laut.de-Kritik
Hier sind wirklich Musiker mit einer Vision am Werk.
Review von Kai KoppWenn man als Band mit einem Ibiza-Sommer-Sonne-Strand-und-Meer-Song kräftig abräumt, fällt es echt schwer, ein brauchbares Album nachzuliefern. Dieser Aufgabe haben sich jetzt Modjo gestellt. Romain Planchard und Yann Destagnol sahnten im Sommer 2000 mit ihrem Hit "Lady (Hear Me Tonight)" kräftig ab. In bester französischer Neo-Disco-Manier à la Daft Punk pumpte damals ein Chic-Sample unterlegt von einem fetten Beat über die Dancefloors.
Ein Jahr später legen Modjo ihr titelloses Debut-Album vor. "Wir sind Musiker und nicht einfach Leute die sampeln" behaupten sie schon damals, trotzdem höre ich mir den musikalischen Output der in Paris lebenden Musiker mit äußerst kritischen Ohren an – und werde prompt enttäuscht. Das Intro kommt doch etwas müde daher, und ich frage mich - natürlich ganz objektiv - ob es wohl etwas damit zu tun hat, dass Romain und Yann im Intro nicht auf einen megabekannten Sample zurückgreifen?
Meine Vorurteile scheinen direkt beim zweiten Song "Chillin" eine weitere Bestätigung zu erfahren. Wieder ein Chic-Sample, wobei ich neidvoll zugeben muss, dass sie mit fremdem Material wirklich hervorragend umgehen können. Anschließend sorgt "Lady" in meinem Wohnzimmer tatsächlich für gute Laune. Scheinbar in Absprache mit der Sonne, die in diesem Herbst zum ersten Mal Suicid-Tendenzen-freie Stimmung versprüht.
Über ein kleines babylonisches Sprachgewirr–Zwischenspiel wirds ab "Peace Of Mind" richtig interessant. Ihr französischer Charme hat meine Sinne bereits umgarnt, und so bin ich inzwischen sehr viel positiver gestimmt. Und dann drücken sie mir auch noch eine astreine R'n'B – Nummer rein. Ich gebe mich geschlagen, mein Widerstand ist gebrochen. Hier sind wirklich Musiker mit einer Vision am Werk. "What I Mean" könnte im derzeit grassierenden R'n'B-Fieber sogar eine Single sein.
Damit darf "Music Takes You Back" auch mal ein bisschen flacher daher stampfen. Ist eh Zeit für die Verwandlung des gestrigen Weines in Wasser. "No More Tears", irgendwo zwischen Gospel und Disco ist was zum an der Wand lehnen und eine rauchen. Richtig in die Beine geht dagegen "On Fire". Auf Grundlage eines "Rocket in the Pocket" - Samples von M. Cerrone (dem französichen Disco-Starproduzent der 70er) hat die Nummer denselben "Mir scheint die Sonne aus dem Arsch" - Faktor wie "Lady". Auch das Konzept ist ähnlich: ein Gitarrensample, ein Mörder-Disco-Beat und ein souliger Gesang. Im Mittelteil verbiegen sie mir dann aufs Genüsslichste mein Tanzgestell mit einem prima (programmierten) Drum Solo. Der akustische Rauswerfer entpuppt sich als Bossa-Nova Version von "Lady", die den Abschied wirklich angenehm macht.
Hut ab! Romain Planchard und Yann Destagnol a.k.a. Modjo bringen ihre Ideen auf den Punkt. Mit ihrer musikalischen Sorglosigkeit schaffen die Zwei eine Atmosphäre, in der die Leichtigkeit des Seins extremen Spaß macht, auch im trüben Herbst.
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