15. Mai 2015

"Benenne nie eine Band nach einer Tragödie!"

Interview geführt von

Mit Tenacious D füllt er die großen Hallen, mit der Kyle Gass Band (kurz KGB) gilt es, kleinere Brötchen zu backen. Das scheint Kyle Gass, der zum Interview stilecht mit Flip-Flops und weißen Tennissocken erscheint, aber nicht im Geringsten zu stören. Gerade hat die Band in Europa ihr erstes Album veröffentlicht: geradliniger 70s-Rock mit textlichem Schalk im Nacken, jeder Menge E-Gitarre und gänzlich ohne Schnörkel. Wenige Stunden vor dem Tourabschluss in der Szene Wien erzählt der 54-jährige über seine Liebe zu Classic Rock und Blockflöte, die Zusammenarbeit mit Jack Black, warum man Bands nicht nach Katastrophen benennen sollte und einiges mehr.

Tenacious D, Kyle Gass Band, Schauspielerei: Mit all deinen Projekten leidest du wahrlich nicht an Unterbeschäftigung. Wie schaffst du es, eine Balance zu halten?

Weißt du, ich muss schon priorisieren. Im Normalfall steht Tenacious D an erster Stelle, das ist schon mein Hauptjob. Aber Jack (Black, Anm.) ist ja auch immer beschäftigt, also gibt es genug Zeit, um andere Dinge zu tun. Da kommt dann die Kyle Gass Band ins Spiel und diverse Engagements als Schauspieler. Aber mir kommts nie vor, dass ich zu beschäftigt wäre, irgendwie habe ich immer Zeit zum Rumhängen, mir Sachen ausdenken. Ich mag das so, ich brauche Freizeit. Ich habe da schon eine Balance gefunden. Ich bin aber sehr glücklich mit den Dingen, mir macht alles Spaß, was ich mache.

Und wenn du mal ausnahmsweise Freizeit hast?

Dann gehe ich es ganz relaxt an. Ich gehe wandern, hänge mit meiner Frau rum, normale Dinge eben. Aber sogar dann rattert mein Gehirn.

In diesen Ruhephasen entstehen dann also die Ideen für neue Songs?

Oh ja. Das braucht man, auch totale Einsamkeit. Aber wie gesagt, es ist kein echter Job. Ich muss ja nicht um acht oder neun Uhr früh aufstehen und arbeiten gehen. Klar, manchmal wird's schon ganz schön viel, aber meistens ist es immer ein großer Spaß. Aber wenn man schon so viel Glück hat, sowas machen zu dürfen, nimmt man das auch nicht auf die leichte Schulter. Ich versuche, hart daran zu arbeiten.

Das Kyle-Gass-Band-Album ist ja seit kurzem in Europa erhältlich, draußen ist es aber schon länger, richtig?

Ja, die Platte war online schon erhältlich, dann sind wir über unser Management an ein Label hier geraten, wie heißt es, STD ?

SPV meinst du.

Es klingt wie STD (kurz für Sexual Transmitted Disease, Anm.) , das ist ein großes Ding in den Staaten. Wir dachten, es ist eine gute Idee, es mal in einem neuen Territorium zu versuchen. Es ist für die meisten ja neu. Aber es war für die Schlauen schon erhältlich, das stimmt!

Tenacious D und KGB sind zwei verschiedene Biester

(Soundcheckgeräusche, die Band steht gerade auf der Bühne)

Schau mal, meine Band braucht mich ja nicht einmal! Das ist ja das Großartige an der Kyle Gass Band!

Und somit geht der Album-Promo-Tourzyklus weiter!

Es ist ein Klischee. Aber was kannst du sonst machen? Wir lieben es live zu spielen und wir lieben es im Studio zu sein. Wir wollen diesen Zyklus ja auch.

Wie war die erste Tour mit KGB?

Es war super. Es war unser erstes Mal, und die Leute waren großartig. Es ist aber schön, jetzt mal nach Hause zu kommen. Wir reisen ja auch nicht im Tourbus, wir haben einen Van, machen alles selbst, haben keine Hilfe. Es war genau richtig, aber ich freu mich schon auf Zuhause.

