalzt den Song voll: "Sie wollen den Thron haben, guck, ich weiß, jeder wäre gern die Eins, oh-oh-oh / Und sitzen sie darin, merken sie ganz schnell: sie sind dafür zu klein, oh-oh-oh." Firlej schmachtet in "Auge" ein ganzes Wort und pachtet die Cheesyness für sich ganz allein, in "Candyman" säuselt sie die Vocal-Backups und im Interlude "Auf Euch Gehört" spricht sie zusammen mit Remoe brutalst pathetisch. Den Vogel schießt sie in "Steinzeit" ab mit folgenden grenzdebilen Worten: "Sie lassen sich ficken / Rein, raus, rein, raus, rein, raus."
Damit hat sie eindeutig den Nate Dogg Deutschlands Moe Mitchell abgelöst als neue Hook-Hoe. Besagter Mitchell findet sich tatsächlich auch auf "Essahdamus" und hat was für einen Part? Quelle surprise – die Hook! In "Ernst gemeint" spendiert ihm Essah ganze fünf Zeilen. Das ist ziemlich traurig für seine Verhältnisse.
Ein einziges Mal setzt Karen Firlej ihre 08/15-Singsang-Stimme gewinnbringend ein, in "Essah, Essah". Der rundeste Track des Albums berührt einen ungemein durch Savas' sehr persönliche Texte und einen melancholischen Beat. Das Intro erinnert an Studio Ghibli-Animes mit einer wehmütig-verträumten Pianomelodie. Herr Yurderi selbst twitterte im Vorfeld, dass "Essah, Essah" sein bester Song jemals sei. Dies ist sicherlich Geschmackssache, aber ein wunderbarer Abschluss für dieses Mixtape bedeutet es allemal.
Die Beats ernüchtern bis auf wenige Ausnahmen mit standardisiertem Bumbum-Tschack, das zuweilen mit Klavier und Synthies aufgehübscht ist. Gerade von Workaholic Abaz hätte man mehr erwarten können, doch schoss er vermutlich auf Afrobs "Mutterschiff" sein Magazin leer.
"Rapper Wie Du" ragt am offensichtlichsten heraus, nicht nur wegen seiner Länge, sondern auch weil sich Essahs alte Rapcrew M.O.R. ein Stelldichein gibt. Acht Rapper tummeln sich auf dem dezenten Beat von DJ Smoove, der den Protagonisten genügend Platz für Lyrics lässt. Fast jeder Rapper glänzt mit seinem eigenen Stil und gestaltet den Track sehr abwechslungsreich. Hervorzuheben sind:
Taktloss als aberwitzig-verrückter Bösewicht, der einem den kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Big Derill Mack mit seiner tiefen Stimme und pointierten Punchlines ("Ja, der Mac ist am Start, bring' dein Album nicht raus / Steck's dir doch einfach direkt in den Arsch / Mich zu dissen war ein mega Fehler / doch ich guck' unbeeindruckt so wie Peter Zwegat"). Jack Orson mit vielen Klo-Metaphern und lustigen Vergleichen ("Es ist die gleiche Scheiße, bloß in eine andere Toilette / ... / Ich herrsche über das Wetter mit Donner und mit Blitzen / Find' mich auf Klo scheißen / aber das tu' ich nicht im Sitzen") und Illo, dessen Vortrag und Intonation an einen Poetry Slam erinnern.
Nach solch einem interessanten Posse-Song freut man sich auf die heimlichen Feature-Gäste. An drei Stellen treten plötzlich Rapper auf und liefern einen bärenstarken Part ab. Montez in "Auge" leistet einen lässigen Nachtrag und Cr7z flext bei "Steinzeit" in Highspeed-Doubletime alles und jeden nieder. Audio88 & Yassin jedoch zerbersten das komplette Mixtape en passant und stehlen King Essah die Show in "Ich Bin Fertig".
"Sneakers & Heels" bezaubert als völlig bekloppte Ode an den Fußfetischismus, umgeben von einem hervorragenden R'n'B-Beat mit Fingersnaps und einem schmalzigen E-Gitarren-Solo. Insbesondere Samson Jones, ehemals Jonesmann, rappt zwar exakt wie vor zehn Jahren, croont am Ende seines Parts aber in bester Usher-Manier herrlich überzogen: "Es sind die Dinger, auf denen du stehst / Reebok's, in denen du gehst / Ziehe die Schlappen aus und wink für mich / Ich bin down, wenn die Größe stimmt, yeah."
Den absurdesten Savas-Track seiner Geschichte komponiert er mit "Candyman". Im Interview mit hiphop.de erläutert er, dass 'Candyman' völlig untypisch und albern sei, weil er einen reinen Country-Popsong darstelle. Nun, das ist er tatsächlich, besitzt aber einen eigenwilligen Charme. Savas singt überraschend gut und dafür, dass er extrem konsequent produziert ist, verliert er beinahe seinen eigentlichen Witz.
Der Savas von 2002 hatte den Vibe und den Swag: man konnte ihn fühlen. Danach zeigte er immer noch einen sauberen Flow und wirkte aggressiv, doch blieb davon nicht mehr viel hängen. An was erinnert man sich von den Alben "Aura" und "Märtyrer" außer an die Hitsingles "Aura" und "Matrix"? Ist Kool Savas heute noch der 'King Of Rap'? Der Titel scheint doch eher ein nostalgisches Relikt vergangener Tage zu sein. Es gibt zudem nicht mehr diesen einen Rap, sondern viele Rap-Subgenres - wie soll man da einen König wählen?
25 Kommentare mit 7 Antworten
Musik für Sodi & den lautuser.
einfach nur endwack. deutschrap, mehr muss man wohl nicht sagen *lol* *lol* *rofl*
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
3 Punkte sind eine Unverschämtheit. Sau gutes Album!
Der übergewichtige Nuschelkönig ist (leider) lange Geschichte.
Fettes Tape. Finde nur ein oder zwei Tracks nicht gut.
So gut bzw. ordentlich „Aura“ und „Märtyrer“ auch waren, wirkte Savas im Kontext dieser beiden Alben doch etwas verkrampft. Das hat damals auch Niko von der Backspin ganz treffend analysiert. Konsequent veröffentlichte Savas nach den beiden Solo-Platten eine Art „John Bello Story IV“ namens „Essahdamus“, das wieder mit sehr vielen Feature-Gästen und keinem übergeordneten Konzept aufwartet. Über den noch präziseren Flow mag man streiten, lässt er doch fast keinen Raum mehr für anderweitige Spielchen. Doch auf diesem locker aus dem Ärmel geschüttelten, Mixtape-esquen Release zeigt Savas, dass er immer noch am besten funktioniert, wenn er einfach nur schnell seine 16er aufschreibt und runterrattert. Es ist nicht groß anders als andere Popcorn-Großtaten wie „Die besten Tage sind gezählt“ und Co., aber ohne Wut im Magen und vor allem mit diversen schwachen Features macht es einfach ungleich weniger Spaß als „früher“. 3/5.