laut.de-Biographie
Mika
Ein Traum für jeden Künstler ist es, zu Karrierebeginn auf der alljährlich von der britischen BBC veröffentlichten Hot Newcomer-Liste aufzutauchen. An der Spitze jenes "Sound of 2007"-Polls rangiert im Januar desselben Jahres Mika. Gefolgt von The Twang und den Klaxons. 2006 belegten Corinne Bailey Rae und The Feeling bei der BBC vorderste Plätze.
In Mikas Fall wird schnell klar, warum die Radioverantwortlichen so steil gehen: Der Lockenkopf bringt nicht nur das Aussehen eines angehenden Stars mit, sondern serviert auf seinem Debütalbum auch ein ungemein eingängiges Pop-Menü, das auf erlesene Zutaten schließen lässt. An einer Stelle klingt der Dance-Faktor der Scissor Sisters an, dann hört man wieder gitarrige Melodiebögen, wie man sie von einem Robbie Williams kennt.
Mikas Gesangsperformance, die fünf Oktaven umfasst, wechselt derweil von Sparks'schem Falsett zur flamboyanten Gewalt eines Freddie Mercury. Schweres Namedropping, das für einen Jungstar zwar schnell zur Last werden kann, ihn aber auch zügiger in die Presse bringt.
Mika kommt 1983 in Beirut unter dem Namen Mica Penniman inmitten des libanesischen Bürgerkriegs zur Welt. Als er ein Jahr alt ist, ziehen die Eltern, eine libanesische Mutter und ein amerikanischer Vater, nach Paris um, wo sie neun Jahre lang bleiben. Mit neun beginnt Mika auch schon mit der Komposition erster Songs, zumal er in der Schule keine Gleichgesinnten findet. Mehr noch: Mika weiß schon zu diesem frühen Zeitpunkt, dass Songwriting sein Schicksal ist.
Kurz darauf zieht er mit seinen Eltern nach London um, wo er sein schulisches Außenseitertum weiter pflegen darf. Dort merkt Mika nämlich erst, wie liberal seine französischen Ex-Schulkollegen eingestellt waren. Hier fliegt dem textilen Paradiesvogel die Häme erst richtig um die Ohren.
"Es geschah zu dieser Zeit, dass mir die Musik so unheimlich wichtig wurde. Und die Musik war es auch, die mir letztlich wieder auf die Beine geholfen hat." Der Grund für den Umzug nach London war übrigens hoch dramatisch: Mikas Vater wurde in Paris das Opfer einer Geiselnahme.
Mikas Talent mag ihm in die Wiege gelegt worden sein, ohne Übung ging es aber auch bei ihm nicht. So begleitet ihn in jungen Jahren ein russischer Gesangslehrer auf seinem Weg, der Mika rasch auf Gesangswettbewerbe bringen soll.
Plötzlich geht alles rasend schnell: Die Werbung entdeckt den inzwischen auch am Klavier gut aufgehobenen Mika. Er singt für Orbit-Kaugummis oder die Telefon-Warteschleife von British Airways und steht mit elf Jahren auf der Bühne einer Richard-Strauss-Oper.
Mit 19 verlässt Mika sein Elternhaus, um an der London School Of Economics zu studieren. Einen Tag später exmatrikuliert er sich, um beim Royal College Of Music unterzukommen. Dort verfeinert er sein Songwriting und tritt auf diversen Partys ungefragt ans Klavier, um seine Songs vor Publikum aufzuführen.
So entdeckt ihn schließlich ein Talentscout, der in dem Fan von Michael Jackson, Elton John, Bob Dylan und Serge Gainsbourg einen kommenden Star sieht. Der soll seinen Sound allerdings nach den Vorstellungen seiner neuen Chefs umarrangieren, was Mika natürlich überhaupt nicht passt.
Enttäuscht zieht sich der Songwriter zurück und komponiert "Grace Kelly", eine Parodie auf ein Opernstück, das seinen Beinahe-Vorgesetzten den "dicken Mittelfinger zeigt", so Mika. Diese Absicht kulminiert in der Zeile: "Shall I bend over, shall I look older/ just to be put on your shelf?" Dadurch darf sich kurz darauf das Majorlabel Universal freuen, das Mika unter Vertrag nimmt und ihm den Freiraum lässt, den der Jungstar sich wünscht.
Neben "Grace Kelly" bieten sich auf seinem elf Songs starken Debüt "Life In Cartoon Motion" zahlreiche Singlekandidaten an. So bestehen auch "My Interpretation" oder "Billy Brown" vor jedem Radiosender Deutschlands.
Mika freut sich: "Das soll nicht arrogant klingen, aber ich weiß, dass ich eine gute Platte gemacht habe. Ich weiß, dass ich ein Album aufgenommen habe, über das gesprochen werden wird. Ich bin nicht überrascht." Ab März 2007 kann auch die Allgemeinheit diese selbstbewusste Aussage nachprüfen. Nachdem er bereits als Support von Amy Winehouse über deutsche Bühnen wirbeln durfte, kommt er im April 2007 noch einmal solo nach Berlin und München.
