laut.de-Kritik
Faszinierende Melange aus Klassik und Jazz.
Review von Tobias LitterstDass Markus Stockhausen Beeindruckendes schafft, hat er schon oft bewiesen. Auch seine "Symphonic Colours" geben Zeugnis vom großen Talent und dem einzigartig fesselnden Stil des Musikers und Komponisten. Gemeinsam mit seinen langjährigen Weggefährten Arild Andersen (Bass), Patrice Héral (Schlagzeug) und Tara Bouman (Bassetthorn) agiert er an Trompete und Flügelhorn vor und mit großer Klangkulisse: der Deutschen Radiophilharmonie unter der Leitung von Christoph Poppen.
Am 4. April 2008 gastierten die hochkarätigen Musiker im Großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks. Dort präsentierten sie verschiedene Werke Stockhausens aus den Jahren 2001 bis 2007. Der Mitschnitt des Konzertes fand nun glücklicherweise den Weg auf zwei Silberlinge. Desweiteren auf der Doppel-CD enthalten: die Komposition "Tanzendes Licht" aus dem Jahr 2008, eingespielt mit dem Swiss Jazz Orchestra und der Camerata Bern.
So reichhaltig wie das Œuvre des Albums sind auch die Werke selbst. Sie laden zu einer hochspannenden musikalischen Reise, die sich irgendwo zwischen Klassik und Jazz bewegt. Bereits die eröffnende "Miniatur Einer Seelenreise" schafft eine geradezu magische Intensität. Verträumt gleitet man auf den fließenden Klängen der Streicher durch die verfliegende Zeit eines Lebens. Über diese dichte Atmosphäre breitet sich Stockhausens warmes wie klares Trompetenspiel. Auskomponiertes und Improvisiertes gehen hier wie selbstverständlich Hand in Hand.
Im Anschluss führt "Sonnenaufgang" die klassisch/jazzige Melange zur Vollendung. Hier kommen zum ersten Mal auch Bass und Schlagzeug zum Einsatz. Gemeinsam mit der Pauke schaffen die Drums ein mächtiges Fundament, auf dem das Orchester sein lebendig erhabenes Thema intoniert. Gleich darauf verzücken Stockhausen, Andersen und Héral mit einem jazzigen Trio-Part, den schon bald sanfte Orchestereinwürfe unterstützen. Diese lebhafte Interaktion, Dynamik und Stilvielfalt prägen den gesamten Verlauf der Komposition. Neben inspirierten Soli von Bass und Schlagzeug, ruhig verharrenden Trompeten-Klängen und beschwingten Zwischenspielen, greift Stockhausen hier auch die Musik des Barock und den Freejazz auf.
"Choral" und "Sehnsucht" tönen ebenso verspielt und abwechslungsreich. Vor allem die "Sehnsucht" überzeugt dank Andersens gefühlvoller Improvisation zu Beginn und der ergreifenden Melodie, die Stockhausen auf dem Flügelhorn interpretiert.
Das folgende "MAP Encore" ist eine vollkommen improvisierte Zugabe des Trios. Sie lässt den Hörer an der großen Erfindungsgabe und dem einfühlsamen Zusammenspiel der drei Musiker teilhaben. Damit findet die erste Scheibe ein verdient wundervolles Ende.
Den zweiten Abschnitt der Werksammlung beginnt Tara Bouman mit dem eigens für sie komponierten "Portrait For Tara". Versiert führt sie durch eine Vielzahl verschiedener Stimmungen. Neben ihren eigenen klangmalerischen Fähigkeiten sorgt ein raffinierter Orchestersatz für bunten Facettenreichtum. Mit effektiven Überraschungen, beispielsweise dem plötzlichen Aufblitzen einiger Klavier-Töne, und wirkungsvoll gesetzten Pausen entsteht ein farbenprächtiges Porträt.
In "Tanzendes Licht" greift Markus Stockhausen zum Abschluss noch einmal die Thematik der Seelenreise auf. Als Hommage an den Maler Paul Klee vertont er die tanzenden Lichtfunken auf den Wellen eines Sees bei Sonnenuntergang. "Dieses Bild hat mich oft tief berührt, es hat etwas von der ewigen Seelenwanderung, der ständigen kosmischen Metamorphose:
die Lichtfunken entstehen und sind blitzartig wieder verschwunden. Alle tanzenden Funken zusammen sind das Leben, voll impulsiver Kraft.", schreibt der Komponist.
Für die akustische Umsetzung des Bildes führte er Big Band und Kammerorchester zusammen. Dabei schaffen zahlreiche Soli der Jazzer die nötige Farbigkeit. Auch die Kraft kommt bei einer Begegnung des Swiss Jazz Orchestra und der Camerata Bern nicht zu kurz. Jedoch geschieht dieses Zusammentreffen für meine Ohren auf zu engem Raum. Oft überlagern sich die vielen Stimmen so stark, dass ein entscheidendes Maß an Kontur verloren geht. Dennoch bietet auch diese Komposition genügend reizvolle Momente. Einen erfrischend frech gespielten Posaunen-Part etwa, oder die furiose Steigerung am Schluss, die in ein Trompeten-Solo ohne jegliche Begleitung mündet.
Mit "Symphonic Colours" veröffentlicht Markus Stockhausen ein Album, in dem so viel steckt, dass es sich jeder Beschreibung entzieht. Man sollte es einfach gehört haben.
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