Also besteht eure Tourcrew nur aus Band und Tourmanager?

Wir haben nicht mal einen Tourmanager. Wir machen alles selbst. Wir haben einen Fahrer, der auch unseren Merchandise macht. Er ist ein guter Freund, spricht Deutsch und viele Sprachen, er bringt uns von A nach B. Fahren könnten wir nicht selbst, aber den Rest machen wir selbst.

Family values!

(lacht), ja genau. family values.

Mit Tenacious D sieht die Sache ganz anders aus, oder?

Ja, das sind schon zwei verschiedene Biester. Mit Tenacious D haben wir ja das Glück, sehr populär zu sein, da spielen wir schon echt große Venue. Mit KGB ist alles halt viel kleiner, 400, 500 Leute - aber das sind auch tolle Shows. Du machst nicht soviel Kohle, aber es macht großen Spaß.

Wie sieht die Arbeitsteilung bei KGB aus?

Die Songwriter-Pflichten teile ich mir mit John Kanesky und Mike Bray, die Gitarristen. Die Rhythmus-Sektion braucht keiner, die können ja nicht mal ihre Instrumente richtig spielen. Nein, aber wir schreiben eben die Songs. Entweder jeder für sich oder gemeinsam.

Du verwendest ja die selben Gitarren bei beiden Bands, spielst ausschließlich Akustikgitarre, richtig?

Naja, ich spiel schon gerne E-Gitarre, aber ich fühl mich mit der Akustikgitarre einfach wohler. Mike und John sind einfach viel bessere Gitarristen, echte Virtuosen. Außerdem braucht man keine drei E-Gitarren, deswegen spiele ich Akustikgitarre und Flöte. Das fühlt sich einfach gut an.

Benenne nie eine Band nach einer Tragödie

Du hast die Flöte im Rock populär gemacht. So wie Ian Anderson damals, nur - sagen wir - etwas anders.

Du kannst nicht Rock und Flöte in einem Satz sagen, ohne Ian Anderson und Jethro Tull zu erwähnen. Aber ich spiele ja nicht Querflöte sondern Blockflöte. Manchmal sogar zwei gleichzeitig.

Euer Album ist ja ziemlich... naja, Classic Rock ist ja eigentlich ein blödes Wort, aber...

Ja, aber das kommt schon gut hin. Bei Classic Rock treffen wir uns geschmacklich in der Band, jeder hört natürlich auch andere Sachen - aber wir lieben alle Classic Rock. Und wenn ich Classic Rock sage, meine ich die Zeit von 64 - 74. Das war die goldene Dekade, beginnend mit den Beatles, hin zu Led Zeppelin. Große Gitarren, große Songs.

Ich dachte auch an Jimmy Page, als ich die Riffs eurer Platte gehört habe.

Ja, oder Bad Company, Thin Lizzy. Das ist unser Ding, und wir hoffen dass es die Leute immer noch lieben, weil wir das immer noch tun. Laptop wirst du keinen finden bei uns.

Ist die Kyle Gass Band eine Demokratie?

(Überlegt). Ja, das ist sie wohl. Es beginnt bei mir, und John und ich bringen es zusammen. Ich mag das Konzept eines Teams, wo jeder etwas sagen kann. Ich bin nicht Bruce Springsteen & The E Street Band, aber ich mag es, auch mal Lead Vocals zu singen oder mit dem Publikum zu sprechen. Das mache ich bei Tenacious D ja nicht. Das macht mir Spaß. Aber bezüglich Bandpolitik ist es ein 5-Mann-Basketballteam. Ziemlich demokratisch.

Das Projekt vor KGB war ja die Trainwreck Band.

Ja.

Ein guter Name für eine Band?

