laut.de-Kritik
Retro-Pop für heute, 70er-Wave für die nächste Generation.
Review von Kim Lange"Begeisterung aus zweiter Hand": Besser hätten MS MR ihr erstes Album, zumindest auf Deutsch übersetzt, nicht nennen können. Schließlich begeistern die Pop-Neulinge das Publikum mit altbekanntem Sound, der dank eines ästhetisch aufbereiteten Konzepts schon im Sommer 2012 einschlägt wie ein Hurrikan.
"Wir sind besessen von Medien", so Max Hershenow, der MR bei MS MR. "Wir ziehen viel Inspiration für Musik und Videos aus dem Netz, zum Beispiel bei Tumblr. Und auch die Verbreitung läuft über Medien. Wir haben Spaß daran, Medien irgendwie zu manipulieren, das gehört mit zu unserem Projekt." Selbiges geistert dank Tumblr schon seit etwa eineinhalb Jahren durch die virtuelle Welt. Außer der EP "Candy Bar Creep Show" und jeder Menge markanter Videos gab das New Yorker Duo allerdings bisher nichts von sich preis.
Max Hershenow und Bandkollegin Lizzy Plapinger verbargen ihre Identitäten erstaunlich lange. "Es war niemals so, dass wir uns 'verstecken' wollten, eher dass wir den Fokus auf die Musik lenken wollten, um die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen", so Lizzy. Die fällt in der Tat sehr beachtlich aus.
Bei MS MR stoßen düstere Elektro-Pop-Hymnen auf verträumte, orchestral untermalte Balladen. "These are hard times for dreamers", verrät uns etwa "Bones". Dessen Aussage nehmen sich die beiden New Yorker für den Großteil ihrer Lyrics zu Herzen. Finster und pessimistisch wirken die Zeilen, was dem Reiz der Songs jedoch keinen Abbruch tut.
"Maybe I'll find something real / Not a fantasy so divine", beklagt Lizzy mit ihrer fragilen, aber dennoch voluminösen Stimme zum Beispiel in "Fantasy". Dabei hinterlässt sie trotz angedeuteter Verzweiflung über die Realität den Hörer doch in einer positiven Stimmung. Ebenfalls sehr verträumt kommt "Dark Doo Woop" daher, durchbrochen von Fingersnaps und den für MS MR typischen Stimm-Loops, die in fast jedem Song zur Geltung kommen.
Die Düsternis der ersten Songs, die fast alle auf "Candy Bar Creep Show" bereits erschienen sind, lässt die Band bald schon hinter sich. Sowohl mit dem sehr kraftvollen Ohrwurm "Head Is Not My Home" als auch mit "Salty Sweet" zerren uns MS MR direkt auf die Tanzfläche. Letzterer Song begeistert mit Xylophon, Handclaps und Orgelelementen, doch vor allem erneut mit der starken Stimme von Lizzy.
Gegen Ende neigt sich "Secondhand Rapture" eher in die dramatische Richtung. Orchestrale Elemente, Synthies oder Piano-Lines tragen "Twenty Seven" oder vor allem "No Trace". Dabei tritt immer wieder der Vintage-Sound zutage, den Produzent Tom Elmhirst den Songs beifügt. Dieser ist verantwortlich für die Grammy-Erfolge von Adele oder Amy Winehouse und war als Vintage-Fachmann für das Duo unverzichtbar.
"Tumblr Glitch Pop" nennt die Band selbst ihren Musikstil. Das lässt großen Interpretationsspielraum offen. Fest steht: Das Social-Media-Portal Tumblr trug nur Positives zur Verbreitung der Musik von Max und Lizzy bei. Ein schlauer Schachzug, alle Welt mit immer wieder neuen Musikstücken und deren visueller Umsetzung so lange neugierig zu machen, ohne sich dabei zu offenbaren. Doch selbst wenn sich die beiden New Yorker stärker inszenierten, ihre Musik begeisterte noch immer.
Zwar ist es auf Dauer irgendwann genug der ständigen Stimm-Loops, des teilweise choralen Summens und Hauchens von Lizzy Plapinger, da die Stücke dadurch sehr einheitlich wirken. Man bleibt jedoch gerne traumverloren und ein wenig beschwingt zurück, nachdem man sich die Musik zu Gemüte geführt hat, selbst bei den düsteren Liedern. "Secondhand Rapture" bietet ein Stück 70er-Wave, das sich auch im Pop der 90er heimisch fühlt, die verträumten Probleme und Gedanken der modernen Generation aber dennoch thematisiert.
5 Kommentare
Pop-Album des Jahres!
Cooles Album.
coole review!
Normalerweise nicht meine bevorzugte Art von Musik, aber dieses Album weiß wirklich zu begeistern.
Auch für mich klar eines der besten Alben des Jahres. Es ist kein überflüssiger Song dabei.