laut.de-Kritik
"Chardonnay im Glas, ich sipp' kein Lean, ich rauch' kein Gras."
Review von Johannes JimenoEinen Tag vor Heilig Abend veröffentlicht LGoony mit "Intergalactica" sein erstes, eigenständiges Album. Die Messlatte für das vorliegende Werk könnte gar nicht höher sein. Mit seinem hoch gelobten "Grape Tape" und dem alles zerstörenden Kollabo-Album "Aurora" mit Kumpel Crack Ignaz hat sich der musikalisch talentierteste Glo Up Dinero Gang-Sprössling ein beachtliches Standing erarbeitet. Kein Wunder also, dass "Intergalactica" auf Airforce Luna erscheint, dem Label vom österreichischen Swagger.
Wie immer bei LGoony: Lila muss es sein, dieses Mal mit einem funkelnden Stormtrooper-Lookalike. Der Titeltrack suggeriert die Richtung, die das Album einschlägt, mit spacigen und gediegenen Beats gen ferne Welten: "So weit von euch entfernt - das ist Lorde-Level / so viel Ice, guck mich an - das ist Fjord-Level." Hö? War da etwa Shindy am Werk mit seinen ganzen Rap-Levels?
Zum Glück nicht. Die erste Single "Heilig" dröhnt bedrohlich und böse aus den Boxen und ist, wie er selbst sagt, eine Mischung aus "Lightcore" und "Powerrap". Verweise auf die größte Inspirationsquelle samt Meta-Ebene sind inklusive: "Yeah, ich fühle mich so wie Gucci Mane / jeder guckt." Das Beatgewummer am Ende und vor allem das asiatische Intro ergänzen das Klangbild hervorragend.
Asiatisches Flair gepaart mit Doppeldeutigkeiten finden sich ebenfalls in "Verlieren": "Sie machen Augen wie in einem Anime." Trotzdem überzeugt der Track auf gesamter Länge nicht, und das ist das Problem an "Intergalactica". Vieles klingt zu beliebig und nicht handfest genug.
Zudem gesellen sich unerwartet abgedroschene Lines dazu, die die Rakete schon in der Stratosphäre zerschellen lassen. LGoonys bemühter Style-Wechsel bringt nicht den erhofften Schub, weil er oftmals ernstere Töne anschlägt, die nicht funktionieren. "Babylon", "Für Immer" oder auch "Hochhaus" sind nicht mehr als passabel und besitzen keinen bemerkenswerten Charakter, kaum etwas bleibt im Gedächtnis hängen, außer diese Line vom Erstgenannten: "Meine Diamonds dick und fett, sie können Sumo / Schwarzer Gürtel von Versace, ich kann Judo."
Den Tiefpunkt erreicht ein Feature-Gast: Hellraiser rappt unnmotiviert, langweilig und nichtssagend in "Gary Cooper", das an den US-amerikanischen Western-Schauspieler angelehnt ist. Auf seinem Trip durch die Galaxis nimmt LGoony nicht mal den Labelboss mit, sondern Haiyti.
In "Kanye West" bringt sie einen souveränen Part auf die Scheibe, wie immer gewohnt lit. Ludwig Langer kommt natürlich nicht umhin, einige Fakten zu Yeezy zu droppen: "Alter, Kanye West, in mei'm Katalog nur Hits / Ey ey, Bitches geh'n in Deckung, Oida, Taylor Swift." Auch auf "Jeffrey" von Young Thug gab es einen gleichnamigen Song zu hören.
Zwei weitere Songs des extraterrestrischen Rappers zeigen sein Talent. Zum einen das von No Tricks produzierte "Souvenirs". Der Beat ist eine Collage aus verspulten Hintergrund-Vocals, Samples und Trap und LGoony rappt selbstverliebt, arrogant und serviert gelungene Ambiguitäten: "Nein, das hier ist nicht Billie Jean / Doch da wo ich auftrete, leuchtet es." Wer das nicht versteht, sollte sich das Video von Jacko nochmals anschauen. Zum anderen die zweite Single "Utopia", die laut Lil Goon dem "Spacepop" zugehört. Der ausgereifteste Beat des Albums schickt den Hörer auf eine Traumreise mit hallenden Synthies und tiefen Bässen. Die Lyrics drehen sich zu Teilen um die griechische Mythologie, wenn er über die Unsterblichkeit verleihende Götterspeise Ambrosia sinniert.
LGoony scheitert letztendlich an der eigenen Messlatte, weil sich zu vieles wiederholt und man sich so langsam an seinen Stil gewöhnt hat. Da ist es an der Zeit, sich weiterzuentwickeln. Zwar versucht er dies mit weniger abgedrehten Lines und Aggressivität, büßt dadurch aber Charme ein - ein schwieriges Dilemma. Auch seine sonst so gefeierten Signature-Hooks verenden in der weiten Galaxie langgezogener Vokale.
Zum Fest trinkt er "Chardonnay im Glas, ich sipp' kein Lean, ich rauch' kein Gras". Das klingt doch vernünftig. Na dann, Frohe Weihnachten!
22 Kommentare mit 38 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
hatte gehofft es wächst, aber iwie will sich mein gehör nich 100% dafür begeistern ... hat dennoch ne handvoll 10/10 liedern. finde 2/5 bisl arg wenig.
Ich finde die Platte schon sehr dicht, catchig und gelungen. 4 Punkte sind drin, im Gegensatz zu Nightliner von Haiyti, wo kaum was hängen blieb.
Die laut-Redaktion lässt mitteilen, dass die Wertung im Nachhinein auf 4 Punkte geändert wurde.
MfG,
aus Konstanz am See
Blutmond is nice
Angesichts der letzten Monate Deutschrap wünsche ich mir "Lightcore" immer sehnlicher herbei.
Vorabtracks bisher durchwachsen, "Yoko Ono" finde ich ganz nice:
https://www.youtube.com/watch?v=oE-m5I6bXeQ
"Deine Gang zerbricht an meiner Existenz - Yoko Ono" ist definitiv eine Premium Line.
Premium line, ja. Yoko Ono ist sehr stark, Paper is standart. was war da noch? Ach nix.
Und? Würde er alle 3 Monate ein Tape raushauen, dann leidet die Qualität und der Reiz
Einmal im Jahr ist vollkommen in Ordnung, noch dazu ist das weiterhin for free dem Hörer entgegenkommend