laut.de-Kritik

Zu viel Pathos fährt den Karren an die Wand.

Review von

Richard Melville Hall alias Moby versuchte sich als Kind an der Gitarre und am Piano und studierte später klassische Musik. Während seiner Teenagerzeit spielte er in verschiedenen Hardcore-Punk- und Post-Punk-Bands. Anfang der 90er-Jahre legte er als DJ in New Yorker Dance-Clubs auf und fing an, elektronische Musik zu komponieren. Mit "Go" landete er schon 1991 seinen ersten Hit.

Mit dem Album "Play" gelang ihm schließlich acht Jahre später der künstlerische und kommerzielle Riesenwurf. Danach tobte er sich auf den Folgewerken gerne mal abseits des Mainstreams aus. Nun betont der 55-Jährige auf "Reprise" einerseits seine klassischen Wurzeln und blickt andererseits auf seine lange Karriere zurück. Auf der Platte finden sich nämlich fast ausschließlich alte Hits im orchestralen Gewand. Die realisierte er zusammen mit dem Budapest Art Orchestra sowie zahlreichen Gastsängern und Gastsängerinnen.

Die Neuaufnahme von "Everloving" beginnt mit sanfter Akustikgitarre und etwas Gesumme recht sparsam. Die reduzierten Momente lösen dann ab der Mitte perlende Piano-Töne und melancholische Streicher ab. Am Ende driftet die Nummer zu sehr in orchestralen Pathos ab, was nichts Gutes verheißt. Die anschließende Neuinterpretation von "Natural Blues" macht jedoch vieles richtig: Trommeln wirbeln ausgelassen durch den Track, Gregory Porter und Amythyst Kiah schmettern soulig um die Wette, eine Gitarre sorgt für funkige Akzente und die Streicher erzeugen filmreife Bilder vor dem inneren Auge, wirken aber nicht zu dick.

Trommelklänge ziehen sich auch durch die Neueinspielung von "Go" und verschieben das Soundbild gegenüber dem Original mehr in Richtung House. Dazu behalten die Streicher die beklemmende Atmosphäre der Ursprungsversion bei. Danach krankt die Scheibe aber größtenteils am selben Problem wie in "Everloving": Die Neuaufnahmen fangen mit verhaltenen Momenten recht vielversprechend an, geraten aber zum Schluss all zu schwülstig. Dadurch bleibt von der Magie der, wenn man mal das entbehrliche "Lift Me Up" ausklammert, allesamt recht wunderschönen Originale kaum noch etwas übrig.

Der Neueinspielung von "Porcelain" hätte es gut getan, wenn man die Klavier-Melodie und die warme Stimme von Jim James durchgehend betont hätte. Wenn nämlich gegen Ende laute Streicher in den Song hineinplatzen, war es das mit der Beseeltheit. Die drohen sich in der Neuaufnahme von "Extreme Ways" beinahe zu überschlagen, so dass die Nachdenklichkeit zuvor dem großen Gefühlsdrama weicht. Es gibt aber auch Lichtblicke.

David Bowies "Heroes" im Orchestergewand liest sich zwar auf dem Papier nicht unbedingt originell. Allerdings ringt Mindy Jones zu behutsam gesetzten Akustikgitarren-Akkorden und Piano-Schlägen mit ihrer hellen, zerbrechlichen Stimme, dem Hörer Gänsehaut ab: Auch die Streicherarrangements erweisen sich als gelungen, besitzen sie doch etwas Feierliches, ohne die düster graue Atmosphäre des Originals aus den Augen zu verlieren. Der Höhepunkt folgt schließlich mit der Neueinspielung von "God Moving Over The Face Of The Waters", die mit melancholischen, märchenhaften Streichern und dem lieblichen Klavierspiel Víkingur Ólafssons gegenüber der Ursprungsversion nichts an Traumhaftigkeit einbüßt.

Danach fährt man den Karren endgültig an die Wand. "Why Does My Heart Feel So Bad" und "We Are All Made Of Stars" schüttet man mit bedeutungsschweren Streichern und schmalzigen Chorgesängen zu. Die Substanzlosigkeit von "Lift Me Up" kaschieren ausschweifende Chor- und Streichermomente. In "The Lonely Night" knurren sich Mark Lanegan und Kris Kristofferson so gebrechlich durch die Neueinspielung, dass man denken könnte, beide sterben beim Singen gerade an Altersschwäche.

Auch die letzten drei Neuaufnahmen, die größtenteils Frauenstimmen durchziehen, leiden an Ideenlosigkeit. In der Neuaufnahme von "The Great Escape" trifft das Dauergesäusel der drei Sängerinnen Nataly Dawn, Alice Skye und Luna Li auf wogende Streicher-Langeweile. Die orchestrale Version von "Almost Home" hat zwar dank der Mitwirkung von Novo Amor, Mindy Jones und der Indie-Folk-Band Darlingside etwas überaus Umarmendes, zieht sich aber durch die lustlose Schlagzeug- und Piano-Arbeit zu sehr in die Länge.

In der Neueinspielung von "The Last Day" haut man zum Schluss nochmal richtig auf die Kacke, wenn wirbelnde Hollywood-Streicher Skylar Greys fragiler Stimme so gut wie gar keinen Raum lassen, ihr emotionales Potential zu entfalten. Jedenfalls hätte es eine Best-Of mit den dreizehn Tracks aus Mobys Eigenfeder, die man auf dieser Platte findet, auch getan. Einen Gefallen tut sich der US-Amerikaner mit "Reprise" nämlich nicht.

Trackliste

  1. 1. Everloving
  2. 2. Natural Blues
  3. 3. Go
  4. 4. Porcelain
  5. 5. Extreme Ways
  6. 6. Heroes
  7. 7. God Moving Over The Face Of The Waters
  8. 8. Why Does My Heart Feel So Bad
  9. 9. The Lonely Night
  10. 10. We Are All Made Of Stars
  11. 11. Lift Me Up
  12. 12. The Great Escape
  13. 13. Almost Home
  14. 14. The Last Day

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4 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 3 Jahren

    Ich find's gut.... nix neues - halt Moby im anderen Gewand - gut produziert und schöne Versionen. Kann man gut durchhören - schon deutlich schlechtere Orchestrale Versuche gehört. Und das mit dem Label ist schon n schöner Schmunzelt - die lassen auch nicht jeden ins Haus - somit alles richtig gemacht. Rezi passt für mich nicht ganz - klar stehen gerade in solch Arrangement die Stimmen vorn - naja, ist halt alles subjektiv. Für mich klare Empfehlung - und wer Moby mag, wird nicht enttäuscht!

  • Vor 3 Jahren

    Stimmt! Ich mag Moby. Und sein neues Album enttäuscht mich nicht.
    Musik für das ganz eigene Kopfkino.....

  • Vor 3 Jahren

    Sehr gutes Album. Mir gefällt's.

  • Vor 3 Jahren

    Kann den negativen Review überhaupt nicht nachvollziehen. Ok, es sei denn man mag Moby halt sowieso nicht. Der Trend zur Zeit, Stücke in ein klassisches Gewand zu packen find ich cool. Auch hier ist es sehr gelungen. Und "Why does my heart..." führt bei mir eher zur positiven Gänsehaut.