14. November 2012

"Die spinnen doch, oder?"

Interview geführt von

Es gibt Bands, auf die können sich am Ende des Tages alle einigen. Led Zeppelin ist eine dieser Combos, deren innovatives Schaffen auch heute noch, fast 45 Jahre nach ihrer Gründung, Menschen aller Hautfarben und Altersgruppen dazu bringt, mit dem Gitarrespielen anzufangen.Im Dezember 2007 versammelten sich die Rock-Legenden zum vorerst letzten Mal gemeinsam auf einer Bühne. Am 16. November erscheint der legendäre London-Gig nun endlich auch auf DVD. Über 20 Millionen Rock'n'Roll-Jünger wollten seinerzeit live dabei sein, als sich Robert Plant, John Paul Jones, Jimmy Page und Jason Bonham, der Sohn des verstorbenen Original-Drummers John Bonham, nach 27 (!) Jahren Live-Abstinenz wieder gemeinsam auf die Bühne begaben, um zu Ehren des verstorbenen Mit-Entdeckers von Led Zeppelin, Ahmet Ertegün, die Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren.

Aber letztlich durften sich nur 18.000 Glückliche an einem Event erfreuen, das wie so viele zuvor in der Led Zeppelin-Historie in die Musik-Geschichtsbücher eingehen sollte. Am Tag nach der Berlin-Premiere von "Celebration Day" trafen wir Bassist John Paul Jones, um mit ihm über die Nachwirkungen des Erlebten zu sprechen.

Hi John, gestern war die Berlin-Premiere von "Celebration Day". Die Anwesenden sind nahezu ausgerastet. Haben dich die Reaktionen des Publikums überrascht?

John: Seit spätestens fünf Jahren kann mich eigentlich gar nichts mehr überraschen (lacht).

Du willst mir weismachen, dass ihr vor fünf Jahren, nach 300 Millionen verkauften Tonträgern und 27-jähriger Live-Abstinenz, nicht damit gerechnet habt, dass sich die halbe Welt nach Tickets verzehren würde?

Nein, wirklich nicht. Wir wussten zwar, dass wir wahrscheinlich nicht vor einer halbleeren Halle auftreten würden, aber an ein derartiges Szenario hätten wir im Traum nicht gedacht. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Ich dachte nur: die spinnen doch, oder? (lacht).

All die "Spinner", die damals leer ausgingen, werden ja im nächsten Monat entschädigt. Was war dein Eindruck, als du "Celebration Day" das erste Mal gesehen hast?

Ich war erleichtert.

Warum? Mit Dick Carruthers (The Who, Take That, Oasis, Rolling Stones) hattet ihr einen der renommiertesten Musik-Regisseure der Welt an Bord. Was sollte schief gehen?

Nun, man hat doch immer seine ganz individuellen Vorstellungen von den Dingen. Jeder von uns war unheimlich aufgeregt, als wir das erste Mal Rohmaterial zu Gesicht bekamen. Das ist schon ein Weilchen her, aber ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Es war wirklich beeindruckend. Robert und ich saßen da wie kleine Kinder vor dem Weihnachtsbaum (lacht). Wir hörten erst einige Stücke und stellten da bereits fest, dass die Intensität dieses Abends wunderbar festgehalten wurde. Als wir dann auch noch bewegte Bilder zu Gesicht bekamen, waren wir wirklich happy. Dick und seine Jungs haben tolle Arbeit geleistet.

Dabei stand eine visuelle Aufzeichnung des Abends zunächst gar nicht auf dem Programm, richtig?

Ja, das stimmt. Wir hatten nur das Konzert vor Augen. Dieser Fokus reichte uns schon, schließlich war es die erste Show seit über 20 Jahren (lacht). Allerdings wurde der Gedanke an eine Aufzeichnung relativ schnell mit in den Raum geworfen.

"Es war ein magischer Abend"

Ich glaube, das hätten euch eure Fans auch nicht verziehen.

Nein, natürlich nicht. Insofern waren auch alle sofort damit einverstanden. Im Nachhinein hätten wir es uns selber wohl auch nicht verzeihen können. Vor allem als wir bereits während des Konzertes merkten, welch atemberaubende Stimmung in der Halle und auch auf der Bühne herrschte.

