laut.de-Kritik

Soul-Balsam gegen den Eisdielen-Sound.

Review von

Ein Besuch in einer Eisdiele ist immer eine zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite gibt es leckere Köstlichkeiten geboten, auf der anderen zumeist schaurige Innenausstattung und gruselige Musik. Ohne mit der Wimper zu zucken kommen Al Bano & Romina Power, Gianna Nannini, Zucchero und all die anderen Hit-Giganten mit ihren "Italo Hits" zum Einsatz. Selten hat man Glück und darf sich über Jovanotti oder Adriano Celentano freuen. Da heißt es tapfer sein, Ohren zu und auf das Wesentliche, das Spaghettieis konzentrieren. Doch ausgerechnet jetzt, wo doch jede Eisdiele, die etwas auf sich hält, Winterpause hat, gibt es mit "Who Knows" von Luca Sapio And Capiozzo & Mecco ein Licht am Ende des Tunnels. Musik, zu der ich mich gerne kugelrund futter.

Der Italiener Luca Sapio erinnert optisch mit seiner Tolle und Presley-Gedächtnis-Koteletten an eine Mischung aus Bully Herbig und Nick Cave. Kaum zu glauben, welch Stimmkraft in ihm schlummert. Halb Barry White, halb Charles Bradley, würde diese doch eher einem Typen der Marke Rick Ross zu Gesicht stehen. Doch das hagere italienische Bübchen hier kann beides. Soul und Blues.

2011 beginnt Sapio, mit dem italienischen Soul-Jazz-Duo Capiozzo & Mecco zusammenzuarbeiten. Unter den Fittichen des Malefizkerls Thomas Brenneck hat Sapio sein Debüt "Who Knows" in den Dunham-Studios aufgenommen. Für die nötige musikalische Untermalung sorgt die gängige Mischung aus Menahan Street Band, Budos Band und The Extraordinaries, die ihren Daptone-Ansatz nie verheimlichen kann. Dreckiger Vintage-Sound, der klingt, als hätte man ihn nach langem stöbern aus der hintersten Ecke eines staubigen Plattenladens geangelt. Knapp sitzende Bässe, psychedelische Orgeln und knochentrockene Bläser. Es könnte wahrlich schlimmeres geben.

Nicht verwunderlich also, dass es "How Did We Lose It?" noch in letzter Minute in meine persönliche Hitliste der schönsten Songs des Jahres 2012 geschafft hat. Unwiderstehlich hangelt sich eine akustische Gitarre an einem tighten Groove entlang zu einer Hookline, die auch Sharon Jones oder Lee Fields gut zu Gesicht stünden.

Leider bremst gleich das zweite Stück "Remove My Coverings" das Album abrupt ab. Zwar verfügt der Song über warme Otis Redding-Harmonien, so richtig zünden mag er aber nicht. Das liegt nicht zuletzt am kraftlosen Refrain, den Sapio sauertöpfisch dahin leiert. War es das jetzt schon mit "Who Knows"?

Zum Glück nicht. Denn in der Folge reiht sich Perle an Perle. Schon im schummrig düsteren "Mother, Father" lässt Sapio die Lethargie weit hinter sich. Ergreifende Strophen stehen dem prahlerischen Refrain wie eine Phalanx entgegen. Zwischen Unbehagen und Verführung bildet sich eine schrullige Dynamik.

Dem Titeltrack "Who Knows", ein Cover des vergessenen Marion Black, gehört der große Pinocchio-Eisbecher am Bande verliehen. Eine zickige Hammond-Sesamstraßen-Orgel spitzt das Blues-Original so lange auf, bis es Soul blutet.

In "Why Is It So Hard Deal With You?" zeigt sich der Italiener von einer edlen und verletzlichen Seite. Doch "Pocketful Of Stones" reißt den Longplayer in die dunklen und verdorbenen Straßen des Blues. Leidend und Fiebrig. "Blinded By The Devil" erscheint letztlich nur noch durch Jim Sullivans liebreizende "Rosey" als Strohhalm und Hoffnungsschimmer auf ein besseres Leben. Romantik und Katzenjammer gehen auf "Who Knows" Hand in Hand.

Auf der Zielgrade 2012 hauen Luca Sapio And Capiozzo & Mecco mit der Hilfe von Brenneck eine der schönsten Soul-Platten des Jahres raus. Ein frommer Wunsch, dass Familie Pampanin neben neuen Eiskreationen noch mehr Musik dieses Kalibers aus ihrem Winterurlaub in Italien mitbringen. Dann können Nek, Laura Pausini und weitere Klischees endlich schlafen gehen.

Trackliste

  1. 1. How Did We Lose It?
  2. 2. Remove My Coverings
  3. 3. Mother, Father
  4. 4. Wonder Why
  5. 5. Pocketful Of Stones
  6. 6. Why Is It So Hard Deal With You?
  7. 7. Blinded By the Devil
  8. 8. Rosey
  9. 9. What Lord Has Done
  10. 10. Who Knows
  11. 11. Lose It (Reprise)

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1 Kommentar

  • Vor 11 Jahren

    Malika Ayane
    Mario Biondi
    Giuliano Palma The Backbeats
    Paolo Simoni
    Cesare Cremonini
    Noemi
    Tiziano Ferro
    Irene Grandi
    Negrita
    Negramaro
    ...

    sind z.b. Popmusiker, die fernab von Schnulzen a lá Pausini einfach gute italienische Popmusik machen! ok, Mario Biondi macht zumeist englischsprachige Soulmusik... hat aber eine grandiose Stimme! und Negramaro sind dann schon sehr rockig.