laut.de-Kritik
Das etwas zu ruhige Gegenstück zu "Voices".
Review von Toni HennigAuf seinem 2020er-Album "Voices" verwob der britische Komponist Max Richter unzählige Stimmen in unterschiedlichsten Sprachen, die aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zitierten, unterlegt mit Orchesterklängen und weiblichen Chören. Der 55-Jährige sagte dazu, die Musik sei "ein Ort zum Nachdenken und Reflektieren". Daran knüpft er nun auf "Voices 2" rein instrumental an, sodass man die Ideen des Vorgängers noch einmal gedanklich Revue passieren lässt.
Zumeist baut Richter, wie im Opener "Psychogeography", ein ätherisches Ambient-Fundament auf, über dem bedächtige Streicher liegen. Gegen Ende setzt noch ein Soloinstrument leicht dramatische Akzente. Melancholisches Klavier steuert der Brite, wie im folgenden "Mirrors", ebenfalls bei. Leider erschöpft sich dieses Konzept mit zunehmender Spielzeit, da die Klavierarrangements an einigen Stellen zu gefällig daherkommen und die Ambient-Passagen nicht die Emotionalität Eluviums oder Hammocks erreichen. Mehr als Hintergrundmusik bildet "Voices 2" nicht, aber vielleicht soll die Platte auch nichts anderes sein.
Etwas schade ist das trotzdem, zeigen doch das von getragenen Orgelklängen durchzogene "Solitaries" und das überaus szenisch gestaltete, orchestrale "Movement Study" wie gut die Scheibe hätte werden können, wenn Richter den Weg des instrumental Erhabenen weiter verfolgt hätte: Wo er den Vorgänger zu sehr mit Stimmen und esoterischem Beiwerk überfrachtete, bietet er auf "Voices 2" musikalisch etwas zu wenig.
Mit schlechter Musik bekommt man es auf "Voices 2" trotzdem nicht zu tun. Dafür garantieren erneut die hervorragenden Streicherarrangements. So stellt "Prelude 2" dank der flehenden Streicherharmonien, die über die dunklen Klavierakkorde schweben, eine gelungene Fortsetzung von "Prelude" auf dem Vorgänger dar.
Auch einige Neuinterpretationen von "Voices"-Stücken, funktionieren durch die Bank weg. "Origins (Solo)" stellt eine Pianovariante von "Origins" dar, die minimalistischer und gesetzter, aber nicht weniger schön als das Original klingt. Und "Little Requiems (Cello Version)" hat auch ohne den Einsatz von Chören etwas ungemein Betörendes.
Wer auf das ruhige Gegenstück zu "Voices" oder einfach nur unaufdringliche Musik zum Nachdenken gewartet hat, kommt mit "Voices 2" voll auf seine Kosten. Wer sich jedoch große Spannungsmomente wie auf dem Vorgänger erhofft, dürfte nach dem Hören etwas ernüchtert zurückbleiben.
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