Doch Ende desselben Jahres bekommt er vor einem Auftritt in Brüssel Probleme. Eine eher unbekannte belgische Reggae-Sängerin trägt ebenfalls den Namen Mika und verklagt den quirligen Engländer. Doch ein Brüsseler Gericht weist die Klage einen Tag vor dem geplanten Gig zurück. Mika darf auftreten und seinen Namen behalten.
Nach dem sehr erfolgreichen CD-Debüt fackelt Mika nicht lange. Im Herbst 2007 erscheint seine erste DVD "Live In Cartoon Motion" mit Konzertausschnitten, Videos, Akustik-Versionen und einer ausführlichen Dokumentation über den Superstar. Mika ganz privat während seiner Welt-Konzertreise. Genauso schrill, bunt, quirlig und hitverdächtig, wie der Fan des Lockenkopfs es sich schöner nicht vorstellen kann.
Nach zwei Jahren Tour rund um den Globus veröffentlicht Mika im September 2009 seine zweite Platte "The Boy Who Knew Too Much". Musikalisch hat der Jungstar sich nicht groß verändert – er setzt weiterhin auf poppige Beats und seine außergewöhnliche Stimme. Hat er auf der Debütplatte noch seine Kindheit verarbeitet, so besingt er auf dem Nachfolger die Jugend.
Passend dazu erscheint das Video zur ersten Singleauskopplung "We Are Golden". Mika tanzt nur in Unterhose und goldenen Sneakers bekleidet durch ein Jugendzimmer. Wieder einmal beweist Mika, dass er genau weiß, wo er steht. "Ich bin Popmusiker, kein Indieartist", erklärt er. Und er weiß, wie das Prinzip Pop funktioniert.
In den folgenden Jahren entwickelt sich nicht nur Mika weiter – auch die Popmusik schreitet voran. Im Jahr 2012 sind Dance-Elemente im Popbusiness gefragt und Mika mischt mit: Mit "The Origin Of Love" erscheint das dritte Album des Ausnahmemusikers. Er arbeitet hierfür zusammen mit Nick Littlemore, der sich als Teil von Empire Of The Sun einen Namen gemacht hat.
Dass diese Platte entsteht, hat Mika wieder einmal seinem geradlinigen Charakter zu verdanken: In Eigenregie organisiert er seinen Trip nach Montreal und leitet vor Ort die Dinge selbst in die Wege. "Was ich in diesen Songs zum Ausdruck bringe, stammt wirklich aus meinem Inneren", erzählt er hinterher. "Es sind meine Anliegen. Dinge, die mich bewegen."
Und so beschreibt Mika "The Origin Of Love" als sein persönlichstes Werk. Er verabschiedet sich vom Geschichten erzählen und baut wahre Begebenheiten in die Lyrics ein. "Es ist Alternative-Pop, und ich bin ehrlich in meiner Musik, ehrlich und aufrichtig", so der Sänger. "Ich mache nun mal Musik mit Herzen obendrauf – und das finden manche Leute durchaus schwierig zu verdauen." Doch davon lässt sich der Künstler nicht beirren: er verstreut auch weiterhin musikalischen Glitzer und Goldstaub über seine Fans.
An seine Erfolge kann er mit der dritten Platte nicht anknüpfen. Nur in Frankreich kann er sich über die Poleposition in den Charts freuen. Nach der Tour widmet sich Mika den Arbeiten an einem Nachfolger, der allerdings erst im Sommer mit dem Titel "No Place In Heaven" 2015 erscheint. In den knapp drei Jahren "Pause" sitzt er in der italienischen X-Factor und der französischen The Voice-Jury. Für seine Fans dort veröffentlicht er das Best-Of-Album "Songbook Vol. 1" (2013, Italien) und die exklusive Single "Boum Boum Boum" (2014, Frankreich).
Damit nicht genug: im Februar 2015 kündigt er außerdem an, es werde ein Livealbum von seinen Konzerten mit dem Montreal Symphony Orchestra erscheinen. Außerdem landet er mit seinen Songs in verschiedenen US-Filmproduktionen, unter anderem in "Pitch Perfect 2".
Mit "No Place In Heaven" verabschiedet sich Mika dann von den Dance-Elementen, mit denen er auf dem Vorgänger experimentierte und liefert musikalisch ein ungewohnt reduziertes ALbum ab, das vom Pop der 60er und 70er inspiriert ist. Die Lyrics handeln davon, wie er in den vergangenen Jahren mit sich ins Reine gekommen ist und es schafft, offener und ehrlicher aufzutreten.
Auf die Frage, was er seinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben würde, antwortet er dem Out Magazine dementsprechend: "Schnall dich an! Bei einem Künstler wie mir - und ich würde mir es mir selbst so erklären, wenn ich diese Matthew McConaughy-Superkraft hätte, mit der ich durch schwarze Löcher springen und mit meinem jüngeren Ich reden könnte -würde ich sagen: 'Trau dich, mutig zu sein; trau dich, anders zu sein; Trau dich, nicht dazu zu passen. Wenn es einen Grund dafür gibt, dann ist es der richtige Weg'".
Noch keine Kommentare