Ahem, nein! Wir sind ja gecrasht. Ich sage es dir: benenne nie eine Band nach einer Tragödie. Es könnte sich erfüllen. Wir sind von den Gleisen abgekommen. Ja, schwache Metaphern. Es war aber eine gute Zeit, uns gab es acht Jahre - und aus der Asche kam dann das. Sonst hätte es KGB nicht gegeben. Shakespeare hat gesagt: "What's past is prologue". Und hier sind wir also.

Wie wird das nächste KGB-Album klingen?

Das weißt du nie, bis es geschrieben ist. Wir werden nicht zu sehr wegstreunen, aber was weiß ich. Du schreibst Songs und hoffst, dass es die Leute mögen werden. Wir haben schon ein paar Nummern, die echt gut klingen - aber es gibt noch soviel zu tun.

Wie tauscht ihr Ideen aus - sitzt ihr beispielsweise an einem Tisch und jammt?

Ja, das tun wir oft. Manchmal beginnt es auch mit einem Songtitel - so wie bei einem neuen Stück: "Come Hell or High Water". Das ist ein gängiger Ausdruck in den Staaten, und wir fanden, dass das ein super Titel ist. Dann schaue ich im Internet nach und bemerke, dass schon zwölf Songs so heißen.

David Duchovny veröffentlicht ja eine Platte, die "High or Hell Water" heißt.

No way! (lacht) Das ist lustig. Heutzutage googelst du es ja, und dann siehst du, was die anderen Leute mit dem Titel gemacht haben.

Ist das gut oder schlecht, es googeln zu können?

Wahrscheinlich schlecht. Aber unser Song ist ja besser als alle anderen!

Und wie ist die Arbeitsweise mit Tenacious D?

Jack und ich setzen uns in einen Raum und improvisieren. Wir nehmen alles auf, hören uns alles an und setzen dann das, was wir mögen, zusammen. In der Hinsicht ist es anders als bei KGB, wir schreiben selten alleine. Aber ansonsten ist es ähnlich. Wir nehmen unsere Ideen auf "Tape" auf und schauen dann, was wir draus machen.

Nehmt ihr analog auf?

Nein, wir benutzen Pro Tools. Ich liebe Pro Tools. Tape ist toll für Jazz und Leute glauben dann, dass alles besser klingt. Aber du kannst Magie auch mit Pro Tools einfangen, und ich kümmere mich nicht um audiophile Bedenken. Wir machen ja keine crazy Autotune Sachen, bei uns ist das, was auf Platte ist, einfach eine überhöhte Liveperformance.

Und als Musikhörer? Bevorzugst du Vinyl oder ist dir das egal?

Ich mag Vinyl schon am liebsten, aber ich höre die meiste Zeit Musik im Auto. Ich mag den Überraschungseffekt beim Radio. Ich les auch eine Menge Musikzeitschriften. Es ist eine super Welt, alles ist sofort verfügbar. Damals musstest du nach Alben suchen. Heute ist alles digitaler Müll, aber eben sofort verfügbar, das ist toll.

Aber es geht schon auch viel verloren.

Ja, das hatte früher schon Romantik. Aber die Dinge ändern sich. Du kannst aber die Verfügbarkeit einfach nicht schlagen.

Gibt es irgendwelche Bands, die du derzeit gerne hörst?

Nein (lacht laut)! So busy! Aber schickt mir doch eure Tracks, ich mag alles hören! So wie Journalisten vor dir, die haben mir gleich ihre CDs in die Hand gedrückt (lacht).

Was steht als nächstes an?

Von mir? Mehr vom Gleichen. Mehr Kyle Gass Band, mehr Tenacious D. Live Songs. Melted Faces. Ich schreibe dann erstmal das nächste Album für die Kyle Gass Band fertig, und danach muss ich mich an die Arbeit für die nächste Tenacious-D-Platte machen. Es stehen einige Festivalshows für "The D" an. Im Oktober spiele ich auch mit der Kyle Gass Band einige Festivals, und ich arbeite auch an einem Theaterprojekt, das mit meiner Musik nichts zu tun hat. Schaust du dir die Show an?

Na klar.

Du sagst ja klar, viele Journalisten tun das nicht.

Danke fürs Interview und bis später.

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