Wart ihr überrascht über eine derartige Ansammlung von magischen Vibes auf und vor der Bühne?

Ja, ehrlich gesagt schon. Natürlich hatten wir hart gearbeitet und uns gut vorbereitet. Aber bereits beim Soundcheck lag eine ganz besondere Stimmung in der Luft. Es ist schwer zu beschreiben. Vielleicht lag es am nostalgischen Flair des Abends? Vielleicht aber auch am Willen von drei – unseren Drummer Jason nehme ich jetzt mal aus der Schusslinie –alten Männern, die wissen wollten, ob sie es immer noch drauf haben. Keine Ahnung. Es war auf jeden Fall ein magischer Abend. Und wir sind heilfroh, dass wir uns durch den Film immer und immer wieder an ihn zurückerinnern können.

Gab es einen besonderen Moment auf der Bühne, den du als ersten nennen würdest, wenn dich jemand nach dem ultimativen Highlight des Konzerts fragen würde?

Es gab sogar zwei davon. "Kashmir" war wirklich großartig. Ein tolles Gefühl.

Das berichtete mir auch ein Kollege, der damals selber vor Ort war.

Es war vor allem die Verbindung zwischen Publikum und Bühne, die während dieses Songs, aus welchen Gründen auch immer, den Höhepunkt markierte. Wir waren ja noch nie eine Band, die sich großartig auf der Bühne verteilte. Uns war es immer wichtig und ein Bedürfnis, die Präsenz des jeweils anderen möglichst nah und intensiv zu spüren. Aber bei diesem Song war es irgendwie besonders geballt auf der Bühne.

Du sprachst von einem zweiten Highlight.

Oh ja, ich geriet ins Schwärmen, entschuldige (lacht). Dann war da noch dieser Moment, als wir die Bühne wieder verließen. Da fiel irgendwie alles ab. All die Anspannung verwandelte sich urplötzlich in einen wahren Gefühlsrausch aus Erleichterung und Freude, gepaart mit der Gewissheit, dass alles perfekt geklappt hat. Wir konnten es kaum glauben, aber es waren im Nachhinein kaum Overdubs nötig. Letztlich ist "Celebration Day" eine Eins-zu-Eins-Kopie des Abends geworden. Das macht es für uns und vor allem auch für all die Fans, die damals nicht dabei sein konnten, umso schöner.

"Erinnere mich bloß nicht daran!"

Ich kann mir vorstellen, dass vor allem Jimmy Page begeistert in die Hände geklatscht haben muss, als er die ersten Eindrücke vorgespielt bekam. Schließlich hatte er in punkto Sound die größten Bedenken von euch allen, als ihr euch für die O2-Arena als Austragungsort entschieden hattet.

Nun, wir waren alle etwas unsicher. Deswegen haben wir uns auch vorher alle einen Eindruck von der Halle verschafft. Wir waren bei einem Konzert von Elton John und sind während der Show durch sämtliche Blöcke gelaufen, um uns mit den Gegebenheiten vertraut zu machen.

Elton John?

Musikalisch mag das zwar auf den ersten Blick nicht ganz passen, aber vom Aufwand und von der Intensität her schon. Der Sound war auf jeden Fall absolut in Ordnung. Das hat uns ein gutes Gefühl gegeben. Im Nachhinein würde ich sogar behaupten, dass der Sound bei unserem Gig noch besser war (lacht).

Nicht nur der Sound passte, auch die Interpretation der Songs und eure Bühnenpräsenz haben wohl keine Wünsche offen gelassen. Vor allem im Vergleich zu eurem letzten Gig davor während des Live-Aid-Events 1985.

Oh, erinnere mich bloß nicht daran. Diese Show war furchtbar. An diesem Tag ging irgendwie alles schief, was nur irgendwie hätte schief gehen können. Umso schöner, dass wir nochmals Gelegenheit hatten, dieses Bild von uns wieder gerade zu rücken. Ich glaube, allein schon der Auftritt von Jason (Jason Bonham, Drummer während des 2007er-Gigs, Anm. d. Red.) war eine Show für sich. Keiner kennt unsere musikalische Vergangenheit besser wie er. Er weiß alles über uns und unsere Musik; weitaus mehr, als wir drei selber. Jimmy, Robert und ich konnten gar nicht anders, als uns seinem Niveau anzupassen. Wie hätte sich das denn auch angehört (lacht).

Ihr habt dutzende Song-Meilensteine geschrieben. Wie schwer war es eigentlich, sich auf eine Setlist für diesen Abend zu einigen?

Wir haben natürlich mehrere Optionen durchgespielt. Eine Led Zeppelin-Show lebt vor allem von der Dynamik. Uns ging es immer darum, den Leuten eine in sich stimmige Show zu bieten und keine bloße Ansammlung von Hits. Natürlich war uns klar, dass wir Songs wie "Stairway To Heaven", "Kashmir" oder "Rock'n'Roll" mit an Bord nehmen müssen. Diese Songs laufen schließlich auch heute noch im Radio.

Aber es war uns wie gesagt auch ein Bedürfnis, den Live-Spirit der Band nicht komplett über den Haufen zu werfen, nur um den mit den Hits vertrauten Fans ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Es ging uns um das Ganze. Die Wahl des richtigen Openers war letztlich die einzige Hürde. Als wir uns aber dann auf "Good Times, Bad Times" einigen konnten, kam der Rest irgendwie von selbst.

Du hast gerade erwähnt, dass viele eurer Songs auch heute überall auf der Welt präsent sind. Das erinnert mich an einen Satz von Paul Stanley, der erst kürzlich wieder in einem Interview betonte, dass ihr das ultimative Rock'n'Roll-Buch geschrieben hättet. Würdest du dem zustimmen?

Das ist wirklich schwer. Ich denke schon, dass wir einige nachfolgende Bands und Künstler mit unserem Schaffen beeinflusst und inspiriert haben. Aber haben wir auch das Buch geschrieben? Keine Ahnung. Vielleicht das eine oder andere Kapitel (lacht). Ich glaube, dass viele Bands durch uns den Mut entwickelt haben, verschiedene Genres miteinander zu verbinden. Wir waren eine der ersten Bands, die Blues, Folk und Rock'n'Roll mixten und versuchten, etwas Neues zu kreieren. Wir wollten mit jedem Album anders klingen. Jeder von uns hatte einen anderen Musikgeschmack. Hätten wir uns also auf eine Richtung festgelegt, wären mindestens drei von uns mit griesgrämiger Miene durchs Studio gelaufen. Das wollten wir natürlich nicht. Und das hätte auch nicht funktioniert. Zumindest nicht bei uns.

Wir lebten damals in unserem eigenen Kosmos und haben nur das gemacht, was wir wollten. Unser damaliger Manager Peter Grant hat uns immer schön von der Außenwelt abgeschirmt, so dass wir gar nicht erst in Versuchung kamen, uns mit anderer Musik als der eigenen auseinanderzusetzen. Peter hat einen großen Anteil am Erfolg der Band. Wer weiß, wo wir als Band gelandet wären, wenn er nicht seine Hand über uns gehalten hätte.

Auch heute noch nennen die meisten Rockbands den Namen Led Zeppelin, wenn es um ihre musikalischen Einflüsse geht. Welche Band erinnert dich am ehesten an eure eigene Vergangenheit?

(lacht) Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich kaum Rockmusik höre. Ich habe keine Ahnung, was heutzutage da draußen los ist. Ich mag die Sachen von Jack White und den Black Keys. Aber sonst? Ich spiele Rock'n'Roll, aber hören? Eher selten. Das habe ich eigentlich noch nie. Das letzte Neil Young-Album gefiel mir noch ziemlich gut. Wie hieß es noch gleich?

"Americana".

Genau, danke. Ist das Rock?

Denke schon.

Okay, manchmal höre ich auch Gillian Welch. Ansonsten lieber experimentelle Klänge. Wir haben alle nie sonderlich viel Rockmusik gehört. Wenn wir auf Tour waren, liefen im Bus meistens die Scheiben von Crosby, Stills And Nash oder Moby Grape.

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